Patrick Osborn
Wohin mein Weg dich führt
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Inhaltsverzeichnis
Titel Patrick Osborn Wohin mein Weg dich führt Dieses eBook wurde erstellt bei
Widmung Widmung Zur Erinnerung an Dieter Krause und Dieter Dutzmann. Ich vermisse euch beide sehr!
Prolog: Die Suche
Kapitel 1: Verlorene Heimat
Kapitel 2: Der Wanderer
Kapitel 3: Trugschluss
Kapitel 4: Für immer
Kapitel 5: Unverständnis
Kapitel 6: Was ist passiert?
Kapitel 7: Alte Wunden
Kapitel 8: Kindertage
Kapitel 9: Die Nachricht
Kapitel 10: Schicksalsmomente
Kapitel 11: Falsche Fährte
Kapitel 12: Alter Ego
Kapitel 13: Kain und Abel
Kapitel 14: Eskalation
Kapitel 15: Substanzverlust
Kapitel 16: Rettungsversuch
Kapitel 17: Die Wahrheit
Epilog: Letzte Ruhe
Danksagung
Impressum
Widmung
Zur Erinnerung an Dieter Krause und Dieter Dutzmann.
Ich vermisse euch beide sehr!
Prolog: Die Suche
Bangkok, Oktober 2014
Ben Herzfeld wollte vergessen. Wie ein Schatten seiner selbst bewegte er sich durch die Stadt, in der er seine Kindheit und seine Jugend verbracht hatte. Doch dann hatte sich alles verändert und er verließ Bangkok praktisch über Nacht. In Berlin, seiner Geburtsstadt, fand er jedoch das Glück. Ein Glück, das mit Lilys Verschwinden von einem Tag auf den anderen jäh zerstört wurde.
Vor einer Woche war Ben am Flughafen Don-Mueang angekommen. Seitdem irrte er durch die Tempelanlagen und versuchte, mit sich und seinem Schicksal ins Reine zu kommen. Er wusste, dass es bei dem Versuch bleiben würde. Immerhin probierte er, seit zehn Jahren mit dem Verschwinden seiner Tochter klarzukommen.
An diesem Morgen verließ Ben seine kleine Pension im District Chatuchak in aller Frühe, da er vor den großen Touristenströmen den Tempel des Liegenden Buddhas südlich des Grand Palace aufsuchen wollte. Als er aus der Tür der Pension trat, empfing ihn die für Bangkok typische Mischung aus Hitze und Smog. Seit Jahren kämpfte die Stadt mit erheblichen Umweltproblemen. In den Hauptverkehrsstraßen war die Belastung bereits so schlimm, dass es gesundheitliche Auswirkungen für die Menschen gab. Allein daran erkannte Ben, dass sich Bangkok in den vergangenen fünfundzwanzig Jahren deutlich verändert hatte.
Er war kaum zehn Schritte gegangen, als ihm auf der gegenüberliegenden Straßenseite drei Männer ins Auge fielen. Sie saßen im Rinnstein und folgten mit ihren Blicken einem Mönch, der eben an ihnen vorbeigegangen war. Einer der Männer stand auf und deutete auf den Mönch. Jetzt erhoben sich auch die beiden anderen und setzten sich in Bewegung.
Sofort war Ben ihre Absicht klar. Mit wenigen Schritten hatten sie den Mann erreicht. Ben blickte sich um, konnte aber zu dieser frühen Stunde keinen weiteren Menschen sehen. Auch die Männer hatten ihn scheinbar nicht bemerkt.
„He Khun!“, rief er hinüber und näherte sich der Gruppe. Durch seinen Ausruf zog er die Aufmerksamkeit der Männer auf sich. Ben erkannte, dass sie allesamt noch Jugendliche waren. Er schätze sie nicht älter als sechzehn oder siebzehn Jahre.
„M?n p?n s?ìng th?? khu??“, antwortete der Anführer und sein Blick machte deutlich, wie es ihn überraschte, dass Ben ihn akzentfrei angesprochen hatte.
„Lasst den Mönch in Ruhe und geht zu euren Familien!“, entgegnete Ben.
„Und wenn nicht?“ Ihr Anführer trat einen Schritt auf Ben zu und sah ihn feindselig an. „Was willst du tun, Farang?“ Das Wort für einen Europäer spie er ihm förmlich entgegen.
