Weil ich dann kotzen müsste!
Verdammt, Riley! schalt er sich selber. Reiß dich zusammen!
Denn Tatsache war, dass er Derek wirklich beneidete: Um seine Sicht der Dinge und wie er sie anging. Um die Art, wie er mit anderen umging. Um die Stärke, sich von Rückschlägen nicht entmutigen zulassen, gleichsam Energie aus Erfolgen zu ziehen und davon zu zehren. Um die Leichtigkeit, Dinge auch einfach mal nur zu belächeln, anstatt sie zu analysieren. Oder schlicht alles auf einen Punkt gebracht: Um sein Verständnis vom Leben!
Im Gegensatz zu ihm, hatte Derek viele Freunde, die ihn mochten, respektierten und vielfach sogar um Rat fragten. Ben hatte nur Derek. Und ihre Freundschaft war auch nicht wirklich das, was man eng nennen konnte, zumindest nicht, sobald man sie außerhalb des Jobs betrachtete.
Anders als Ben, mochten die meisten Mitarbeiter - vor allem die weiblichen - Derek als Kollegen und Menschen. Riley allerhöchstens als Kollegen - und dann wohl auch nur wenige.
Derek hatte sogar ein gutes Verhältnis zu Allison, obwohl sie ihn eigentlich ebenso nervte und quälte, wie sie Ben traktierte.
Und Foreman hatte im Gegensatz zu Ben eine Ehefrau.
Ihr Name war Leyla und sie war atemberaubend schön und hinreißend attraktiv.
Wie nur hatte sich Derek je eine solche Frau an Land ziehen können?
Die Antwort war einfach und schmeckte bitter zugleich:
Obwohl Ben eigentlich der hübschere Mann von den beiden war (er war fünf Zentimeter größer, als Derek, muskulöser gebaut, hatte eine sportlichere Figur, eine deutlich attraktiveres Gesicht und wusste sich modischer zu kleiden, als Foreman), war Derek um Längen geschickter, selbstbewusster, aufmerksamer und empfindsamer im Umgang mit dem weiblichen Geschlecht, als Ben es wohl je sein könnte. Alle Frauen - ob jung oder alt - mochten ihn und einige von ihnen sahen ihn sogar schmachtend an. Ben warfen sie eher verunsicherte und einige fast schon ängstliche Blicke zu. Wenn er ins Zimmer kam, verstummten die Gespräche, zumindest aber wurden sie leiser. Private Worte gab es so gut wie nie und für den Fall, dass tatsächlich mal Jemand so unvorsichtig war, ihm nähertreten zu wollen, hatte er stets einige zynische und harte Worte parat, um diese zarte Blume wie mit einem chemischen Giftcocktail sofort auszumerzen. Im Nachhinein tat Ben sein Verhalten meist leid und er ärgerte sich selbst am meisten über sich, doch schon bei der nächsten Gelegenheit gab er sich wieder ätzend und abweisend.
Es geschieht dir ganz Recht, dass dich keiner leiden kann! hetzte er gegen sich selbst. Und auch, dass Sophia dich verlassen hat!
Bei dem Gedanken an seine Exfrau spürte er einen echten Stich im Herzen.
Sie ist meine größte Niederlage , wusste er.
Denn so, wie er sich anderen gegenüber verhielt, hatte er sich mit zunehmender Dauer ihrer Ehe auch Sophia gegenüber verhalten. Anstatt immer weiter zusammenzuwachsen, hatte er es zugelassen, dass sie sich voneinander entfernten. Nachdem Sophia das anfangs scheinbar nicht realisiert hatte, steuerte sie, nachdem es ihr bewusstgeworden war, mit all ihrer Kraft dagegen. Doch weil Ben nicht mitzog, war dieses Unterfangen sinnlos. Da Sophias Liebe zu ihm aber so groß war, dauerte es fast bis zur Selbstaufgabe, bevor sie die Reißleine zog und sich von ihm scheiden ließ.
Bei dem Gedanken daran, wurde ihm beinahe schlecht.
Die größte Niederlage deines Lebens , wurde ihm zum x-ten Mal eiskalt bewusst.
Und er hatte es schon so oft bereut und sich gewünscht, es rückgängig machen zu können. Doch das war nicht möglich, denn Sophia hatte wieder eine neue Beziehung und er hatte nun wirklich nicht das Recht dazu, sich dort einzumischen.
Außerdem hatte er ihr nichts Neues zu bieten.
Ich war, bin und werde es immer sein: Ein Arschloch! stellte er fest.
Sophia war da, wo sie jetzt war, offensichtlich glücklich. Und dabei musste es auch bleiben.
