Bring ihm großes Vertrauen entgegen, verbunden mit heiliger Ehrfurcht, so daß die Ehrfurcht nicht das Vertrauen mindert, das Vertrauen dagegen die Ehrfurcht nicht verhindert. Vertrau dich ihm an mit der Ehrfurcht einer Tochter vor dem Vater; verehre ihn mit dem Vertrauen eines Sohnes zur Mutter. Mit einem Wort: diese Freundschaft soll ganz stark, aber milde sein, ganz heilig, göttlich und geistig.
Suche dafür einen aus tausend", sagt Avila. Und ich sage: einen aus zehntausend! Denn es finden sich weniger, die für diese Aufgabe geeignet sind, als man glauben möchte. Er soll voll Liebe, Wissenschaft und Klugheit sein. Fehlt eine dieser Eigenschaften, so bist du in Gefahr. Aber ich wiederhole: Bitte Gott darum, und hast du ihn gefunden, so danke der Majestät Gottes. Bleib bei ihm und suche nicht nach einem anderen. Wandle vertrauensvoll in aller Einfalt und Demut. Dann wird deine Reise glücklich sein.
Die Läuterung der Seele ist das erste.
Der Bräutigam im Hohen Lied spricht: Die Blüten im Lande sind aufgegangen, die Zeit zum Reinigen und Beschneiden ist da" (Hld 2,12). Was sind die Blüten unseres Herzens anderes als die guten Wünsche? Sobald sie sich zeigen, müssen wir das Messer zur Hand nehmen und aus unserem Gewissen alle toten und unnützen Werke entfernen. Wollte ein fremdes Mädchen einen Israeliten heiraten, so mußte es das Kleid der Unfreien ablegen, Nägel und Haare beschneiden (Dtn 21,12ff). Eine Seele, die nach der Ehre einer Braut des Gottessohnes strebt, muß den alten Menschen ablegen und den neuen anziehen (Eph 4,22ff). Sie muß sich von der Sünde abkehren, alles entfernen und herausschneiden, was der Gottesliebe hinderlich und schädlich ist.1 Sind wir von den unreinen Säften gereinigt, so ist dies der Anfang unserer Genesung.
Der hl. Paulus wurde in einem Augenblick und vollständig geläutert; ebenso die hl. Katharina von Genua, Magdalena, Pelagia und einige andere. Eine derart plötzliche Läuterung ist ein Wunder und in der Gnadenordnung so außergewöhnlich, wie etwa die Erweckung eines Toten in der Ordnung der Natur; wir dürfen sie also nicht anstreben. Gewöhnlich geschieht die Genesung des Leibes wie der Seele nur allmählich, Schritt für Schritt, von Stufe zu Stufe, mit großem Aufwand an Mühe und Zeit.
Die Engel auf der Jakobsleiter haben Flügel, sie fliegen aber nicht, sondern steigen die Stufen auf und ab, eine nach der anderen. Eine Seele, die von der Sünde zur Frömmigkeit emporsteigt, wird mit der Morgenröte verglichen (Spr 4,18), die nicht plötzlich, sondern nur allmählich die Finsternis vertreibt. Eine Heilung, die nur langsam vor sich geht, bezeichnet der Volksmund als die sicherste. Die Krankheiten der Seele wie des Leibes kommen wie zu Pferd im Galopp, ziehen aber zu Fuß und im Schritt ab.
Bei diesem Beginnen mußt du also Mut und Geduld haben. Wie bedauernswert sind doch Menschen, die nach anfänglichem Bemühen um die Frömmigkeit merken, daß sie noch mit verschiedenen Unvollkommenheiten behaftet sind, darüber unruhig, verwirrt und mutlos werden und nahe daran sind, alles aufzugeben und sich wieder der Sünde zu überlassen!
Andererseits ist für manche Menschen eine entgegengesetzte Versuchung gefährlich; sie reden sich selbst ein, daß sie schon vom ersten Tag an von allen Unvollkommenheiten frei seien; sie glauben fertig zu sein, ehe sie richtig angefangen haben; sie setzen zum Flug an, bevor ihnen Flügel gewachsen sind. ln welcher Gefahr eines Rückfalls schweben doch solche Menschen, weil sie sich zu früh den Händen des Arztes entzogen haben! Steh nicht auf, bevor es Tag geworden", sagt der Prophet; steh erst auf, nachdem du ausgeruht" (Ps 127,2). Er hielt sich daran; da er schon gewaschen und gereinigt war, betete er darum, es noch mehr zu werden (Ps 51,4).
