Unweit von dem Zuber stand eine niedrige Bank, die der Ablage ihrer Kleidung diente. Auf die andere Seite, der Tür der Küche am nächsten und am weitesten entfernt von der Feuerstelle, die eine behagliche Wärme ausstrahlte und den Wasserkessel, der an einer schweren Kette über dem Feuer hing, schon zum Summen brachte, hatte Wolfram einen schmalem Tisch gestellt, ein breites Brett eher. Es war erstaunlich, was dieses Tischchen alles barg. Mathilde hatte ihn so liebevoll und üppig gedeckt, dass auch jemand von Stand sein Wohlgefallen daran gefunden hätte. Zwei Brettchen, zwei Messer und zwei Becher, ein Brett, belegt mit Speck, Würsten und Handkäse, Brot und ein Krug Bier waren auf ihm so angeordnet, dass Mathilde und Wolfram sich nur setzen mussten, um ein köstliches Mahl einzunehmen.
Es fehlte an nichts.
Nachdem auch das Wasser in dem Kessel in der Küche heiß war, entleerte Wolfram die Kessel in den Bottich, goss kaltes Wasser hinzu, fühlte sorgfältig die Temperatur und setzte neues Wasser auf.
Dann rief er seine Frau, um mit ihr die Einweihung der Badestube zu feiern.
Als sie den Raum betrat, verschlug es ihm fast den Atem. Sie trug nur ein einfaches grobes Hemd, das ihr bis in die Kniekehlen reichte. Nichts Besonderes war daran, und doch konnte Wolfram sich kaum von dem Anblick losreißen.
Ohne dass sie eines Wortes bedurften, fassten sie die Tischplatte, hoben sie an und setzten sie am unteren Ende des Zubers ab.
Sie streiften ihre Kleidung ab und legten sie ordentlich auf die Bank.
Über einen kleinen Tritt gelangten sie ohne Schwierigkeit in den Zuber, tauchten ein in das wohlig warme Wasser, dem Wolfram fein zerriebene Kiefernnadeln zugesetzt hatte, die den ganzen Raum mit ihrem Duft erfüllten.
Zum ersten Mal saßen sie gemeinsam in einem Badezuber, ihrem eigenen. Niemand störte sie, auf niemanden mussten sie Rücksicht nehmen.
Sie saßen Seite an Seite, dicht beieinander, genossen die Berührung, küssten sich.
Vorsichtig löste sich Wolfram aus der Umarmung, stieg aus dem Zuber, entnahm ihm einen Bottich Wasser und tauschte es durch einen Kessel heißen Wassers aus, dann kletterte er wieder zurück in den Zuber, fasste die Tischplatte und zog sie wieder zu sich heran.
Und dann begann das Festmahl.
Noch zweimal musste Wolfram heißes Wasser nachgießen. Erst als das Feuer heruntergebrannt war und nicht mehr den Raum beleuchtete, schoben sie den Tisch wieder an das Ende des Zubers und stiegen hinaus.
Gegenseitig trockneten sie sich ab, tupften sie sich eher ab, so vorsichtig waren sie. Sie genossen es, sich in der warmen Badestube zu umarmen, küssten ihre duftenden Körper, strichen ihre weiche Haut.
„Warum weinst du?“, fragte Wolfram besorgt, als er die Träne sah, die über Mathildes Wange lief.
Mathilde tat, als hätte sie nichts gehört, aber als die zweite Träne herabkullerte, konnte sie nicht mehr an sich halten. Sie barg ihren Kopf an Wolframs Brust und weinte hemmungslos.
Behutsam hielt Wolfram sie fest und streichelte ihren Kopf.
Hatte er etwas falsch gemacht?
Aber was?
Endlich hatte sie sich gefasst, schniefte nur noch ein wenig.
Sie sah ihn an, und ihre Augen schimmerten in dem letzten Licht.
„Es war so wunderschön! Ich habe nicht gewusst, dass es so Schönes geben kann. Und ich habe Angst, dass irgendetwas unser Glück zerstört.“
Der Marktplatz war ein großer rechteckiger Platz, umgeben vom den steinernen aufwändig gestalteten Häusern der Patrizier auf der Sonnenseite und den einfacheren der wohlhabenden Händler auf der Schattenseite. Die Stirnseite beherrschte der gewaltige Bau der Kirche mit seinem Turm, der alle Gebäude der Stadt überragte.
Gegenüber zeugten das Rathaus und das Stapelhaus vom Reichtum der Stadt.
