Tomaten pur schmecken ganz anders. Würzöle habe ich mir verkniffen und schon bald konnte ich die roten Dinger nicht mehr sehen. Der Tipp mit der Flüssigkeit stimmte aber. Ich brauchte nicht mehr einen Liter stilles Wasser auf ex vor den Mahlzeiten trinken. Abgenommen habe ich auch. Aber um welchen Preis!
Ich war ständig hungrig, hatte fürchterliche Laune und war eine Zumutung für meine Mitbewohner, meine Angestellten, für Freunde und Familie. Meist dauerte es nur wenige Tage und jemand schlug vor, gemeinsam zum Essen zu gehen, damit ich wenigstens einmal wieder lächeln würde. „Komm, Tanja, jetzt warst du so streng zu dir – das hast du dir verdient!“ Schon war wieder alles vorbei. Weil ein einziges „normales“ Essen konnte mich zurückkatapultieren in die alten Ess- und Fressgewohnheiten. Das Belohnungsessen war nie die Ausnahme, als die es geplant war, sondern immer der Startschuss zum Abbrechen der Diät. Wenn nicht am gleichen Tag, so spätestens am nächsten.
Mit dem häufigen Besuch diverser Imbiss-Ketten landete ich im Fress-Teufelskreis. Das Essen war zu viel, zu fett, zu süß und ohne nennenswerten Anteil an Nährstoffen. Das hat den Effekt, dass man zwar satt ist, der Körper aber schnell wieder Hunger meldet, weil er nicht die erforderlichen Vitalstoffe bekommt. Folglich isst man weiter/wieder. Durch die fehlende Bewegung wird zusätzlich der Stoffwechsel gedrosselt und alles setzt schneller an. Es ist also wirklich möglich, mit wenig Essen, wenn es nur das Falsche ist, auf einem hohen Gewicht zu stagnieren. Ich kenne Dicke, die mit 1500 Kalorien in Form von Pizza und Schokolade locker ihr Gewicht von über 100 Kilo halten. Dicke sind dick, weil sie zu viel oder das Falsche essen. Diäten machen nicht schlank, sondern dick. Ein neues Verhalten ins eigene Leben einzubauen, gelingt mit Psychologie und Motivation, nicht mit strengen Regeln. Wer etwas ändern will, muss sich selbst ändern. Erst im Fühlen und Denken, dann im Handeln. Nicht umgekehrt. Noch war ich nicht so weit. Es folgte eine Phase, in der ich mein Gewicht hielt – auf dem hohen Niveau von circa 120 Kilo – und versuchte, mich in diesem dicken Leben gut einzurichten. Die frechen Sprüche konnte ich ja schon, jetzt kamen Ausdrücke mit ein bisschen Humor hinzu wie „Lieber durchs Leben gerollt als durchs Leben geklappert.“ In dieser „ich-bin-rund-na-und-Phase“ habe ich mich von der schlank-machenden Farbe schwarz verabschiedet. Ab sofort war meine Lieblingsfarbe BUNT, dazu witzige, riesige Ohrringe, mit denen ich auffiel. Mit 120 Kilo bist du sowieso nirgends unsichtbar. Also lieber laut, grell und lustig!

Foto Nr. 5 - Unsichtbar geht ja leider nicht. Dann ruhig in Lieblingsfarbe bunt!
1.4. SEX. ECHT JETZT, DICKE HABEN SEX?
JA, SO: UNSERE GEHEIMNISSE.
Sex ist ein schwieriges Thema, wenn man dick ist. Es gibt Männer, die auf dicke Frauen stehen. Aber genau diese Sorte Männer fand ich unausstehlich. Wie soll ich damit umgehen, wenn der Mann exakt das an mir toll findet, was ich hasse?
Die Extremform der Fett-Liebe bilden sogenannte Feeder. Das sind Männer, die ihre Frauen füttern, bis sie unbeweglich und von ihnen abhängig sind. Ein paar dieser heftig übergewichtigen Frauen haben es im Internet zu einiger Berühmtheit gebracht. Ich bin mir sicher, dass es bei diesen Männern eher um eine Mischung aus Macht, Kontrolle und gestörtem Sexualverhalten geht, als um geliebte Rundungen, weil Feeder Frauen mit 300 bis 400 Kilo begehren, nicht jemanden mit ein paar Pfunden mehr auf den Hüften. Dazu gibt es hier keine Bilder. Wen das interessiert, der darf es gerne googeln.
Zurück zu ganz normalem Übergewicht. Als „normal übergewichtig“ bezeichne ich in diesem Kapitel Menschen zwischen 100 und 200 Kilo. Sicher, deutlich schwerer als der Durchschnitt, aber ich will ja Insidergeschichten erzählen und die spannenden Geschichten passieren nicht bei 80 Kilo, sondern weiter oben auf der Gewichtsskala.
