Susanne M. Riedel
ICH HAB MIT
INGWERTEE GEGOOGELT
Susanne M. Riedel
wurde 1971 in Berlin-Lichterfelde geboren und lebt mit ihrer Familie noch heute im geranienträchtigen Süden der Stadt.
Ihre Begeisterung für Menschen hat sie im ersten Leben in die soziale Arbeit geführt, ihrer Leidenschaft für das Schreiben ging sie zunächst im stillen Kämmerlein nach. 2015 machte sie die Tür auf, seither ist sie erfolgreich als Vorleserin unterwegs. Seit 2018 gehört sie der traditionsreichen Lesebühne Der Frühschoppen an, seit 2020 auch der legendären Reformbühne Heim & Welt .
Zu Beginn der Corona-Pandemie entstand unter krisenkalender.deein herzerwärmender öffentlicher Briefwechsel mit Horst Evers. Im Juli 2020 feierte sie ihren ersten Fernsehauftritt bei der Ladies Night in der ARD. Der Rest ist Zukunft.
»Wie im richtigen Leben: Die kleinen Geschichten sind die wichtigsten! Die, an die wir uns noch lange erinnern – mit einem unvermeidlichen Grinsen.«
Gerburg Jahnke
»Susanne Riedel erzählt alles so, dass man die Menschen, von denen sie berichtet, immer richtig lieb hat, während man gerade über sie lacht. Das gilt vor allem auch, wenn sie von sich selbst erzählt.«
Kirsten Fuchs
E-Book-Ausgabe März 2021
© Satyr Verlag Volker Surmann, Berlin 2021
www.satyr-verlag.de
Cover: Jussi Jääskeläinen, Berlin ( www.kobaia-design.com)
Korrektorat: Jan Freunscht
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar über: http://dnb.d-nb.de
Die Marke »Satyr Verlag« ist eingetragen auf den Verlagsgründer Peter Maassen.
E-Book-ISBN: 978-3-947106-73-8
Misunderstood
Das Perlhuhn
Shake Shake
Ein Sommerabend oder: Die Krux mit dem Kontext
Bericht von der Baustelle
Fransen und Flausen
Sehnsucht nach Rauchzeichen
So siehst du aus
Föhn
Marek
Concealer
Vergissmeinnicht
Süßer, die Glocken!
Von Heilmann und Hängemispeln
Sport und ich
Siri und Hilde
Check-out
Grüße aus dem Pumpensumpf
Auf der Piste
Abschweifen und Tee trinken
Taschentherapie
Altes Haus, krankes Haus
Logorrhoe
Partytime
Gassi mit dem Schweinehund
Kürbissuppenballade
Im Land des Lächelns
Touché
Mottowochen
Mirko
Taupe
März (oder: Alle Jahre Widder)
Wiedersehen
Musikalische Begleitung
Say my name, say my name
Last Christmas?
Zwischen den Jahren
Stimmen hören für Fortgeschrittene
Deine Mudda
Amigo
Bestanden!
Harmlos
Michael
Als gäb’s kein Morgen mehr
Alles zurück
Cause I’m just a soul whose intensions are good O Lord, please don’t let me be misunderstood .
(The Animals, 1965)
Manchmal denke ich: Mein Leben ist eine lange Geschichte von Missverständnissen.
Folgt man meinem Bruder, ging es im Grunde mit meiner Geburt schon los. Er hatte eigentlich einen Schäferhund bestellt. Zum Trost und in einer Geste elterlicher Seltsamkeit haben meine Mutter und mein Vater mir dann übrigens den Namen des Mädchens aus seiner Klasse gegeben, in das mein Bruder zu der Zeit sehr verliebt war. Wenigstens heißt sie schön, mögen sie gedacht haben … und trugen das plärrende Bündel etwas schuldbewusst nach Hause.
Als ich mit drei Jahren in den Kindergarten kam, hatte mir niemand erklärt, dass ich am Nachmittag auch wieder abgeholt würde. Ich dachte, ich wäre ausgesetzt worden und müsste jetzt hier leben, in diesem diakonischen Muff von Bohnerwachs, Klebstoff und Eiernudeln mit Wurstsoße. Das waren bange Stunden in diesem jungen Leben. Die Kastanienmännchen, die ich an diesem Tag bastelte, hätte man keiner Psychologin zeigen dürfen.
