Noch weit weg von einem normalen Gewicht, aber mit der guten Jogging-Erfahrung und dem positiven Gefühl, da ich wegen der Kohlsuppe wieder etwas abgenommen hatte, machte ich mich auf die Suche nach einem Mann.
Das war nicht einfach. Ein Dating-Portal wollte ich nicht bezahlen und die Männer auf der Arbeit kamen für mich nicht in Frage. So suchte ich im Internet und per Kleinanzeige. Ach du meine Güte, was tummeln sich dort für Typen. Das wäre glatt ein eigenes Buch wert.
Andreas zum Beispiel, der einen großen Hund hatte. Ein riesiges Viech, was nach nassem Fell stank und ständig seiberte. Andreas trug immer ein Stoff-Taschentuch mit sich herum, um dem Hund die Schnauze abzuwischen. Als der Hund sich schüttelte, flogen lange Schleimfetzen auf meine Jacke. Angeekelt drehte ich mich weg und er meinte nur: Ja, ist ein bisschen komisch. Das ist eine Züchtung, die haben das alle.
Thomas, der nächste Kandidat, wohnte noch bei Mama. Ich dachte, sowas gibt’s nur im Kabarett. Aber nein! Es ist ein sehr weit verbreitetes Klischee und beruht wohl auf den Geschichten von Tausenden solcher Männer. Thomas entsprach so sehr dem Klischee, dass ich mich nach einer halbe Stunde verabschiedete. Von ihm und seiner Mama.
Gerd machte ganz komische Geräusche beim Sex. Ich war völlig überrascht, starrte ihn mit weit geöffneten Augen an, stand dann aus dem Bett auf und kochte Tee. In der Küche wollte ich mir in Ruhe überlegen, was ich sagen könnte. Das hat ihm nicht gefallen. Er zog sich an, war in zwei Minuten zur Tür raus und ließ mich alleine in seiner Küche stehen. Es gab kein zweites Treffen.
Meist hat sich das Kennenlernen bei einem kurzen Treffen im Café schon erledigt. Es ist erstaunlich, wie gut sich manche Männer darstellen können, was sie für wunderbare Anzeigen verfassen und tolle Emails schreiben. Dann triffst du sie und weißt nach einer Minute: Das wird nichts.
Klar war es auch mal umgekehrt. Da kam jemand in die Bar, trat an meinen Tisch und sagte: Mein Freund steht draußen. Er ist mit dir verabredet, hat dich durchs Fenster gesehen und will jetzt nicht reinkommen. Es sagt, das wird nichts mit euch.
Hatte ich das nötig? Ich wollte nicht mehr diese komischen Typen treffen oder mich nach einem kurzen Blick durchs Fenster abkanzeln lassen – ohne Chance darauf, mich überhaupt vorstellen zu dürfen. Die Selbstzweifel kamen mit Macht zurück. Ist es so, wenn du dick bist, dass du jemanden nehmen musst, der dir nicht gefällt – nur, um nicht einsam zu sein?
Aber noch wollte ich nicht aufgeben. Ich vergrößerte den Radius bei den Kleinanzeigen, schrieb auch Männer an, die nicht in der gleichen Stadt wohnten wie ich. So fand ich Peter. Was für ein Mann! Witzig in der Anzeige, locker beim ersten Telefonat und mit viel Charme und Esprit bei allen Gesprächen, die zum ersten Treffen führen sollten. Peter schwärmte von Frauen. Er sagte, er liebe Frauen, ihren Duft, ihre Körper, ihre Weiblichkeit. Es wäre ihm egal, ob die Frauen alt oder jung, dick oder dünn seien. Er liebe alle weiblichen Formen.
Mit ist gar nicht aufgefallen, dass er nicht von mir sprach, sondern von Frauen im Plural. Ich hörte nur „egal, ob dick oder dünn“ und meine Skepsis, was unbekannte Männer betraf, schmolz wie Eis in der Sonne. Schon am nächsten Tag fuhr ich die 100 Kilometer in seine Heimatstadt und wir trafen uns. Nach weniger als einer Stunde waren wir in seinem Bett und da blieben wir für ein paar wirklich aufregende Stunden.
Leider hat auch diese Story kein Happy End. Peter rief mich direkt am nächsten Tag an und sagte: „Tanja, es war toll mit dir – danke für diese Erfahrung. Du bist wirklich etwas Besonderes. Jetzt suche ich mir wieder eine schlanke Frau und dann auch nochmal eine Ältere – boah, ihr seid alle so aufregend – ich liebe Frauen!“
WAAAS?

Foto Nr. 7 - Dieses nette Foto erhielt ich zur Aufmunterung von meinem Bruder.