„Hört zu!“, versuchte Ben zu beschwichtigen. „Ich will keinen Ärger machen. Lasst den Mönch einfach seiner Wege ziehen und alles ist gut.“
„So. Ist es das?“ Ben sah, dass der Anführer näher trat. Aber nicht nur das. Auch die anderen beiden Kerle traten auf Ben zu. Eine Erinnerung aus Jugendtagen kam ihm sekundenschnell in den Sinn, als er den ersten Schlag in den Magen bekam. Ben blieb die Luft weg. Bevor er reagieren konnte, musste er den zweiten Schlag einstecken. Er japste nach Luft. Der dritte Schlag beförderte ihn zu Boden. Im Fallen dachte Ben noch daran, mit den Armen seinen Kopf zu schützen, bevor eine Welle aus Schlägen und Tritten auf ihn einprasselte.
Als Ben die Augen aufschlug, konnte er sich im ersten Moment an nichts erinnern. Nur langsam kehrten Gedankenfetzen zurück. Da waren Männer gewesen und ein Mönch. Mit den Erinnerungen kamen die Schmerzen. Jeder Knochen tat Ben weh und seine Rippen hatten wohl mehr als nur ein paar Prellungen abbekommen. Er öffnete die Augen und sah zu seiner Überraschung, dass er nicht auf der Straße lag. Allerdings war dies, soweit er erkennen konnte, auch nicht sein schäbiges Pensionszimmer. Ein angenehmer Duft nach Jasmin stieg ihm in die Nase.
Mühsam richtete Ben sich auf. Sein Blick wanderte im Zimmer umher. Er lag auf einer Pritsche, die sich in einem kleinen, spärlich eingerichteten Raum befand, der jedoch sauber und freundlich wirkte. In der gegenüberliegenden Ecke stand ein Holzstuhl, auf dem eine Person saß. Erst auf dem zweiten Blick erkannte Ben, dass es sich um den Mönch handelte, dem er zu Hilfe gekommen war.
„Ah, Sie sind wach.“ Der Mönch erhob sich und ging zu einer Anrichte. Er goss eine dampfende Flüssigkeit in ein Schälchen und reichte es Ben. „Hier trinken Sie! Das wird Ihnen gut tun.“ Vorsichtig nahm ihm Ben das Schälchen ab und trank die heiße Flüssigkeit in kleinen Schlucken. Sofort breitete sich eine wohltuende Wärme in seinem Bauch aus.
„Wie fühlen Sie sich?“
„Es ging mir schon besser.“ Ben reichte dem Mönch das Schälchen wieder. „Wie lange bin ich schon hier?“
„Zwei Tage. Sie haben viel geschlafen.“
„Und diese Typen? Haben die Sie wenigstens in Ruhe gelassen?“ Der Mönch lächelte sanft. „Es war sehr mutig von Ihnen, mir zu helfen. Das hätten nur wenige getan.“ Bevor Ben etwas erwidern konnte, wechselte der Mönch das Thema. „Sie haben viel Zeit in Thailand verbracht, nicht wahr?“
„Woher wissen Sie das?“
„Ihre Sprache. Sie sprechen, wie jemand, der hier aufgewachsen ist.“
„Das ist lange her.“ Der Mönch sah Ben eindringlich an.
„Nicht nur Ihr Körper hat Schmerzen.“
„Woher...“
„Ich sehe es in Ihren Augen. Gestatten Sie mir eine Frage: Was ist Ihr größter Wunsch?“ Ben blickte ihn zweifelnd an. „Sie haben mir geholfen, jetzt will ich Ihnen helfen.“
„Das können Sie leider nicht.“
„Und warum nicht?“
„Weil mir niemand helfen kann!“ Bens Stimme klang schärfer als beabsichtigt.
„Trotzdem wiederhole ich meine Frage. Was ist Ihr größter Wunsch?“ Ben seufzte. „Ich möchte meine Tochter finden.”
„Ihre Tochter?“ Ben nickte. „Sie ist vor zehn Jahren spurlos verschwunden. Polizei. Presse, alle haben sie gesucht, aber bis heute gibt es keine Spur von Lily.“
Der Mönch zog seine Stirn in Falten, setzte sich zu Ben und versank in tiefer Meditation. Nach einer Weile erhob er sich und ging zu der kleinen Anrichte. Er kramte in einem Schubfach und entnahm einen Beutel, in dem drei Glasampullen zu sehen waren.
Kapitel 1: Verlorene Heimat
Berlin, Dezember 2014
Der Airbus setzte auf der Landebahn des Otto-Lilienthal-Flughafens auf. Während um ihn herum aufgeregtes Treiben begann, wartete Ben darauf, dass die Maschine ihre endgültige Parkposition erreichte. Er konnte die Hektik der anderen Passagiere nicht verstehen. Kaum stand das Flugzeug, schälte sich sein Nachbar aus dem Sitz und machte sich an der Gepäckklappe zu schaffen. Ben warf in der Zwischenzeit einen Blick aus dem Fenster und ließ die vergangenen Tage und Wochen noch einmal Revue passieren.
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