Sie bestellten Pizza. Damit ließen sie sich vor dem Kamin auf großen Kissen nieder, die Daniel im ganzen Haus zusammengesammelt hatte. Karim hielt Katja im Arm, Daniel saß ihnen gegenüber. Seine Blicke sprachen Bände. Später ging Daniel in den Weinkeller, um noch eine Flasche Sekt zu holen und Katja entschuldigte sich kurz, um ins Bad zu verschwinden.
Karim nutzte den Moment und griff nach Daniels Handy, das neben dem großen Kissen lag. Er blätterte durch die Kontakte und fand niemanden mit dem Namen Isabelle. Es gab auch keine Anrufe von Isabelle. Er suchte nach Nachrichten und Bildern. Nichts. Er hatte recht: Diese Isabelle war frei erfunden!
Karim war völlig verwirrt. Warum das alles? Wozu erfand sein Freund eine Frau und trennte sich von der Liebe seines Lebens?
Als er Geräusche hörte, legte er das Handy schnell wieder an seinen Platz. In seinem Kopf war Chaos. Anscheinend war Daniel verrückt geworden. Sie stießen um Mitternacht an. Daniel küsste Katja auf die Wange, Karim und sie knutschten heftig. Beim Wegräumen der Gläser in der Küche strich Daniel Katja zärtlich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Diese kleine Geste brachte sie fast um den Verstand. Gut, dass Karim gerade die Flaschen hinausbrachte.
Eine Stunde später gingen sie schlafen. In dieser Nacht hatte Katja im Haus ihres Ehemannes keinen Sex mit dessen bestem Freund. Karim wagte es auch nur, sie zu küssen, denn er spürte ihre Blockade.
„Schlaf schön, meine Süße“, sagte er leise.
Katja weinte sich unbemerkt in den Schlaf.
Drei Tage später war Katja zu Cora gereist. Karim musste arbeiten und konnte nicht mit. Aber es war seine Chance, allein zu Daniel zu fahren und ihm auf den Zahn zu fühlen. Sie hatten sich zum Abendessen verabredet. Daniel sah müde aus, diese Situation, die er ja selbst herbeigeführt hatte, machte ihm schwer zu schaffen. Aber er wollte sich niemandem anvertrauen, schon gar nicht Karim, der sich seine Frau geangelt hatte.
Die Enttäuschung, die er am Neujahrsmorgen beim Frühstück tapfer überspielt hatte, war später mit aller Macht aus ihm herausgebrochen und er hatte wütend den ganzen Nachmittag Holz für den Kamin gehackt. Daniel wusste, dass er selbst daran schuld war, aber er wollte es sich nicht eingestehen.
Die beiden Männer gingen zu ihrem Italiener. Sie aßen Pizza und unterhielten sich über die Arbeit und Marie. Die hatte Neujahr angerufen und Karim erzählt, dass sie einen Nachfolger für ihre Firma suchen würde. Sie wollte sich in Südafrika zur Ruhe setzen.
„Marie hat mich auch gefragt“, sagte Daniel gelassen.
„Aber du hast doch hier genug zu tun. Oder denkst du ernsthaft darüber nach?“, fragte Karim.
Daniel schüttelte den Kopf.
„Ich kann hier nicht weg. Außerdem, Isabelle und ich wollen hier bald gemeinsam arbeiten und eine Familie gründen. Ich kann wirklich nicht weg.“
Karim ballte unter dem Tisch seine Fäuste. Er hatte Lust, Daniel direkt ins Gesicht zu schlagen, aber er riss sich zusammen und dachte: Wenn wir wieder bei ihm sind …
Sie tranken noch einen Kaffee, dann fuhren sie zurück auf das Weingut. Daniel ging mit Karim in den Weinkeller und wollte ihm den neuen Rotwein zeigen. Es gluckerte nur noch selten in den Röhrchen auf den Fässern. Karim atmete tief durch und sah Daniel an.
„Wie geht es denn deiner Isabelle? Hast du ein Bild von ihr?“
„Wir sind noch nicht dazu gekommen, Fotos zu machen. Es geht ihr gut.“
Daniel tat beschäftigt, denn ihm waren Karims Fragen nicht recht.
Karim bohrte weiter: „Wann kommt sie denn zu dir? Kann ich sie mal treffen? Wir können ja mal etwas zusammen unternehmen.“
Daniel geriet unter Druck und presste die Kiefer fest aufeinander.
„Den genauen Tag kann ich dir nicht sagen. Irgendwann nächste Woche. Oder so.“
„Ah ja … oder so. Daniel?“
Daniel fühlte sich jetzt furchtbar unwohl.