Ok. Keine Kleinanzeigen mehr und kein Treffen mit (fast) Unbekannten. Einmal wollte ich es noch probieren und wenn es dann nicht klappte, lieber alleine leben. Ich hatte zu der Zeit noch nichts von „The Secret“ gehört, keiner sagte mir, dass ich meine Wirklichkeit selbst erschaffe und das Buch „Bestellungen ans Universum“ war noch nicht erschienen. Oder ich kannte es damals nicht.
Also setze ich eine Anzeige im Internet auf, bekam richtig viel Post und traf IHN. Wochenlang haben wir jeden Tag telefoniert, mehrmals am Tag Emails hin- und hergeschickt und uns gründlich kennengelernt. Auch Fotos haben wir ausgetauscht, Portraitfotos, keine Ganzkörperfotos. Er fühlte sich an wie mein Hauptgewinn.
An einem Montag trafen wir uns zum Essen. Ja, so sicher fühlte ich mich, dass ich mich in einem Restaurant verabreden wollte und nicht nur in einem Café. Wir saßen uns gegenüber, prosteten uns zu und gerade, als der Kellner sich dem Tisch näherte, um die Essens-Bestellung aufzunehmen, sagte er feierlich: „Nimm´s mir nicht übel. Aber du bist sooo dick – da krieg´ ich keinen hoch.“ Er stand auf und ging. Weinen konnte ich in dem Moment nicht.
Ich habe tapfer die Rechnung bezahlt – es waren ja nur zwei Getränke – und bin, ganz alleine und aufgebrezelt in meiner Abendgarderobe, zu McDonalds gefahren. Nach einem Umweg über den Bahnhof, wo man Tag und Nacht einkaufen konnte und ich mich mit viel Schokolade eindeckte, fuhr ich nach Hause und da kamen endlich die Tränen. Dann also ein Leben ohne Partner. So erniedrigen lassen wollte ich mich nie wieder.
Das ganze Leben ist schwierig mit Übergewicht. Mode, Gesundheit, Partnersuche, einfach alles. Ob Schlank-Sein die Lösung war? Würde ich dünn andere Männer anziehen als jetzt? Ach, das war so eine utopische Frage… Mit der Kohlsuppen-Diät hatte ich mir mühsam 7 Pfund heruntergehungert. Jetzt waren gerade 8 Kilo wieder drauf. Ja, Kilo, nicht Pfund.
Das Thema Partnersuche war für mich vorerst beendet.
Eine gute Freundin, die als Paartherapeutin arbeitete, riet mir: Mach etwas Neues in deinem Leben. Such dir ein Hobby, fang wieder mit dem Joggen an und denk nicht mehr an Männer. Wenn es dir selbst gut geht, wird dein Traumprinz dich finden. Er wird dich attraktiv finden, weil du dir selbst gefällst. Du musst weg von deiner Idee, dass dich jemand auf deinem Weg begleitet und dich unterstützt. Ein Mann ist nicht dazu da, deine Probleme zu lösen. Das musst du schon selbst erledigen. Ja sicher ist das schwierig. Aber wenn du das geschafft hast, wirst du eine so tolle Ausstrahlung haben, dass du von innen leuchtest, dass du lächelst, dass die Menschen mit dir zusammen sein wollen und sie kommen auf dich zu – dann brauchst du nicht zu suchen. Du wirst sehen, in einem Jahr, spätestens in zwei könntest du verheiratet sein. Wenn du aufhörst zu suchen und deinen eigenen Weg gehst.
Oh, das klang so schön! Verheiratet sein. Geliebt werden. Strahlend durchs Leben gehen. Sie war sehr erfolgreich, die Annette, also glaubte ich ihr. Außerdem war sie viele Jahre älter als ich, hatte unglaublich viel erlebt und Erfahrungen von anderen habe ich schon immer vertraut. Jetzt wollte ich meine eigenen guten Erfahrungen machen. Ich wollte ihr glauben und ich machte alles, was sie vorgeschlagen hat. Neues Hobby, neue Frisur, joggen ging ich auch wieder und zum ersten Mal in meinem Leben nahm ich in einer Gruppe Gleichgesinnter ab. Das ging zwar viel langsamer als mit der Kohlsuppe, aber es gab richtige Sachen zu essen und es schmeckte.
Ich beschäftigte mich erneut mit der Ursachenforschung. Es hieß doch, deine Ängste und depressiven Stimmungen kannst du nur auflösen, wenn du auch diese Teile deines Charakters annimmst. Bevor du glücklich sein kannst, schau dir deine eigenen Dämonen an. Dämonen? Naja, wenn alle das sagen… Also suchte ich Dämonen.
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