Wir waren mitten in das Herz der persischen Reiter hineingestoßen und nun trafen wir auf Spithdridates, und der hätte ihn, weil Alexander sich noch einmal zu Phoisakes umdrehte, bestimmt niedergestreckt, und der Krieg wäre zu Ende gewesen. Alexander konnte niemand ersetzen. Doch Kleitos, der Schwarze, wie wir ihn nannten, Befehlshaber der thrakischen Reiterei, hieb dem Perser den Arm ab. Mittlerweile hatte auch Parmenion mit den Phalanxregimentern am Ufer des Garnikos Fuß gefasst. Da die Perser kein einheitliches Kommando mehr hatten, lösten sich ihre Reihen auf. Schließlich standen uns nur noch die griechischen Söldner gegenüber.
Alexander ließ sich ein anderes Pferd geben, da Bukephalos erschöpft war und stürzte sich mit der Gefährtenschwadron auf die Griechen. Von den Persern im Stich gelassen, konnten wir die Söldner einkreisen. Nun begann ein Blutbad, wie es in dieser Phase des Alexanderzuges immer dann von Alexander ausgelöst wurde, wenn er auf Verräter traf. Für ihn, dem Hegemon Griechenlands, waren Landsleute auf Seiten der Perser Abtrünnige, und er bestrafte sie erbarmungslos. Tausende wurden niedergemetzelt und die Gefangenen in die Heimat zurück geschickt – in die Bergwerke als Sklaven. Dies um der Wahrheit willen. Alexander war nicht ohne Fehler. Die Götter waren offensichtlich auf seiner Seite, aber warum haben sie ihm nicht eingegeben, dass dies nicht nur ein Verbrechen war, sondern ein Fehler, der ihn in Athen nicht gerade beliebter machte?
In der Nacht erreichten wir das persische Lager und wenn Alexander knapp bei Kasse war, wie manche Chronisten schreiben, so waren diese Zeiten seit dem Sieg beim Garnikos ein für allemal vorbei. Neben goldverzierten Möbeln und goldenem Tafelgeschirr fiel uns die Kriegskasse der Perser in die Hände. Von nun an brauchte Alexander keine Angst zu haben, dass ihm die Heimat den Geldhahn zudrehte. Athen übersandte er dreihundert persische Rüstungen, die man auf der Akropolis mit einer Tafel aufstellte:
Alexander, Sohn des Philipp, und die Griechen
mit Ausnahme der Lakedaimonier bringen diese
Beutestücke der Barbaren Asiens der Stadt Athen
zum Geschenk.
So wurde Athen gerächt und geehrt und Alexanders Ruhm wuchs in der Welt, und doch war dies erst der Anfang.
Ehe wir weiter zogen, genossen wir erst einmal den Triumph und Alexander ließ Spiele veranstalten und die Tapfersten der Tapferen wurden ausgezeichnet. Ich bekam vor allen Heeresführern eine goldene Kette von Alexander. Mein Vater war, als Adjutant des Parmenion, auch dabei. Meine Auszeichnung machte ihm wenig Freude. Gleichzeitig war die Ehrung eine Beförderung und ich wurde nun auch offiziell Leibgardist und war Verwandter des Königs und hatte damit ständigen Zugang zu ihm. Neben Hephaistion durften sich nur acht Gefährten als Verwandte bezeichnen, darunter Perdikkas, Ptolemaios, Peukestas, Lysimachos und Kleitos. Ich schrieb diese schnelle Beförderung Hephaistion zu, aber dieser versicherte mir später, dass er damit nichts zu tun hatte.
„Alexander glaubt, dass dich Apollon geschickt hat.“
Ich erzählte ihm darauf hin, welches Gesicht ich auf den Stufen des Tempels in Troja hatte und was ich glaubte gehört zu haben und natürlich erzählte er es Alexander und dieser ließ mich bald kommen.
Diesmal war ich in seinem Zelt mit ihm allein und er forderte mich auf von meinem Traumgesicht zu erzählen und ich wiederholte es, so gut ich es vermochte.
„Und das geschah, während wir das Grab es Achilleus umrundeten?“
„Ich konnte ja nicht mitmachen“, antwortete ich und deutete schmerzlich lächelnd auf mein Bein.