Der Klassiker sind natürlich Möbel, die kaputt gehen; das Bett, das zusammenbricht. Betten sind stabil. Oft halten sie es wochen- oder monatelang mit ihren dicken Paaren aus. Und dann krachts! Ganz kurz vor dem Orgasmus, mitten in den letzten schönen Bewegungen – Knall! - der Lattenrost zerbirst in mehrere Stücke, das Fußteil vom Brett kracht auf den Boden, die Beine brechen seitlich weg. Drei, nicht vier Bettpfosten knicken ab, so dass man auch noch schräg in dem Durcheinander aus Decken, Möbel- und Körperteilen liegt. Gut, wenn es um „normalen Sex“ ging. Schlecht, wenn man sich dabei die Gelenke verknackst hat, mit Handschellen ans Kopfteil gefesselt war und einen Nachbarn braucht, der zur Befreiung herüberkommt. Apropos Handschellen. Ich weiß nicht, ob meine Beobachtungen repräsentativ sind, aber ich kenne mittlerweile viele Paare, die ihren Sex mit S/M und Rollenspielen bereichern. Wenn der Fokus auf einem bestimmten Dresscode liegt, scheinen Pfunde weniger wichtig zu sein. Vielleicht ist das ja eine Lösung für dicke Singles? Anstatt sich deiner Speckpolster zu schämen und alleine zu bleiben, verpacke dich selbst in Latex oder Leder und avanciere zu großflächigen Erregungsgebieten.
Es gibt auch eine konservative Lösung: Such dir einen Katholiken – die lassen das Licht aus.
Wenn Sex bei Dicken passiert, passiert er meist nicht einfach so. Es bedarf gewisser Vorkehrungen. Deshalb sprechen Übergewichtige öfter und ausführlicher über Sex – nicht, weil sie freizügiger erzogen wurden, sondern weil es nötig ist.
Beispiel Spontan-Sex. Das geht einfach nicht mit Figur-formender Unterwäsche! Erstmal sieht sie schrecklich aus und damit sie formt, muss sie eng sein. Da kommst du nicht raus, indem du den Daumen ins Höschen einhakst und, auf einem Bein tanzend, dich aus dem Slip befreist. Du musst dich hinsetzen und rollst das Zeug Zentimeter für Zentimeter vom Körper runter. Dann atmest du erleichtert ganz tief ein, blickst auf Quetschstreifen, die die Wäsche auf deinem Körper hinterlassen hast und eventuell willst du noch schnell duschen, weil der Körper schon vor dem Sex schwitzt. Es gibt auch für Männer diese Form-Unterwäsche, zum Beispiel mit Bauch-Stütz-Garantie. Die ist ja nicht nur für die Optik wichtig. Ein Bauch, der leicht angehoben wird, bildet keine Hautfalten, die sich wund reiben können. Spontan-Sex geht dann so:
Mach schon mal die Gardinen zu, Liebling und lass uns in einer halben Stunde nackig im Wohnzimmer treffen. Grandios, wer jetzt zwei Badezimmer hat!
Das schnelle „Schatz-lehn-dich-mal-über-den-Küchentisch“ gibt es natürlich auch. Aber mit zunehmenden Kilos schwindet die Spontanität. Dafür wird investiert in Hilfsmittel und Hilfsmöbel. Ich kenne mehr Dicke mit diversen Vibratoren und Sex-Kissen als Schlanke mit diesem Spielzeug. Oder liegts daran, dass man sich in seiner Community ehrlicher austauscht und mehr voneinander erfährt? Egal, das dürfen die Schlanken für sich herausfinden. Wenn es denn ihr Thema ist.
Wieso sind ausgerechnet Vibratoren so begehrt? Laut Auskunft von Frauen-Sexshops werden die meisten Vibratoren von dicken Frauen gekauft. Die Besitzerin eines Sexshops in Berlin hat mir das verraten. Allerdings kannte sie den Grund für ihre Verkaufsschlager nicht. Hier kommt die Auflösung des Rätsels: Ein Vibrator (und ein Dildo natürlich genauso) verlängert den Arm. Wenn der Arm, da er rund ist, vorbei am Busen, der dick ist, über den Bauch, der riesig ist, hinfassen soll, um ins gelobte Land zu kommen, fehlen oft wichtige Zentimeter. Die bietet das Sexspielzeug!
Erfreulich, dass es diese Spielzeuge endlich „in schön“ gibt. Heute findet man Dildi (das ist Plural und ja, man darf auch zwei haben!) als bunte Delfine, Märchenfeen oder in Gemüseform. Schön auch, dass Online-Sexshops existieren, wo die Hemmschwelle „da-geh-ich-nicht-rein“ wegfällt. Nein, ich bin nicht finanziell an einem Sex-Shop beteiligt. Ich gebe halt gerne gute Tipps weiter. Viel weniger Probleme gibt’s beim Sex, wenn einer von beiden schlank ist. Klar, so jemanden musst du finden, der dich trotz deiner Kilos liebt. Aber wenn das geschafft ist, wird das Leben leichter. Wie ist es, wenn der Mann dick ist und die Frau schlank? Das hat mir Dagmar erzählt. Dagmar liebt ihren Mann. Sie selbst hat 5 Kilo Übergewicht, er wiegt 70 Kilo zu viel. Sie findet, die Extra-Pfunde auf ihm sind optimal verteilt und sie selbst fühlt sich schlank und attraktiv. Ihr gefällt das Prinzessinnengefühl, sie als zartes Persönchen, er der große starke Ritter. Beim Sex turnt Dagmar (nach eigenen Worten) auf ihrem großen Geliebten herum, bis der Eindring-Winkel passt. Begeistert erzählte sie, dass sie Spagat kann!
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