„Ich weiß es nicht. Sie sagte nichts zu uns. Darf ich … ich müsste da mal was wissen“.
„Fragen Sie ruhig“.
„Wenn ich dem Brief meiner Oma Glauben schenken darf und das kann ich, denn Oma log nie und Sie Jack Collins heißen, dann gehört doch Ihnen diese Ranch“.
Jack stand auf und trat ans Fenster, bevor er tief einatmete und sich wieder Charlie zuwandte. All die verdrängten Erinnerungen der letzten Jahre waren wieder da.
„Ja, diese Ranch gehörte mir. Bis ich sie Trude schenkte. Ich habe ihre Großmutter geliebt. Damals als ich als Soldat in Stuttgart war. Ich wollte sie heiraten, Kinder mit ihr haben und bis ans Ende meiner Tage mit ihr zusammen sein. Aber sie wollte mich nicht“.
„Oh doch Jack, ich glaube sie wollte. Ich glaube sie hatte einfach nur Angst. Und sie hatte … lesen Sie bitte diesen Brief“, sagte sie und reichte ihm den Brief von ihrer Großmutter. Jack nahm den Brief und las. Er las ihn immer wieder bis Charlie neben ihn getreten war und ihn sacht am Arm berührte.
„Sie? Du bist meine Enkelin? Und ich habe einen Sohn?“
„Ja, das bin ich“ antwortete sie und Jack riss sie in seine Arme. - „Oh du lieber Himmel. Dass ich das noch erleben darf. Ich habe eine Enkelin. Du bist meine Enkelin“.
„Ja das bin Jack. Großvater“.
Nachdem er sich von Charlie gelöst hatte, setzten sie sich in das Wohnzimmer und unterhielten sich. Jack wollte alles wissen von Trude, - wie es ihr ergangen ist, - von seinem Sohn, - der Familie und von Charlie. Sie erzählte ihm alles, was sie wusste und so wurde es Mitternacht bis Jack in die Unterkünfte zurück kehrte.
„Du schläfst nicht hier im Haus?“
„Nein, schon lange nicht mehr.“
„Naja, dann wird es ja Zeit das wir das ändern werden.“
„Charlie, das Haus gehört jetzt dir und …“
„Du bist mein Opa, also keine Widerrede.“
„Na schön, aber wir überlegen uns noch was anderes. Einverstanden? Du wirst dich hier wohl fühlen. Glaube mir. Wir sind hier nicht so schlimm wie man behauptet“, sagte er, stand auf und verabschiedete sich von ihr.
„Danke. Ach noch was! Ich möchte, dass alles so bleibt wie es war. Es soll sich nichts ändern. Du bleibst weiterhin der Boss auf dieser Ranch und … es ist schön, dass ich dich gefunden habe“.
Er lächelte und schloss die Tür hinter sich. Als Jack in die Unterkünfte erreichte, hatte er immer noch das Grinsen im Gesicht wie als er bei Charlie hinausging. Bevor er hinein ging drehte er sich noch mal um und blickte zum Haus.
„Du wirst meine Jungs ganz schön durcheinanderbringen. Vor allem einen, das verspreche ich dir“, murmelte er und ging hinein.
„Und? Wie ist er?“ Wurde sogleich auf ihn ein gequasselt als Jack die Tür hinter sich geschlossen hatte.
„Wer?“
„Na wer schon. Jack tue nicht so. Wir wissen wo du herkommst. Du warst bei Charlie Fahle“.
„Ach so. Naja ganz nett“.
Die fünf Männer die auf der Ranch arbeiteten schauten sich verwirrt an und blickten dann wieder zu Jack.
„Nett? Er ist wirklich nett?“
„Ja. Wartet nur bis ihr Charlie kennenlernt“, sagte er und wandte sich ab um sich für das Bett zurechtzumachen, während seine Jungs ihm hinterher schauten und die Köpfe schüttelten.
Mein unbekannter Großvater
Charlie und Jack standen schon früh auf, um gemeinsam die Pferde zu versorgen. Jack hatte sie kurz nach fünf geweckt und sie gefragt ob sie ihm helfen wolle. Charlie war gleich Feuer und Flamme. Schnell sprang sie aus ihrem Bett, zog sich an und folgte Jack nach draußen zu den Ställen.
„Sag mal, wie kommt mein Sohn eigentlich dazu, seine Tochter Charlie zu nennen?“ fragte Jack, als er die erste Box öffnete.
„Naja, eigentlich heiße ich ja gar nicht so“.
„Sondern?“
„Charlotte! Aber ich möchte nicht so genannt werden. Ich hasse den Namen.“
„Und wie heißt dein Vater?“ Charlies Augen fingen an zu leuchten, denn sie liebte ihren Papa über alles.