Als ich dann in die Schule kam, hatte mir wiederum niemand erklärt, dass ich da in den Tagen nach der Einschulung noch mal hinmusste. Öfter sogar. Das war ein herber Schlag – früh aufstehen war noch nie so mein Ding –, ich tröstete mich mit der Aussicht auf tägliche Schultüten, doch auch die blieben aus.
Und so ist die Reihe im Grunde bis heute fortzusetzen.
Ich habe das alles mal meinen Kindern erzählt, sie konnten sich das überhaupt nicht vorstellen. Nachdem sie mich eine Weile aufgezogen hatten mit der Schulnummer, fielen ihnen dann aber auch Dinge ein, wo sie mal auf der Leitung gestanden hatten.
»Als ich bei WhatsApp neu war, dacht’ ich voll lange, ADHS wäre ’ne Abkürzung für ›Ach du heilige Scheiße‹«, erzählte der eine, und der andere: »Ey, und ich dachte jahrelang, Hartz IV ist eine Droge. Weil es immer so hieß: ›Der ist auf Hartz IV‹ …«
Heute Morgen, als ich mich etwas gestresst für einen wichtigen Termin im Büro aufgebrezelt habe in dem Versuch, möglichst businessmäßig auszusehen, klopfte mir der Kleine anerkennend auf die Schulter und sagte: »Mach dir keine Sorgen, Mum, du siehst total aus wie ’ne Professionelle.«
Und so gibt es sie auch im Kleinerlei des Alltags, diese Missverständnisse, die mich begleiten.
Mein Smartphone ist natürlich ganz vorn mit dabei, von dem fühle ich mich auch oft nicht ernst genommen, von verstanden mal ganz zu schweigen. Ich habe ihm noch keinen Namen gegeben, aber langsam wäre es an der Zeit. Will ich »Spandau« eingeben, schreibt es »Spanien«. Bei »Kreuzberg« »Kreuzigung«. Und schreib ich »Frohnau«, korrigiert es auf – kein Scherz – »Frohnatur«. Was beweist: Mein Smartphone hat von Berlin echt keine Ahnung. Oder ist CDU-Wähler.
Ich krieg natürlich auch andersrum manchmal kryptische Nachrichten. Meine Freundin Moni schrieb vor ein paar Tagen: »Verdammt, ich habe Grips.« Gemeint war vermutlich »Grippe«. Denke ich jedenfalls. Solche Nachrichten ersetzen ja manchmal den Denksport, und ich finde das eher unterhaltsam. Aber – ganz ehrlich – wenn du eine Nachricht zum Geburtstag kriegst, die mit der Anrede »Letzte Sabine« statt »Liebe Susanne« beginnt – da kann man dir noch so viele Nachrichten hinterherschicken, da bleibt was hängen.
Meine liebste Geschichte zu diesem Thema ist Gott sei Dank nicht mir selbst passiert. Das war noch vor der Zeit der Smartphone-Daddelei, als man noch den Anzeigenteil von Zitty las, wenn man weggehen wollte. Und Anzeigen aufgab, wenn man was suchte. Oder jemanden.
Doro war damals nach vielen schrecklich kurzen und meist auch sehr schrecklichen Beziehungen lange in Therapie gewesen, hatte neue Kraft geschöpft und war nun bereit, ihrem Leben eine Wendung zu geben. Tschakka, mag sie gedacht haben und beschloss, dass es nun Zeit sei für einen Neuanfang, einen neuen Mann, eine neue Beziehung. Lange feilte sie an ihrer Kontaktanzeige und entschied sich am Ende nur für einen Satz:
»Ich wäre dann so weit«, dazu ihre Telefonnummer.
Ich fand das ziemlich cool.
Das Problem war dann letzten Endes auch nicht die Anzeige selbst. Sondern dass die Zitty sie unter der falschen Rubrik abdruckte: Statt unter »W sucht M« erschien sie in der Rubrik »Sadomaso«, was dem Text »Ich wäre dann so weit« eine ganz andere Note verlieh – und im Übrigen eine ganze Reihe verstörender, aber durchaus horizonterweiternder Telefonate nach sich zog.
Mein Smartphone piepst, Moni schreibt: »Mir geht es schon viel besser, hab mit Ingwertee gegoogelt.«
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