„Was willst du denn von mir?“
Karim schaute ihn böse an.
„Ich will die Wahrheit! Höre bitte auf mich zu verarschen, verdammt nochmal! Sag mir eines: Existiert diese Isabelle überhaupt?“
Daniel drehte sich um und lief aus dem Weinkeller. Karim rannte hinterher und hielt ihn an der Schulter fest.
Er rief noch einmal: „Los, rede endlich mit mir!“
Daniel schüttelte die Hand ab und schaute sich verzweifelt um. Er fühlte sich ertappt. Er hätte wissen müssen, dass Karim ihm auf die Schliche kommen würde. In ihm machte sich eine große Wut breit: auf sich, auf Katja, auf Karim, auf die ganze Welt. In seiner Wut brauchte er einen Sündenbock und dafür musste nun sein bester Freund herhalten.
„Was willst du eigentlich?“, schrie er Karim unvermittelt an. „Dich geht das doch alles gar nichts an. Du hast doch nur darauf gewartet, dass ich aus dem Weg bin und du freie Bahn bei Katja hast. Du hast dir meine Frau gekrallt und spielst dich hier auf.“
Karim war total erschrocken. So hatte er seinen Freund noch nie erlebt. Daniel starrte ihn hasserfüllt an.
„Ja, du hast recht! Es gibt keine Isabelle. Ich bin allein. Ich liebe Katja, sonst niemanden. Sie sollte frei sein und wieder eine Chance haben, glücklich zu werden, denn ich trage für alles die Schuld. Dass ich Linette geheiratet habe, dass wir kein Kind bekommen konnten, dass Eva sich in unser Leben mischen konnte. Ich habe sie betrogen. Sie kommt nicht zurück, weil ich hier mit Eva gevögelt habe und nun hat sie genau das mit dir gemacht. Unter meinem Dach!“
Karim stand jetzt direkt vor Daniel.
„Nein! Hat sie nicht. Hör auf damit! Sie liebt dich, das weißt du. Und sie hat alles versucht, hier wieder glücklich zu werden. Hör auf zu jammern. Du machst alles immer schlimmer. So eine bescheuerte Idee! Wie kann man denn so einen Mist machen!“
Er hatte Daniel am Kragen gepackt, doch der stieß ihn heftig zurück.
„Lass mich in Ruhe und verschwinde. Schlaf doch weiter mit meiner Frau. Hau ab!“
Die Wut war verraucht, zurück blieb ein Gefühl der unendlichen Leere. Karim ging hinein, holte seine Jacke und fuhr in seine Wohnung.
Er konnte nicht mehr denken und war verzweifelt, genauso verzweifelt wie Daniel.
Katja war ein paar Tage später wieder heimgekommen und ahnte nicht, was geschehen war. Sie hatte eine schöne Zeit mit Cora gehabt. Sie waren zu einem Konzert der Philharmoniker gegangen, auch eine Shoppingtour in Berlin hatten sie sich gegönnt. Karim hatte sich beim abendlichen Telefonieren nicht anmerken lassen, dass etwas nicht in Ordnung war. Er wollte ihr auch jetzt nichts davon sagen, denn Katja war nun mit ihm zusammen und das sollte auch so bleiben.
Er wusste nicht, ob er damit klarkommen würde, dass sie Daniel immer noch liebte, aber er wollte es versuchen. Dieses eine Mal wollte er an sich denken. Als Katja zu ihm in die Wohnung kam, nahm er ihr galant die Jacke ab. Seit gestern taute es bei drei Grad. Sie ließ die nassen Schuhe im Flur stehen. Karim nahm sie in den Arm und küsste sie.
„Endlich bist du wieder da, ich hatte solche Sehnsucht nach dir.“
Katja schlang die Arme um ihn und strich ihm über den Rücken. Ihre Hände wanderten unter seinen Pullover. Er zog ihn schnell aus und sie liebten sich auf der Couch vor dem flackernden Kamin. Danach erzählte Katja von den Tagen bei Cora. Michel hatte sie verwöhnt und Cora hatte ohne Ende von ihrem Traummann geschwärmt. Er trug sie auf Händen und las ihr jeden Wunsch von den Augen ab.
Michel hatte auch guten Kontakt zu Elli, die sehr gerne mit dem neuen Freund ihrer Mutter durch die Stadt schlenderte. Er war großzügig, aber Elli hatte nie das Gefühl, er würde ihre Zuneigung kaufen wollen. Mit ihm besprach sie ihre Probleme und er durfte sagen, welche Klamotten an ihr gut aussahen. Cora war glücklich und mischte sich nicht ein. Somit hatte sich auch ihr Verhältnis zu Elli entspannt.
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