Ein paar Klicks weiter stoße ich in der Onlineausgabe der Bild auf einen älteren Artikel der britischen SUN. Das hochgradig investigative Team von Wissenschaftsjournalisten bei der SUN hat herausgefunden, dass jeder zweite Brite deutsches Blut in sich tragen könnte. Die Meldung klingt wie eine Warnung der Weltgesundheitsorganisation vor einer gesundheitsgefährdenden Epidemie. Praktischerweise hat die britische Tageszeitung auch gleich noch einen Test beigefügt, mit dem man prüfen kann, wie stark man mit dem Deutschenvirus befallen ist. Da ich gerade ohnehin nichts Besseres zu tun habe, klicke ich mich durch die ersten Fragen.
Was ist ihr Lieblingsgetränk?
1 Tee
2 Wein
3 Becks
Also eigentlich habe ich kein Lieblingsgetränk. Wenn es nach den verzehrten Mengen ginge, müsste es Wasser oder Kaffee sein. Ich trinke an einem Tag in etwa so viel Wasser wie eine ausgewachsene Kuh im Hochsommer und bei meinem Kaffeeverbrauch würde ich es selbst nach Tagen noch locker schaffen, den Koffeinbedarf eines Altenheimes für ein gesamtes Jahr abzudecken. Mit meinem unbändigen Drang nach dem schwarzen Gesöff befinde ich mich aber in bester Gesellschaft. Seitdem es hip ist, das koffeinhaltige Heißgetränk in jeder Lebenssituation mit sich herumzuschleppen, scheint die Anzahl der Kaffeejunkies täglich zu steigen. Schon morgens auf dem Weg zur Arbeit kommen mir ganze Menschenschwärme mit halb geöffneten Augen entgegen, die sich an ihren braunen Pappbechern oder der etwas größeren Luxusvariante aus Edelstahl festkrallen und sich mit jedem Schluck ein wenig Lebensgeist einzuflößen scheinen. Aus den eingetrübten Blicken meine ich immer wieder die Frage lesen zu können, wie ich es überhaupt schaffen kann, mich ohne einen frisch gebrühten Kaffeevorrat auf die Straße zu begeben. Vielleicht sollte ich einfach so einen Edelstahlbehälter mit mir herumtragen, damit ich zwischen den Koffeinzombies nicht ganz so auffalle. Mit zunehmenden Einfall des Tageslichts weichen die halbmunteren Kaffeegespenster den romantischen Genießern, die ihre macchiati und espressi in den Straßencafes schlürfen und sich nicht einmal von vollbeladenen 40-Tonnern stören lassen, die einen Meter neben der Tischkante vorbeischeppern.
Bei mir gehört der Kaffee zum täglichen Grundbedarf wie die Luft zum Atmen. Mein Verbrauch steigt proportional mit dem Stressfaktor. An manchen Tagen könnte ich den Kaffee am besten gleich direkt aus der Kanne trinken, damit ich mir das ständige Nachschenken ersparen kann. Glücklicherweise habe ich aber bisher noch keinen Koffeinshock erlitten. Die Pausen zwischen den Kaffees fülle ich, in dem ich literweise Wasser in mich hineinschütte. Ein Nachteil an dieser ganzen Trinkerei ist natürlich, dass ich dadurch ständig zwischen meinem Bürostuhl und dem Toilettensitz hin und her pendeln muss.
Im Test stehen aber weder Kaffee noch Wasser zur Wahl, so dass ich mich zwischen den drei angegebenen Getränken entscheiden muss. Becks habe ich, wenn überhaupt zwei- bis dreimal in meinem Leben getrunken. Ich glaube, dass man bei dieser Anzahl beruhigt noch nicht von einem Gewohnheitsverhalten sprechen kann. Ich muss gestehen, dass es mir nicht einmal schlecht geschmeckt hat. Aus irgendeinem Grund hatte ich beim Trinken aber ständig das Bild in meinem Kopf, wie ich zu den Tönen von Sail Away auf einem großen Kahn über die Nordsee schippere. Einen Wein trinke ich auch ab und zu einmal. Ganz im Gegensatz zu meiner studentischen Sturm-und-Drangzeit, in der wir die Weinflaschen reihenweise mit Löffelstilen dekantiert haben, bin ich heute sogar stolzer Inhaber eines richtigen Weinbestecks. Dies liegt aber größtenteils geduldig in der Schublade und ist nur sporadisch in Gebrauch. Ich denke nicht, dass ich mich deswegen guten Gewissens als Weinliebhaber bezeichnen darf. Meinen Teekonsum würde ich eher als zufällig beschreiben. Es gibt im Prinzip nur zwei Gelegenheiten, bei denen ich einen Tee trinke: entweder wenn ich krank bin oder wenn ich mich wegen der Spätfolgen des letzten abends genauso fühle. Ich lasse die Sache noch einmal sacken.