Basta!
Dennoch konnte er nicht verhindern, sich seine Exfrau in Gedanken vorzustellen.
Und mochte Dereks Frau Leyla so schön und attraktiv sein, wie sie wollte, Sophia schlug sie wahrlich noch um Längen.
Die einzige Sache, die ich in meinem Leben je richtiggemacht habe - und ich habe sie versaut! Er verzog säuerlich die Mundwinkel. Riesenarschloch!
Er spürte, dass Wut, aber auch Verzweiflung in ihm aufkam, doch er wollte sich jetzt nicht damit herumärgern. Also zwang er sich an etwas Anderes zu denken.
Dabei fiel ihm wieder Derek und seine Begründung für seine Übernachtung auf Bens Couch ein.
Irgendetwas daran ließ ihn nicht los.
Und urplötzlich wusste er auch, was, denn er war sich mit einem Male ziemlich sicher, dass Foreman gestern Abend das Büro noch vor Riley verlassen hatte!
Ben beschloss, sich zunächst einen Kaffee aus der Küche zu holen, bevor er Foreman zur Rede stellte, doch auf dem Rückweg kamen ihm erste Zweifel, ob Derek gestern wirklich vor ihm gegangen war.
Ich muss erst nochmal darüber nachdenken!
Riley ging daher in sein eigenes Büro zurück und konzentrierte sich auf seine Arbeit.
Und das war das Sorensen-Projekt!
Ein anfangs scheinbar alltäglicher und wenig reizvoller, wenngleich auch lukrativer Auftrag eines millionenschweren Hedgefonds-Managers, entwickelte sich der Entwurf seines neuen Domizils zu einer nervenaufreibenden, wendungsreichen und immer aufwändigeren Reise, wie Ben sie bisher noch nicht erlebt hatte.
Von dem ursprünglichen Entwurf für das Haus war nach nunmehr sieben Monaten wahrlich nichts mehr übriggeblieben. Der Grundriss hatte sich mittlerweile sechsmal geändert! Ständig wurde die Lage einzelner Räume verschoben, ebenso der Eingang in das Haus. Entsprechend musste auch die Form des Daches immer wieder neu konzipiert werden. Das kostete natürlich Zeit und Geld, doch davon hatte Sorensen offensichtlich reichlich. Aber Ben kostete es vor allen Dingen Nerven. Dass ein Entwurf mehrfach geändert wurde, war üblich und er schon lange genug im Geschäft, um damit umgehen zu können. Doch bei Sorensen gab es tagtäglich Änderungen, manchmal verwarf er am Nachmittag sogar schon wieder das, was er am Morgen erst noch geändert haben wollte.
Doch als wenn all das noch nicht ausreichte, wurden seine Wünsche mittlerweile auch immer abstruser. So, wie gerade jetzt: Sorensen wollte, dass das Dach des Schlafzimmers komplett eingefahren werden konnte! Total verrückt! war Bens erster Gedanke gewesen und er wollte schon ablehnen. Doch Sorensen hatte bereits einen weiteren Vorschuss von hunderttausend Dollar geleistet, sodass Riley keine Wahl hatte. Also blieb ihm nichts Anderes übrig, als die gesamte Dachkonstruktion neu zu planen. Für das Schlafzimmer wählte er eine Kombination aus Glas und Stahl, die quasi wie ein Raffrollo einzufahren war. Kostenpunkt inklusive Verstärkung des Fundaments und der Wände: Neunzigtausend Dollar! Aber wen juckte das schon? Sorensen jedenfalls sicher nicht!
*
Ben hatte die Konstruktion gerade soweit fertiggestellt, dass er sie ins Zeichenbüro geben konnte, als sein Telefon klingelte.
Leitung 1, sah er. Das war Allison! Rileys Blick verdunkelte sich. Muss das noch vor dem Mittag sein? Er verzog die Mundwinkel und nahm mit einem tiefen Stöhnen ab. "Ja?" Kurze Pause. "Hallo Allison!" Ben lächelte freudlos, dann lauschte er. "Okay!" Er nickte und atmete hörbar aus. "Ich bin gleich bei dir!" Er legte auf und betrachtete das Telefon. Sie wollte ihn sprechen! Klar doch! In welcher Angelegenheit, sagte sie jedoch nicht! War das jetzt gut, oder schlecht? Die Vergangenheit hatte oft genug gezeigt: Schlecht!
Dennoch war sich Ben bewusst, dass er keine Wahl hatte. Er gab die Dateien für das Zeichenbüro frei, dann erhob er sich und machte sich auf den Weg zu Allisons Büro.
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