„Der heißt Gregory!“
„Schöner Name. So amerikanisch!“
„Aber mal was anderes. Sind es viele Menschen die hier arbeiten?“
„Hier arbeiten nur Männer. Julian Gates ist der Vorarbeiter und schon viele Jahre hier. Dann gibt es noch Bo, Kenny, Matt und noch ein paar andere. Aber die lernst du so nach und nach kennen.“
„Hmm. Und wer versorgt diese Männer? Wenn es hier doch keine Frauen gibt“.
„Das machen sie alles allein. Wäschewaschen tun sie manchmal hier oder in der Stadt. Kochen tut unser Koch und der Rest erledigt sich auch von ganz allein. Weißt du … wir sind es nicht anders gewöhnt. Wir leben schon jahrelang ohne Frauen und es ist ok“.
Charlie dachte nicht weiter darüber nach und machte sich eine Zigarette an.
„Hey, aber das du es gleich weißt. Auch wenn du meine Enkelin bist. Hier wird nicht in den Ställen geraucht. Wenn du unbedingt qualmen musst, dann geh bitte vor die Tür. Ich bin auch fast fertig“.
„Alles klar …“, gab Charlie zur Antwort und verdrückte sich nach draußen.
Julian dachte er sieht nicht richtig, als er am Morgen die Frau am Tor der Stallungen stehen sah. Ihre Beine steckten in super engen ausgewaschenen Jeans, der Rest in einem Sweater der ihr viel zu groß war. An den Füßen trug sie Turnschuhe, die auch schon bessere Tage gesehen hatten. Doch was er dann sah, war der Gipfel des Eisberges. Diese Frau stand doch wirklich in der Nähe der Pferde und des vielen Heus und rauchte.
„Weiber“, brummte er und stampfe in ihre Richtung. Charlie unterhielt sich mit Jack, der gerade die Box von Firewall, einem braunen Pferd ausmistete als Julian neben sie trat, sie am Arm packte und ihr die Zigarette wegnahm.
„Sind Sie übergeschnappt? Sie können doch hier nicht rauchen“, zischte er sie an und Charlie drehte sich erschrocken zu ihm um und was sie sah, raubte ihr den Atem. Sie blickte in zwei eisblaue Augen, die von einem männlichen Gesicht umrahmt wurden. Der Besitzer dieser wundervollen Augen trug einen drei Tage Bart und sah einfach verdammt gut aus in den engen Jeans und dem Flanellhemd. Seine Haut war gebräunt von der Sonne. Auf dem Kopf hatte er einen Cowboyhut, sodass sie seine Haare nicht sehen konnte. Aber die waren ihr im Moment auch völlig egal. Er war anderthalb Kopf größer als sie, muskulös gebaut, bestimmt schon Mitte dreißig und tierisch attraktiv.
„Wissen Sie, wie gefährlich das ist? Und wo kommen Sie überhaupt her? Das ist Privatbesitz und wenn man Sie hier erwischt dann kriegen Sie mächtig Ärger.“
„Ach ja, tue ich das?“, schnaubte sie zurück und griff wieder nach ihrer Zigarette, die er noch immer in seiner Hand hielt und zog dran.
„Junge Dame - ich will nicht, das Sie hier rauchen und nun …“
„Was ist denn das für ein Geschrei?“ hörten sie da die Stimme von Jack. Charlie ergriff sofort das Wort. - „Kannst du mir mal sagen, was für ungehobelter Mensch das ist?“
Jack kam aus dem Stall und sah Julian vor sich stehen. Er schnaubte, wie ein Pferd dem er die Sporen gegeben hatte.
„Oha“, sagte er und legte die Mistgabel weg. - „Ähm, das ist Julian“.
„Du meinst, das …“ - Und zeigte mit dem Finger auf ihn. - „Ist Julian Gates, der Vorarbeiter hier? Das kann nicht sein und wenn ja dann finde ich ihn abscheulich und unhöflich.“
Charlie hatte sich, während sie Jack zusah, wie er die Boxen der Pferde ausmistete und ihr erklärte, worum es auf der Ranch ging erkundigt, wer hier alles arbeitete und so kamen sie auch auf Julian zu sprechen. Julian musterte die beiden und sagte dann an Charlie gewandt. - „Unhöflich? Das müssen Sie ja gerade sagen. Sie sind nichts als ein rotz freches kleines Gör und ...“
„Julian! Es reicht. Darf ich dir Charlie vorstellen? Die neue Besitzerin der Ranch“, sagte Jack an ihrer Stelle. Julian blieb der Mund offen stehen. Er musterte sie von oben bis unten, blickte ihr noch einmal ins Gesicht und lief dann mit einem „Verdammte Scheiße“- Ausruf auf die Weide zu.
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