Auch wenn die Patrizier auf die Händler herabsahen und peinlich genau darauf achteten, dass sie sich nicht Rechte herausnahmen, die ihnen nicht zustanden, so lebte man hier doch weitgehend in Eintracht. Man wusste, wo man stand, auch wenn man es inzwischen zu Wohlstand gebracht hatte, der sich durchaus mit dem einzelner Patrizier messen konnte.
Nur wenige rüttelten an der alten Ordnung, im Verborgenen nur, aber deshalb waren die Spitzen nicht weniger ärgerlich. Da gab es den Tuchhändler, der sein Haus gegenüber dem des Gewürzhändlers hatte.
Jeden Morgen, wenn der seinen Laden öffnete, sah er zu ihm hinüber.
Wenn er ihn unter den Arkaden seines Hauses entdeckte, wartete er einen Augenblick, bis die Gehilfen die Verkaufstische aus dem Innern des Hauses herausgeschleppt und mit Gewürzen aus aller Welt beladen hatten.
Dann trat er zwei, drei Schritte vor, machte eine weit ausholende, fast devote Verbeugung.
Natürlich wusste der Gewürzhändler, dass der Tuchhändler ihn ärgern wollte, doch er konnte es nicht ändern. Er musste diesen Spott ertragen, das hatte man ihm im Rat gesagt. Der Tuchhändler war nun einmal ein höflicher Mensch, der wusste, wie man einem Patrizier zu begegnen hatte.
Wenn dann die Frau des Gewürzhändlers heraustrat, für die die Gehilfen extra einen Gang zwischen den Auslagen gelassen hatte, damit sie unbelästigt auf den Markplatz treten konnte, dann schien sich der Tuchhändler förmlich zu überschlagen.
Noch einen Schritt weiter trat er hervor, setzte sein rechtes Knie auf den Boden und rief: „Euch, edle Frau, entbiete ich meinen untertänigen Gruß!“, verharrte einen Augenblick in dieser Pose, bevor er sich wieder aufrichtete, den Straßenstaub von seinem Knie abklopfte, sich umdrehte und in seinem dunklen Laden verschwand.
Nie würde er dem Gewürzhändler verzeihen, dass er sich dagegen gestemmt hatte, dass er sein Haus auf der Südseite bauen konnte. Er hatte Geld, genug Geld, um ein Haus zu bauen, das den Vergleich mit den Häusern der Patrizier nicht scheuen musste, das so manches sogar in den Schatten stellen würde.
Aber der Gewürzhändler hatte darauf bestanden, dass man unter Seinesgleichen blieb, wie er sich ausdrückte.
Von da an war das Tischtuch zwischen ihnen zerschnitten.
Der Gewürzhändler, vor allem seine prunksüchtige Frau, kaufte kein Tuch mehr bei ihm, nahm zwei Tagesreisen in Kauf, um bei dem nächsten Händler von Rang die Tuche für ihr neues Kleid zu kaufen, und kam doch mit schlechteren zurück, die sie noch dazu teurer bezahlen musste.
Und die Frau des Tuchhändlers kaufte ihre Gewürze beim Nachbarn, auch wenn die Auswahl geringer war. Obgleich jeder wusste, dass sie nichts kaufen würde, prüfte sie seine Auslagen genau und fragte nach dem Preis. Noch bevor der Gehilfe antworten konnte, rümpfte sie die Nase und sagte so laut, dass alle Umstehenden es hören konnten: „Das ist doch nicht Euer Ernst!“, und ging.
Wenn die beiden Frauen zu gleicher Zeit den Marktplatz betraten, herrschte sogleich gespannte Aufmerksamkeit bei den Marktbesuchern und Marktbeschickern, gleichgültig, ob es sich um Bauern, kleinen Händler oder Handwerker handelte.
An diesem Tag aber hatte die Frau des Gewürzhändlers es wirklich übertrieben.
Sie hatte sich ein Kleid schneidern lassen, das alles, was sie bisher getragen hatte, in den Schatten stellte.
Dunkelrot war der kostbare Stoff, reich verziert mit goldenen Stickereien. Unterhalb der Brust war es geschnürt, und als betonte das nicht schon genug die Figur der Trägerin, hatte das Kleid ein Dekolleté, das nicht nur die Männer, die ihre Waren feilboten, in Aufregung versetzte.
Noch nie zuvor hatte man Ähnliches gesehen.
Selbstbewusst, als wäre sie die Königin, schritt sie die Arkaden der Kaufleute ab, nickte hin und wieder jemandem huldvoll zu, wechselte zur anderen Seite und ging an den Häuser der niederen Kollegen vorbei, als lohnte sich im Grunde gar nicht, ihre Auslagen zu betrachten.
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