Das Bemühen um die Reinigung unserer Seele kann und soll nur mit unserem Leben ein Ende finden. Regen wir uns also nicht auf über unsere Unvollkommenheiten: unsere Vollkommenheit besteht eben darin, daß wir die Unvollkommenheiten bekämpfen. Wir können sie aber nicht bekämpfen, wenn wir sie nicht sehen; wir können sie nicht überwinden, wenn wir ihnen nicht begegnen. Unser Sieg besteht nicht darin, daß wir sie nicht wahrnehmen, sondern darin, daß wir uns ihnen nicht beugen. Der aber beugt sich ihnen nicht, der sie unangenehm empfindet. Zur Übung der Demut müssen wir wohl manchmal in diesem geistlichen Kampf verwundet werden; besiegt wären wir aber erst dann, wenn wir das Leben oder den Mut verloren hätten. Unvollkommenheiten und läßliche Sünden zerstören nicht das geistliche Leben; es geht nur durch die Todsünde verloren. Eines ist also notwendig: den Mut nicht verlieren! Befreie mich, Herr, von Feigheit und Mutlosigkeit" (Ps 55,17), betete David. Es ist ein Glück für uns, daß wir in diesem Krieg immer Sieger sind, solange wir nur kämpfen wollen.
Erste Reinigung: von der Todsünde.
Die erste Reinigung, der wir uns unterziehen müssen, ist die von der Sünde. Das Mittel dazu ist das heilige Bußsakrament. Suche dir dafür den besten Beichtvater, den du finden kannst. Bediene dich eines Buches, das eine gute Anleitung zur Beichte enthält, wie Granada, Bruno, Arias, Auger. Lies es aufmerksam durch und merke dir im einzelnen, was du an Fehlern seit deiner Kindheit bis zur Stunde begangen hast. Kannst du dich auf dein Gedächtnis nicht verlassen, dann notiere, was du gefunden hast. Hast du auf diese Weise alles Sündhafte aus deinem Leben zusammengetragen, dann verabscheue und verwirf es durch die aufrichtigste Reue, deren dein Herz fähig ist. Erwäge, daß du durch diese Sünden die Gnade Gottes verloren, dem Himmel den Rücken gekehrt, die ewigen Peinen der Hölle verdient, auf die unendliche Liebe Gottes verzichtet hast.
Du siehst wohl, daß ich von einer Generalbeichte über dein ganzes Leben spreche. Sie ist gewiß nicht immer unbedingt notwendig, sicher aber für den Beginn eines frommen Lebens sehr nützlich. Deswegen rate ich dir dringend dazu. Die gewöhnlichen Beichten der Durchschnittschristen sind ja leider oft sehr mangelhaft; sie bereiten sich nur oberflächlich vor oder sie haben nicht die erforderliche Reue. Viele gehen sogar zur Beichte mit der heimlichen Absicht, wieder zur Sünde zurückzukehren, denn sie sind nicht entschlossen, die Gelegenheiten zur Sünde zu meiden, noch die notwendigen Mittel zur Besserung des Lebens anzuwenden. In all diesen Fällen ist eine Generalbeichte zum Heil der Seele notwendig.
Darüber hinaus führt uns die Generalbeichte zur Selbsterkenntnis, erweckt in uns eine heilsame Scham über das vergangene Leben; Bewunderung für die Barmherzigkeit Gottes, die mit solcher Langmut auf unsere Bekehrung gewartet hat; sie beruhigt das Herz, nimmt eine Last von der Seele, läßt gute Vorsätze reifen und gibt unserem geistlichen Vater Anhaltspunkte zu guten Ratschlägen nach unseren persönlichen Bedürfnissen. Haben wir ihm einmal unser Herz geöffnet, dann können wir uns in späteren Beichten vertrauensvoll aussprechen. Durch den Entschluß, ein frommes Leben zu führen, soll ja die vollständige Erneuerung des Herzens und die Hingabe der ganzen Seele an Gott erzielt werden. Du siehst also, daß ich dir mit Recht zur Generalbeichte rate.
Zweite Reinigung: von der Anhänglichkeit an die Sünde.
Als die lsraeliten Ägypten verließen, waren nicht alle mit dem Herzen dabei. Deshalb trauerten viele von ihnen in der Wüste dem Fleisch und den Zwiebeln nach, die sie in Ägypten reichlich genossen hatten (Num 11,4.5). So gibt es auch viele Menschen, die sich nach außen von der Sünde abwenden, nicht aber innerlich. Sie wollen zwar nicht mehr sündigen, bedauern aber, daß sie den unseligen Genüssen der Sünde entsagen müssen. Sie verzichten auf die Sünde und entfernen sich von ihr, können aber nicht unterlassen, manchmal nach ihr umzuschauen, wie Lots Frau nach Sodoma (Gen 19,26). Sie enthalten sich der Sünde, wie die Kranken der Melonen; der Arzt drohte, sie müßten daran sterben, deshalb essen sie nicht davon; aber sie jammern, weil sie darauf verzichten müssen, sie reden immer wieder davon, sie verhandeln, ob man sie nicht versuchen könnte, sie möchten wenigstens daran riechen und preisen jene glücklich, die sie essen dürfen.
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