Wir, die Gefährten des Königs, lachten. Die Offiziere des Parmenion blickten böse drein, dass der König ihre Argumente so wenig achtete und sich, während sie ihre Sorgen vortrugen, mit seinem Maler beschäftigte. Zudem stimmte Alexander in unser Lachen ein.
„Der größte Fehler der Athener war, sich mit einem Sokrates anzulegen. Ich werde den Fehler nicht wiederholen und mich mit einem Maler streiten. Aber den Kopf würde ich an deiner Stelle doch überarbeiten.“
„Du bist nicht Apelles.“
„Nein. Und du nicht Alexander, sondern ein sturer Ziegenbock.“
„Es gibt einen anderen Ziegenbock, der genau so stur ist. Vielleicht muss man so sein, wenn man den persischen Widder besiegen will“, wehrte sich Apelles und der König schmunzelte. Hephaistion warf Apelles einen Beutel mit Drachmen zu und hieß ihn am nächsten Tag wiederzukommen. Als er an den Generälen vorbei ging hörte ich ihn flüstern: „Was seid ihr doch alles für Hosenscheißer.“
Er war ein rebellischer Geist, der Apelles, und für seine Kunst, aber auch für seine grobe Ausdrucksweise bekannt. Ihm bedeutete ein König nicht viel und schon gar nicht dessen Generäle. Er ließ nur Phidias gelten und Homer und die großen Tragödiendichter. Ich weiß dies so genau, weil ich ihn selbst zu Alexander geführt hatte und er mir gleich erklärte, dass er sich nichts darauf einbilde, Alexander malen zu dürfen und dass er nur komme, weil der König als großzügig gelte. Und im Übrigen sei es keine Kunst Menschen zu morden und Länder zu überfallen, sondern ein Verbrechen.
Darin mag er Recht haben. Aber dass man von Alexanders Taten im Gegensatz zu seinem Werk in tausend Jahren keiner mehr sprechen würde, das glaubte ich dann doch nicht. Er war ein sehr von sich eingenommener Mann, der Maler Apelles.
Nachdem sich die Generäle über Apelles’ Unverschämtheiten beruhigt hatten, fingen sie erneut an ihre Bedenken vorzutragen. Es lief alles darauf hinaus, dass Alexander auf die Erfahrung der Altmakedonen hören sollte. Bei Garnikos wäre viel Glück dabei gewesen. Sie hatten also die Hosen gestrichen voll. Sie wussten immer noch nicht, wie Alexander dachte, und sie würden es auch nie kapieren. Nur wir Jungen, seine Leibgardisten und Gefährten, die täglich um ihn waren, kannten ihn im Guten wie im Schlechten, wobei das letztere unsere Liebe zu ihm lange nicht beeinflusste.
„Leonnatos und Philotas, ihr reitet als meine Gesandten nach Milet und bringt denen die Botschaft, dass auch zu ihnen nun die Freiheit kommt. Auch dort wird man uns die Tore öffnen und wir werden in den Tempeln den Göttern huldigen.“
Ich war nicht gerade begeistert darüber und hätte als Begleiter lieber wieder den Attalos gehabt. Zumal Philotas mir schon oft seine Abneigung gezeigt hatte. Als Kommandeur der thessalischen Reiter war er mir rangmäßig überlegen, was mir auch nicht schmeckte. Aber dies konnte ich kaum öffentlich vorbringen und so schickte ich mich drein, den Befehl auszuführen.
Wir ritten schon am nächsten Tag los und nahmen dreißig Gefährten mit. Um Eindruck zu schinden, hatten wir uns schön herausgeputzt und mit genug Ketten behängt. Da ich kein so großer Freund von Gold bin, hatte ich mir von den Drachmen, die mir Alexander zur Beförderung als Leibgardist schenkte, meinen Brustharnisch sowie Helm und Beinschienen mit Silber beschlagen lassen. Ich fand mich sehr ansehnlich und nicht ganz so barbarisch wie Philotas, der wohl den gesamten Goldschatz des Agamemnon um den Hals und an den Armen trug. Ich war stolz darauf, dass ich mich nun als Kurier des Königs bezeichnen konnte und genoss den Ritt, die wunderbare Landschaft, die so schön ist, dass einem das Herz aufgeht und ließ mir durch Philotas, der mich nicht als gleichrangig behandelte, und sein mürrisches Wesen nicht die Laune verderben.
