Dieses Buch ist ein Transkript aus einer Original-Vortragsserie, die Osho vor einer internationalen Zuhörerschaf gehalten hat. Die Vorträge sind unter dem englischen Original-Titel My Way: The Way of the White Clouds publiziert worden. Alle Diskurse Oshos sind als vollständige Bücher publiziert worden und auch als Audios und/oder Videos erhältlich. Audios und das vollständige Text-Archiv finden sie unter der online-Bibliothek „Osho Library“ bei: www.osho.com
Titel der Originalausgabe:
My Way: The Way of the White Clouds
Ebookauflage 2019
Umschlaggestaltung: Silke Bunda Watermeier, www.watermeier.net
Übersetzung: Hari Chetana
Copyright© 1974, 2009, Osho International Foundation, Zürich, Schweiz
Copyright© 2011, Innenwelt Verlag GmbH, Köln
OSHO® ist eine registrierte Handelsmarke der Osho International Foundation, www.osho.com/trademarks
Alle Rechte vorbehalten
Nachdruck und fotomechanische Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlags
www.innenwelt-verlag.de
eISBN 978-3-947508-31-0
OSHO
MEIN WEG:
DER WEG
DER
WEISSEN
WOLKE
Fragen und Antworten zur spirituellen Suche
1. Der Weg der weißen Wolke
2. Das Mysterium hinter dem Verstand
3. Unglücklich oder glücklich sein …
4. Alle Hoffnungen sind falsch
5. Das Ego fallenlassen
6. Unterdrücken, ausdrücken, transformieren
7. Das Mysterium der Beziehungen
8. Nur die reife Frucht fällt vom Baum
9. Die Existenz ist immer widersprüchlich
10. Du bist auf dem Weg
11. Du bist das Zentrum
12. Sei bei allem, was du tust, total
13. Gott ist auf der Suche nach dir
14. Jeder ist einzigartig, jeder ist anders
15. Zeige dich durch dein Sein
1. Kapitel
DER WEG DER WEISSEN WOLKE
Warum nennt man deinen Weg „den Weg der weißen Wolke?“
KURZ BEVOR BUDDHA STARB, KAM JEMAND ZU IHM UND FRAGTE, OB man nach dem Tode weiterlebt oder einfach ins Nichts verschwindet. Das ist keine neue Frage. Es ist eine der ältesten, oft gefragt und wiederholt.
Man erzählt, dass Buddha sagte: Einfach wie weiße Wolken verschwinden. Heute Morgen waren weiße Wolken am Himmel. Jetzt sind sie verschwunden. Wohin sind sie gegangen? Woher sind sie gekommen? Wie formen sie sich und wie lösen sie sich wieder auf?
Eine weiße Wolke ist ein Mysterium. Ihr Kommen und Gehen, ihr ganzes Wesen. Das ist der erste Grund, warum ich meinen Weg „den Weg der weißen Wolke“ nenne. Aber es gibt viele Gründe, und es ist gut, darüber nachzudenken und zu meditieren. Eine weiße Wolke existiert völlig ohne Wurzeln, sie ist ein wurzelloses Ding und hat keine Heimat – oder ist im Nichts beheimatet. Und doch existiert sie. So ist das ganze Weltall, wie eine weiße Wolke, ohne jede Ursache, letztlich ohne Ursache. Es existiert. Es existiert als ein Mysterium.
Eine weiße Wolke geht keinen eigenen Weg. Sie treibt dahin. Sie hat kein Ziel, kein Schicksal zu erfüllen, kein Ende. Man kann eine weiße Wolke nicht enttäuschen, denn wo immer sie ankommt, ist das Ziel. Wenn man ein Ziel hat, wird man zwangsläufig irgendwann enttäuscht. Je mehr zweckgerichtet der Verstand ist, desto mehr Angst, Frustration und Enttäuschung sind die Folge.
Wenn man einmal ein Ziel hat, strebt man in eine festgesetzte Richtung. Aber die gesamte Existenz existiert ohne Richtung. Das Weltall geht nirgendwohin und verfolgt keine Absichten und Ziele. Wenn man eine Absicht hat, ist man gegen das All und wird enttäuscht. Du kannst nicht gegen das Ganze kämpfen. Dein Dasein ist so winzig, du kannst nicht gewinnen. Du kannst es nicht erobern, nicht besiegen. Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, dass ein einzelnes Individuum das All erobert. Und wenn das All absichtslos ist und ohne letzten Grund, und du hast irgendwelche Absichten, wirst du letzten Endes besiegt.