„Du sollst helfen, dass sich meine Sehnsucht erfüllt? Die Götter schicken mir in dir einen seltsamen Helfer.“
„Gesunde Krieger und Schreiberlinge hast du doch genug.“
„In der Tat. Tapfere Gefährten habe ich genug. Auch Schreiberlinge wie Eumenes, dem ich jeden Tag mein Tagebuch diktiere. Und Kallisthenes ist unser Chronist des Feldzuges und sorgt dafür, dass die Ereignisse den Griechen wie süße Trauben schmecken. Was also will der Gott von dir?“
„Ich weiß es auch nicht. Ich habe dir nur berichtet, was ich vor Trojas Tempel hörte. Ich habe mich nicht um diesen Auftrag gerissen. Es bleibt alles recht unklar.“
Alexander nahm mich bei der Schulter und ging mit mir im Zelt auf und ab, erst schweigend und dann sprudelte aus ihm heraus:
„Gut, ich will dir sagen, was meine Sehnsüchte sind. Ich werde die Sterne berühren und alles übertreffen, was je getan wurde, sei es nun von Sterblichen wie Epamoneindos oder Perikles, sei es von Halbgöttern wie Achilleus, Dionysos und Herakles. Ich werde bis zum Ende der Welt vorstoßen und meine Städte dort errichten, wo noch kein Grieche, geschweige denn ein Makedone gewesen ist. Die Ägypter sollen das Wissen über die Unsterblichkeit haben. Ich werden unsterblichen Ruhm erringen!“
„Sind das deine Sehnsüchte?“
„Ja. Und dabei wirst du mich begleiten, Bote des Apollon.“
Alexander reichte mir einen Becher Wein und wir stießen an und ich versprach ihm, den göttlichen Auftrag zu erfüllen.
Der Kriegszug ging weiter durch Westasien, dem Land, das uns die Weisheit schenkte. Natürlich ist Athen die Wiege der Kultur, aber es ist nur die eine Seite der Medaille. Wie jeder Grieche weiß, hat uns Ionien viele Philosophen gebracht und nicht nur Heraklit, sondern Thales und Anaximander, um nur einige zu nennen. Es ist heiliges griechisches Land und so nahmen wir Sardes in Besitz. Es warf sich Alexander bereitwillig in die Arme. Die Hauptstadt des westlichen Perserreiches, wo die von Susa kommende königliche Straße endete, nahm ihn wie einen Geliebten auf. Anfangs glaubte Alexander, dass es so weitergehen würde. Wir saßen in dem großen Palast auf der Spitze des Berges Tomolos zusammen und hielten Kriegsrat.
„Wir marschieren weiter. Immer weiter. An der Küste entlang bis wir nach Tyros kommen“, fasste er seine Pläne zusammen.
Währenddessen saß Apelles, der berühmte Maler, an seiner Seite und malte ihn, was uns nicht groß störte, doch etwas befremdlich war, denn dieser fluchte dauernd, weil Alexander keinen Augenblick still stehen konnte. Und das Alexanders Pferd Bukephalos mitten in der Halle stand, von Sklaven am Zügel gehalten, machte auf die Altmakedonen einen zwiespältigen Eindruck.
„Die persische Flotte bedroht uns“, erwiderte Parmenion mit einem Gesicht, als hätte er auf eine Zitrone gebissen.
Was er von der Gegenwart des Pferdes und des Malers hielt, brauchten wir ihn nicht zu fragen. Er hielt es für einen Affront und sah sich geringschätzig behandelt.
„Wir sollten eine Seeschlacht wagen“, fuhr er fort. „Bisher sind wir den Persern auf See immer überlegen gewesen. Ich erinnere nur an Salamis. Wenn wir sie vom Meer gefegt haben, können sie uns nicht in den Rücken fallen und wir können in aller Ruhe weiter marschieren.“
„Nein. Umgekehrt. Wir werden den Persern die Städte an der Küste wegnehmen und sie von ihren Heimathäfen absperren. Wir marschieren weiter und befreien Stadt um Stadt. Sie haben lange genug unter der Knute des Persers gelitten.“
Ich glaube nicht, dass das der eigentliche Grund war. Die Schiffe hatten die Griechen, insbesondere Athen, gestellt und er konnte sich nie sicher sein, dass sie ihn nicht doch im Stich ließen.
Von den Offizieren des Parmenion, alles alte Kämpen des Philipp, kam besorgtes Gemurmel und ein anderer als Alexander hätte sich vielleicht deren Mahnungen zu eigen gemacht. Doch er tat so, als wäre ihre Sorge unerheblich und ging zu Apelles und sah sich das Gemälde an und schüttelte unzufrieden den Kopf.
„Also, der Kopf des Bukephalos scheint mir nicht sehr gelungen.“
Apelles sah hoch und zu dem Pferd hinüber und dieses hob den Kopf und wieherte.
„Dein Pferd scheint mehr vom Malen zu verstehen als du.“
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