Wir wollten den Auftrag schnell hinter uns bringen und ritten bis in die Nacht hinein. Wir übernachteten auf freiem Feld, indem wir uns in unsere Mäntel hüllten. Schließlich waren wir Soldaten Makedoniens und wesentlich kühlere Nächte gewohnt.
Milet ist die heimliche Hauptstadt Westasiens und so griechisch wie Athen, ein kultureller und geistiger Mittelpunkt. Als wir die Mauern sahen, mit der Akropolis darüber, stockte uns der Atem und wir hielten die Pferde an und Philotas grinste wölfisch.
„Sie sind reich, diese Herren in Milet! Hoffentlich ergeben sie sich nicht. Fette Beute, nicht wahr?“
„Du weißt doch, dass wir hier sind, um Ionien zu befreien und nicht, um es auszuplündern!“ entgegnete ich.
„Du bist ein Träumer, Leonnatos. Dafür hätte kein Makedone die Heimat verlassen.“
An dem Stadttor ließ man uns anstandslos passieren und wir ritten, bestaunt vom Volk, zur Agora. Aber niemand jubelte. In Sardes war dies anders gewesen. Aber hier rief keiner „Hoch lebe Alexander“. An der Agora saßen wir ab und ließen unsere Begleitmannschaft zurück. Philotas nahm einen Thraker und ich nahm Phokis mit und wir stolzierten in den Empfangssaal der Bürgerhalle. Dort war alles versammelt, was in Milet Rang und Namen hatte. Philotas leierte die Botschaft Alexanders herunter. Er machte es so hochmütig, dass die Mienen der Ratsherren versteinerten. Philotas’ Rede lief darauf hinaus, dass sie froh sein könnten, dass ihnen Alexander die Freiheit brachte und er im Übrigen nicht verstehen könne, warum sie dafür nicht selbst gesorgt hatten. Der Dummkopf bedachte nicht, dass die Mileter einst den Aufstand gegen die Perser anführten und dafür fürchterlich bestraft worden waren. Die Mileter redeten eine Weile drum herum und sprachen von Wohltaten, die sie vom Großkönig in der letzten Zeit erfahren hatten. Wir mussten also feststellen, dass die große Freiheit, die Alexander verkündete, nicht für alle Ionier so attraktiv war wie wir gedacht hatten.
„Ihr müsst euch ja auch nicht ergeben!“ sagte Philotas grinsend. „Dann ergeht es euch so wie Theben.“ Er drehte sich um und deutete mir mit dem Kopf an, dass wir gehen sollten und so stiefelten wir wieder hinaus.
„Das hast du ja toll hinbekommen“, rief ich Philotas zu, als wir aufsaßen.
„Wir haben unseren Auftrag doch ausgeführt!“ sagte Philotas gleichmütig und schwang sich aufs Pferd.
Der Kommandant der miletischen Garde kam nun winkend aus der Ratshalle und bat uns zurückzukommen. Philotas schüttelte den Kopf und wollte los reiten. Aber da ich wieder vom Pferd stieg, blieb ihm nichts anderes übrig, als mir mit wütendem Gesicht in die Halle zu folgen. Die Gesichter der Ratsherren waren kalkweiß. Aber sie beteuerten nun, dass sie Alexander als Schutzherrn anerkennen würden und ihn gern willkommen hießen.
„Warum nicht gleich so“, brummte Philotas. „Wir werden es dem König ausrichten.“
Wir ritten also mit guten Nachrichten zurück. Philotas sprach auf dem Rückweg kein Wort mit mir. Alexander war jedenfalls sehr zufrieden und lobte unser Verhandlungsgeschick.
„Ich hatte schon befürchtet, dass wir die Stadt belagern müssen. Wir hätten Zeit verloren. Wie die gefangenen Perser berichten, sind die Mileter gute Untertanen des Großkönigs geworden. Das war gute Arbeit, ihr beiden.“
Nach der Audienz nahm mich Ptolemaios beiseite: „Du siehst nicht sehr zufrieden aus. Was war denn los?“
Ich erzählte ihm, wie es abgelaufen war.
„Sie fühlen sich unter persischer Herrschaft wohler als in griechischer Freiheit?“
„Sieht so aus, Ptolemaios.“
„Das kann ja heiter werden.“
Es wurde bereits am nächsten Tag heiter und trug mir unzufriedene Blicke Alexanders ein. Die Mileter schickten eine Gesandtschaft, die nun erklärte, dass man doch neutral bleiben wolle. Sie würden Alexander ehren, aber sie würden auch den Großkönig Dareios achten, der ihnen so viele Wohltaten erwiesen habe. Alexander sah mich stirnrunzelnd an.
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