»Er hat an der Kleidung gerochen. Sie hatte noch diesen typischen Insektizid-Geruch, der neuen Textilien nun einmal anhaftet«, sagte der Profiler. »Über die Fabrikate der Klamotten kann er nichts sagen. Die Etiketten, die darüber Auskunft geben könnten, wurden sauber herausgetrennt. Dennoch wagt er bezüglich der Herkunft und der Qualität der Bekleidung eine vorsichtige Prognose. Er denkt, es handelt sich um Massenware. Billig produziert und von minderer Qualität.«
Kurze Pause, Petermann streckte seine beiden Zeigefinger in die Luft, murmelte leise vor sich hin und begann imaginäre Gegenstände – ich denke, es waren Worte – zu sortieren. Es sah aus, als säße er vor einem Monitor mit Touchscreen-Funktion.
Ich biss mir auf die Zunge und fragte mich, wann Genie und Wahnsinn miteinander verschmolzen?
»So … jetzt zu den Schuhen«, sagte Petermann, nachdem er eine ganze Weile seinen Fingertanz aufgeführt hatte. »Auch diese weisen keinerlei Gebrauchsspuren auf. Die Marke war jedoch gut zu erkennen. Doggers. Und zwar bei allen vieren.« Petermann lächelte kurz, machte dann erneut seine Luftfingerübungen und murmelte wieder ein paar unverständliche Worte.
»Jetzt kommt er zum interessanten Teil«, sagte er, nachdem er fast eine Minute lang irgendetwas, das nur er sehen konnte, wild hin und her geschoben hatte. »Bei zwei von den Tätern waren die Stirn und der Nasenrücken noch leicht gerötet, was bedeuten könnte, dass sie vor Kurzem noch einer starken Sonnenbelastung ausgesetzt waren. Er tippt auf die Wüste, da die Hände, die Unterarme und die restliche Gesichtshaut, ebenfalls stark in Mitleidenschaft gezogenen waren.«
»Du meinst, sie kamen direkt aus einem Trainingscamp in Syrien oder so?«
»Möglich.« Petermanns Blick klärte sich, er schaute mir jetzt direkt ins Gesicht. »Pia checkt bereits die Passagierlisten der einzelnen Fluglinien, während Arno die Überwachungskameras auf den Bahnhöfen und den U-Bahn Stationen mit dem Gesichtserkennungsprogramm abgleicht. Wir haben uns auf ein Sechsunddreißig-Stunden-Zeitfenster festgelegt. Hoffe, es findet seine Zustimmung.«
Ich nickte. »Tut es. Sonst noch was?«
»Ja! Auf dem Tisch im Wohnzimmer lag ein Zettel mit arabischen Schriftzeichen. Wir lassen sie gerade übersetzen. Unter den Schriftzeichen stand in ungelenken Buchstaben, die Anschrift der Alkbaris. Er kann sich des Eindruckes nicht erwehren, dass jemand diese Buchstaben einfach abgemalt hat.«
»Einfach abgemalt hat?«
»Ja, einfach abgemalt hat. So wie es ein Kind tun würde, das noch nie oder wenigstens sehr selten etwas mit den lateinischen Schriftzeichen zu tun hatte. Er versteht, wie er das meint?«
Ich nickte. »Ja! Meine Nichte ist gerade fünf geworden. Sie malt auch ständig irgendwelche Buchstaben ab, die ihr ihre Mutter auf ein Stück Papier vorschreibt.«
»Genau! Diese Männer sprachen vermutlich kein Wort Deutsch. Ihr Ziel waren die Alkbaris. Sie kamen nur aus einem Grund: Sie wollten Informationen.«
Irgendwo klingelte ein Telefon – ich beachtete es nicht. Petermann schien jedoch aus dem Konzept zu geraten. Er stoppte seine Ausführungen und schaute mich nachdenklich an.
»Hast du eine Vermutung, was sie von den Alkbaris wollten?«, fragte ich.
Lippenklopfen …
Ich wartete.
»Mark!«
Petermann klopfte weiter auf seiner Unterlippe herum.
»Maarrk …«
Ich wartete …
»Maaarrk …«
Pias Stimme drang zu meinem Bewusstsein vor. Sie rief meinen Namen und hielt den Hörer ihres Telefons in die Luft. »Telefon für dich. Ein gewisser Beck vom Verfassungsschutz.«
»Jetzt nicht!«
»Er sagt, es sei wichtig. Er müsse dich unbedingt sprechen. Es ginge um die Männer, die aus dem Auto heraus auf euch geschossen haben.«
Die Härchen an meinen Unterarmen stellten sich auf, während mir meine innere Stimme ein ›Pass auf!‹ zuraunte.
»Er soll seinen vollständigen Namen, seinen Dienstgrad und seine ID-Nummer hinterlassen. Und notier dir bitte auch, wo wir ihn erreichen können. Sag ihm, ich rufe ihn in einer Minute zurück. Ich will nur erst seinen Background checken und überprüfen, ob er der ist, der er vorgibt zu sein.«
Pia nickte knapp und widmete sich dann wieder dem Anrufer. Ich sah, wie sie sich ein paar Notizen machte und noch während des Telefonats etwas in ihren Computer eintippte.
»Interessant …«, murmelte Petermann. »Der Verfassungsschutz buddelt also im selben Dreckloch wie unsereins. Das wird Fariba überhaupt nicht schmecken.«
»Ja, ich weiß. Sie hat schon damit gedroht, dass sie aussteigt, sobald die in die Ermittlung mit einsteigen«, sagte ich.
»Hat sie das? Soso … Na dann sollte er versuchen, den Staatsschutz aus der Geschichte herauszuhalten. Fariba ist eine gute Ermittlerin. Er wird sie noch brauchen, um die Fälle zu knacken.«
»Wir reden später weiter«, sagte ich, während ich aufstand und mein lädiertes Bein vorsichtig ausstreckte.
Mein Blick fiel auf Helmut Bräutigam, der zusammengesunken hinter seinem Schreibtisch saß. Es sah aus, als schliefe er, doch sein Blick folgte mir, als ich zu Pias Schreibtisch ging.
»Und?«
»Er ist sauber, ich hab’s gecheckt.«
»Okay! Schick mir alles, was du über diesen Beck hast auf meinen Rechner. Ich will mir erst ein Bild von dem Typ machen, bevor ich mit ihm telefoniere«, sagte ich und wandte mich ab.
Ich war gespannt, welche Wendung der Fall – oder sollte ich besser ›die Fälle‹ sagen? – nun wieder nehmen würden. Immerhin bekam man nicht jeden Tag einen Anruf von den Kollegen des Staatsschutzes. Die kochten für gewöhnlich nämlich ihr eigenes Süppchen und hielten andere aus ihren Ermittlungen heraus.
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