Eine weiße Wolke zieht dahin, wo immer der Wind hinweht, sie widerstrebt nicht, sie kämpft nicht. Eine weiße Wolke ist kein Eroberer, und doch schwebt sie über allem. Man kann sie nicht erobern, nicht besiegen – sie hat keinen Verstand, der erobert oder besiegt werden könnte. Wenn man sich einmal ein Ziel gesetzt hat, eine Absicht, Richtung, Bedeutung, wenn man so verrückt ist, irgendetwas erreichen zu wollen, schafft man Konflikte und wird am Ende besiegt. Das steht fest. Unsere Niederlage liegt in der Natur der gesamten Existenz. Eine Wolke will nirgendwohin. Sie treibt – treibt so entlang. Ihr gehören alle Richtungen, alle Dimensionen. Sie lehnt nichts ab. Alles ist, existiert, und wird vollkommen akzeptiert.
Darum nenne ich meinen Weg, den Weg der weißen Wolke. Weiße Wolken haben keinen eigenen Weg – sie ziehen dahin. Ein Weg hat ein Ziel, der Weg der weißen Wolken ist der weglose Weg, der pfadlose Pfad. Ohne festgesetzte Meinung gehen, ohne jeden Verstand. Und das muss genau verstanden werden, weil eine Absicht haben gleichbedeutend ist mit „im Verstand sein“. Man kann sich nicht vorstellen, wie man ohne jede Absicht leben soll, weil der Verstand nicht ohne Absicht leben kann. Und die Leute sind so verrückt, dass sie sogar zu mir kommen und fragen: Was für einen Zweck hat Meditation?
Meditation kann keinen Zweck, keine Absicht haben, denn Meditation ist ein Zustand von Nicht-Intellekt, einfach da sein, wo man ist, ohne Zeit und Raum. Einfach sein ist das Ziel. Das Ziel ist hier und jetzt. Wenn das Ziel woanders liegt, geht der Verstand auf die Reise. Dann fängt er an zu denken, und beginnt eine Folge von Gedanken. Wenn es Zukunft gibt, kann der Verstand fließen, kann seinen Weg gehen und hat Raum, sich mit Gedanken irgendwo hinzubewegen. Mit Ziel und Zweck kommt die Zukunft ins Spiel. Mit der Zukunft kommt die Zeit.
Eine weiße Wolke schwebt in der Luft, zeitlos, denn sie kennt keinen Intellekt und keine Zukunft. Sie existiert im Hier und Jetzt. Jeder Moment ist völlige Ewigkeit. Aber der Verstand kann ohne Zweck und Ziel nicht leben, darum schafft er immer neue Ziele. Wenn die sogenannten weltlichen Ziele nicht mehr locken, beginnt der Intellekt, sich religiöse Ziele zu stecken, überweltliche Ziele. Wenn das Geld nicht mehr lockt, dann lockt die Meditation. Wenn die sogenannte Wettbewerbswelt, die Politik, langweilig geworden ist, kommt eine neue Welt mit neuem Wettbewerb, dann wird die Religion zum neuen Ziel. Der Intellekt lechzt immer nach Bedeutung, nach einer Absicht, nach einem Ziel. Und für mich ist nur ein absichtsloser Verstand wirklich religiös. Aber das heißt, dass der Verstand nicht mehr Verstand genannt werden kann.
Die Tibeter haben eine Meditation, bei der die Mönche ganz allein auf einem Berg sitzen und über weiße Wolken meditieren, die am Himmel vorüberziehen. Sie betrachten sie unverwandt und verschmelzen allmählich mit den weißen Wolken. Da sitzen sie auf den Bergen wie weiße Wolken, ohne Gedanken und sind einfach nur da. Kein Widerstand, kein Kampf, nichts zu erreichen, nichts zu verlieren. Nur das reine Sein genießend, die Stimmung feiernd, die Ekstase, die Seligkeit … Darum nenne ich meinen Weg, den Weg der weißen Wolke. Und ich möchte, dass auch ihr weiße Wolken werdet, und nur so über den Himmel dahinzieht. Nicht zu einem bestimmten Punkt wollen, nur so dahinziehen, wo immer der Wind hinweht …
Wo immer du bist, ist das Ziel. Ein Ziel ist nicht das Ende einer Folge, jeder einzelne Moment ist das Ziel. Hier und jetzt seid ihr Siddhas, Erleuchtete für mich. Hier habt ihr alles erreicht! Ihr habt es erreicht! Hier seid ihr nun, so vollkommen wie ihr nur sein könnt. Genau wie Buddha oder Mahavir oder Krishna.
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