1 ...6 7 8 10 11 12 ...15 Kai nickte. „Natürlich Euro, was denkst denn du? Die Anlieferung ist aber kostenlos.“
„Was soll denn das für ein Bett sein? Luxus oder was?“
Jetzt schüttelte mein Sohn den Kopf. „Kein Luxus, Mama. Ein ganz normales Boxspringbett, denkst du denn wir wollen im Luxus schwelgen? Mama, da solltest du deinen Sohn aber besser einschätzen.“
Nun, ich kannte Boxen und Springen, doch in dieser Kombination hatte ich von den Disziplinen noch nie gehört. Ich stöhnte leise, dann kam mir eine Idee: „Das sollten wir mit deinem Vater besprechen. Schließlich hat er das letzte Wort in finanziellen Dingen.“
Mein lieber Mann Martin schüttelte vehement den Kopf, als ich ihm später von dem Gespräch mit Kai und von dem Bett erzählte. „Eintausendfünfhundert? Ist der Junge wahnsinnig? Ich geh doch nicht den ganzen lieben langen Tag arbeiten, damit sich mein Sohn mit so einer ... einer ... also einer den ganzen lieben langen Tag im Luxusbett herumlümmelt. Das soll er sich mal direkt aus dem Kopf schlagen.“
„Martin“, gab ich zu bedenken, „wenn er nicht das Bett bekommt, dann kann es sein, dass er sich weiterhin hier zu Hause den ganzen lieben langen Tag in seinem Bett herumlümmelt. Außerdem arbeitest du nicht den ganzen lieben langen Tag ...“ Mein Gatte hatte mit seinem Arbeitgeber eine Übereinkunft getroffen, die ihm erlaubte, pünktlich zum Mittagessen nach Hause zu kommen, was mich dummerweise dazu verpflichtete, auch tagtäglich eine Mahlzeit zu kochen. Den Männern gefiel das allerdings.
„Wegen der Kurzarbeit im Betrieb verdiene ich doch sowieso schon weniger“, murrte mein Mann.
„Die Kurzarbeit, die du unbedingt haben wolltest.“ Auch meinem Mann gegenüber ließ sich das Teufelchen vorwitzig blicken: „Vielleicht solltest du ja mit deinem Chef reden, dass er dich wieder etwas mehr arbeiten lässt. Ich glaube, der hätte nichts dagegen.“
„Das wäre ja noch schöner“, donnerte Martin. „Ich rackere mich mein ganzes Leben lang ab und endlich kann ich etwas kürzertreten, um meine Kräfte im Alter zu schonen, und dann soll ich wieder voll arbeiten gehen?“
„Den lieben langen Tag“, nickte ich.
„Wo ist dein Sohn eigentlich?“, grollte der Mann, um dessen Sohn es sich ebenfalls handelte.
„Der ist zu seiner Freundin geeilt.“
Martin sah auf seine Armbanduhr, die er mit Stolz verkehrtherum am rechten Handgelenk trug. Es war eine dieser Computer-Smartwatches, die momentan merkwürdigerweise den Markt eroberten. Er hatte das Ding günstig im Versandhandel erstanden und eigentlich sollte es - ähnlich einer eierlegenden Wollmilchsau - alles können. Telefonieren, Puls, Blutdruck und Herzfrequenz anzeigen, Navigationsgerät sein und sogar die Zeit mitteilen. Einige der Funktionen fielen allerdings fort. Das Telefonieren war zu umständlich, denn auf dem winzigen Display eine Nummer einzutippen, gelang nur mit einem speziellen Stift, den Martin natürlich schon am zweiten Tag seines Uhrenbesitzes verloren hatte. Außerdem war die Verständigung dermaßen schlecht gewesen, dass er doch lieber wieder sein Handy benutzte. Eine weitere Funktion tat es noch, sofern man einen Blutdruck von knapp dreihundert zu zweihundert als normal ansah. In der Anfangszeit der Uhr war Martin deswegen jeden zweiten Tag zum Arzt gerannt, wo man ihn aber beruhigen konnte: Deren Messgeräte gaben normale Werte aus.
Blieb noch die Uhrzeit, die das kleine Gerät sogar per Sprachausgabe mitteilte. Da das Display aber die meiste Zeit - um Energie zu sparen, was sehr löblich ist - dunkel blieb, musste er zunächst einen winzigen Knopf, von denen sich drei an der Seite des Gehäuses befanden, drücken.
Und das tat mein Mann jetzt.
„Three post meridian and twufhsfjs ...“, erklang es überlaut und kaum verständlich aus dem Gerät. „Your blood pressure is fourhundred and twenty to thirty“, folgte die nächste Information. Vermutlich hatte Martin wieder mehrere dieser Miniaturknöpfe gedrückt.