Die nächste Antwort verlangt mir eine haarscharfe Selbsteinschätzung ab.
Was machen sie, wenn sich ihre Bahn verspätet hat?
1 ich schaue auf die Uhr und warte
2 ich rede auf meinen Nachbarn ein
3 ich renne zum nächsten Schalter und rege mich bei der Bahnangestellten tierisch auf
Ich setze mein Kreuz spontan bei a). Dabei kann ich diese Frage eigentlich nur hypothetisch beantworten. Ich kenne öffentliche Verkehrsmittel überwiegend nur vom Vorbeifahren. Ich laufe jeden Tag zur Arbeit und bin in einem Dorf aufgewachsen, in dem Busse in etwa so oft vorkommen wie Schneeschauer mitten im Mai. So fernab der normalen Zivilisation war es schon fast eine zwingende Voraussetzung, dass man mit 16 den Mopedführerschein macht. Es sei denn, man wollte die Samstagabende unbedingt mit den Seniorenrommerunden in der verrauchten Dorfkneipe verbringen. Das wollte ich aber gerade nicht.
Ganz nebenbei würde ich es auch nicht einmal merken, wenn sich eine Bahn verspätet. Man sagt mir nach, dass das „akademische Viertel“ eigens für mich erfunden worden wäre und ich sogar meine eigene Geburt verpasst hätte, wenn mir nicht meine Mutter und die Hebamme ein wenig auf die Sprünge geholfen hätten.
Bei der nächsten Frage sind meine Fähigkeiten als Modeguru gefordert.
Wann tragen sie Sandalen und weiße Socken?
1 nie
2 nur auf Mallorca
3 immer
Mein innerer Joop schreit mir sofort ein a) ins Ohr und zwar mit einem dicken Ausrufezeichen. Als ich das letzte Mal Sandalen getragen habe, war ich noch in der Grundschule. Und selbst da habe ich sie nur deswegen getragen, weil mir meine Mutter ständig eingeredet hat, dass es das wirkungsvollste Mittel wäre, damit ich später nicht die schwitzigen Stinkefüße meines Vaters bekomme. Inzwischen trage ich aber selbst bei subtropischen Temperaturen am liebsten meine ausgelatschten Sportschuhe. Vielleicht ist das auch der Grund dafür, warum ich bei ungünstigen Windverhältnissen schon aus einer gewissen Entfernung zu riechen bin. Mein Vater sollte eigentlich wahnsinnig stolz auf mich sein, weil ich eine gute Familientradition mit voller Hingabe weiterpflege.
Die Ära der weißen Socken habe ich schon seit Anfang der Neunziger begraben. Allerdings habe ich selbst damals keine Sandalen zu meinen Tennissocken getragen. Stattdessen habe ich mich tatsächlich mit dunkelblauen Lederslippern auf die Straße getraut. Das ist aus heutiger Sicht mindestens genau so schlimm, es sei denn man heißt Charlie Harper und wohnt in einem Megastrandhaus in Malibu.
Mit Mallorcabesuchen kenne ich mich bisher auch nicht aus. Das mag für einen Deutschen etwas außergewöhnlich klingen, da die balearische Insel ja so etwas wie unser 17. Bundesland ist. Die spanische Urlaubsinsel kenne ich aber im Grunde genommen nur aus dem Fernsehprogramm. Vor allem natürlich durch diverse Berichterstattungen über den Sauftourismus und die ganzen Auswandererdokus, die regelmäßig über den Bildschirm flackern. Die Auswandererfamilien hatten zwar nie Tennissocken und Sandalen an. Ein paar Gemeinsamkeiten habe ich unter ihnen trotzdem festgestellt. Nahezu immer entscheiden sich mehr oder weniger große und in Deutschland gescheiterte Familien ohne jegliche Spanischkenntnisse am letzten Urlaubstag am Strand, dass sie ihre Zukunft ganz relaxt in Spanien verbringen und den Familienunterhalt mit irgend einer fixen Idee verdienen wollen, die schon Tausende vor ihnen hatten. Ganz ähnlich sind dann auch die Erfolgsgeschichten vor Ort, die dazu geführt haben, dass es sogar schon einmal eine Auswandererrückwanderungsshow gab, mit der die Gescheiterten später ihre Rückreise finanziert haben.
Für die nächste Frage wäre es von Vorteil, wenn ich schon jemals in einem Cluburlaub gewesen wäre.
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