„Hier ist der ADAC Notruf. Was können wir für sie tun?“ Auch das Telefon mit der Direktwahl schien wunderbar zu funktionieren. Und diesmal war der Mann am anderen Ende der Leitung wirklich gut zu verstehen gewesen.
„Entschuldigung, falsch verwählt“, stammelte mein Gatte und drückte wie wild auf dem Display herum. „Hallo?“, klang es erneut aus dem Gerät. „Hier ist der ADAC. Bitte nennen sie ihren Namen und ihre Kundennummer. Wo befinden sie sich?“
„Zu Hause“, gab Martin von sich und drückte weiter auf die Uhr.
„Your blood pressure is eighty to ninehundred.“
Martin warf einen Blick auf die Küchenuhr an der Wand. „Jetzt, um diese Zeit?“, fragte er. „Die Friseuse ist doch noch gar nicht zu Hause. Was will er denn dort schon?“
Zunächst war mir nicht ganz klar, wovon mein Gatte jetzt sprach, doch ich schaltete schnell. „Na vielleicht will er sich schon daran gewöhnen, bei ihr zu wohnen. Wenn Kai ja am Wochenende schon umzieht ...“
„Darüber werden wir noch reden. Der Junge kann doch nicht so einfach hier ausziehen. Was denkt er sich denn eigentlich?“
„Martin, du willst doch auch, dass unser Sohn selbständig wird. Er kann doch nicht ewig am Rockzipfel seiner Mutter hängen.“
Das gab ihm zu denken. „Und an dem seines Vaters“, pflichtete mein guter Mann mir bei. „Aber eintausendfünfhundert Euro? Das ist eine Menge Geld.“
„Aber nur eine geringe Summe für die Freiheit, die wir dann genießen können“, gab ich zu bedenken. „Wir könnten ... könnten ... viel spontaner werden, wenn du weißt, was ich meine.“ Ich beugte mich zu ihm herab, so dass er in meinen Ausschnitt sehen konnte.
„Ja, hmm, also eigentlich hast du ja Recht, Birgit. Wenn ich das mal so betrachte ...“ Er versuchte nach mir zu greifen, doch ich wich ihm geschickt aus. „Martin!“, rügte ich ihn und mein Tonfall klang so sinnlich, wie schon lange nicht mehr. „Wenn Kai jetzt nach Hause kommt ... Da müssen wir noch ein wenig warten.“
Jetzt musste es mir nur noch gelingen, Martin davon zu überzeugen, dass ich in Kais Zimmer ziehen musste, sobald der Junge aus dem Haus war.
„Woran denkst du, Birgit?“, riss mich mein Gatte aus den Gedanken. Ich lächelte, schließlich war es mir ein paar Tage nach Kais Auszug wirklich gelungen, in dessen Zimmer umzusiedeln.
„Ach nichts. An die schöne Zeit, die wir miteinander haben. Das gemeinsame Frühstück, die vie...“
„Ja ja“, knurrte Martin. „An was du schon wieder denkst. Hier, das ist wichtig.“ Er klopfte mit dem Handrücken gegen die Zeitung und traf dabei seine Kaffeetasse, die scheppernd umfiel. Hellbrauner Kaffee - wegen der vielen Milch - ergoss sich über den Tisch. Rasch sprang ich auf und holte den Lappen aus der Spüle.
„Kannst du denn nicht einmal in Ruhe sitzenbleiben und mit mir reden?“, fragte der Göttergatte und seufzte vernehmlich. Ich sah ein, dass er es nicht leicht hatte und kroch auf dem Boden herum, um den herabtropfenden Kaffee aufzuwischen.
„Jetzt setz dich endlich an den Tisch, Birgit. Ich habe dir etwas mitzuteilen. Weißt du, was hier in der Zeitung steht?“
Ich setzte mich wie befohlen. Nein, was in der Zeitung stand, wusste ich nicht und es interessierte mich auch eigentlich recht wenig.
„Das hier ist die Seite mit den Veranstaltungstipps“, erklärte Martin und klopfte wieder gegen die Zeitung. Gut, dass die Tasse jetzt außerhalb seiner Reichweite stand. Andererseits war sie aber leer, so konnte nicht mehr viel passieren. „Veranstaltungstipps“, wiederholte er, so als hätte er die Lösung einer noch nie dagewesenen Formel gefunden.
„Ja, Veranstaltungstipps“, echote ich, um überhaupt etwas zu sagen.
„Unterbrich mich nicht. Wo war ich stehengeblieben?“
„Veranstaltungstipps.“
„Ach so. Ja. Hier steht etwas, das auch dich interessieren dürfte. Wir werden heute bei dem herrlichen Wetter den Tag in der Stadt genießen.“
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