Hans Müncheberg
Ein Sender für Deutschland?
Konzeption und Realität des Deutschen Fernsehfunks
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Inhaltsverzeichnis
Titel Hans Müncheberg Ein Sender für Deutschland? Konzeption und Realität des Deutschen Fernsehfunks Dieses ebook wurde erstellt bei
Einige persönliche Vor-Sätze
1. Kapitel: Zur tele-visionären Vorgeschichte
2. Kapitel: Das offizielle Versuchsprogramm und die "kleine" Form
Wenn der Zufall zu Hilfe kommt...
Ein Aprilscherz und seine Folgen
3. Kapitel: Gemeinsame Erfolge – einsamer Sturz
Adlershof lag im Windschatten der Ereignisse
Eine erste TV-Leistungsschau
Als ob eine alte Rechnung präsentiert würde
4. Kapitel: Auf dem Weg zur »großen« Form
Eine Grenze wird überschritten
Ausbau der Technik und des Programms
Experimente auf neuen Wegen
Ein neuer Chef kommt selten allein
Auf dem Weg zur Professionalisierung
5. Kapitel: Das offizielle Versuchsprogramm will die Studioenge überwinden
Die Studioenge und die Ausnahmen von der Regel
"Flax und Krümel" erobern nicht nur den Bildschirm
Wie Geduldetes und Gefördertes zusammenfanden
Wir erlebten unser »blaues Wunder«
6. Kapitel: Ein autonomes Fernsehsystem etabliert sich
Auch Ansprüche haben eine Rangfolge
Wie Schauspieler zu Fernsehlieblingen wurden
Sendungen zum Wissen und Wünschen
Endspurt für das Versuchsprogramm
7. Kapitel: Der DEUTSCHE FERNSEHFUNK - Ein Programm für alle Deutschen
Die Fernsehdramatik erhält Vorrang
Internationale Vernetzungen und Verstrickungen
Vom Wert einer wirkungsvollen Bildsprache
Ein Programm für den Alltag der ganzen Familie
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
Hoffnungen und Illusionen
Eine Herausforderung und die Folgen
8. Kapitel: Der DFF auf dem schwierigen Weg in die Realität
Was aus dem sendefreien Montagabend wurde
Technische und andere Premieren
Verbindungen und Trennungen
„Das Wagnis der Maria Diehl“
Es war zum Lachen und zum Weinen
Warum "Opfer" geopfert wurde
9. Kapitel: Das Fernsehen wird Massenmedium / Neue Reihen und neue Konsequenzen
Humor war eingeplant
Das Prinzip der Reihe setzt sich durch
Eine Demission und ihr Hintergrund
10. Kapitel: Mehrteiler als Konterprogramme; Steine auf dem Weg zum menschlichen Sozialismus
Experimente auf dem Bitterfelder Weg
Momente der Hoffnung auf politischer Bühne
Der dramatische Held ist Parteisekretär
Experimentelles und Dauerhaftes für kleine Zuschauer
Weihnachtliche und andere Leistungen
11. Kapitel: Steine auf dem Weg
Ein erfolgreiches Wochenschema
Dem »sozialistischen Frühling« folgte eisiger Herbst
Nicht nur ein Sonntag im August
12. Kapitel: Vom Kampf um Antennen und Köpfe
Ein ernster Zwischenfall
Ein Festprogramm und verletzte Konventionen
13. Kapitel: Zwischen Kunst und Agitation; Zugriffe, Eingriffe, Missgriffe
Gegenwartsdramatik auf dem Instanzenweg
Richtlinien und Unsicherheiten
Sehnsucht nach der großen Harmonie
Schwierigkeiten beim Akzeptieren der Realität
14. Kapitel: Verunsicherungen / Ein Versuch, neuer Enge zu entkommen
"Täter kommen nicht aus der Arbeiterklasse!"
Nach dem 11. Plenum
Neue Aufgaben - neue Hoffnung
Auch »Anleitung« will gut organisiert sein
Angepackt und weggepackt
15. Kapitel: Ein STAATLICHES KOMITEE FÜR FERNSEHEN
Der unruhige Sommer 1968
Der kurze Draht zur Macht
Ein Bericht von der Peripherie
Ost-West im Klassenkampf
Alles für das Festprogramm
Farbig vom zweithöchsten Fernsehturm der Welt
16. Kapitel: Das Ende des DFF - das Ende einer Konzeption
Machtkampf und Deutschlandpolitik
Nicht nur fernsehdramatische Akzente
Vorbereitung und Auswirkung des VIII. Parteitages
17. Kapitel: Es war mehr als ein Abschied vom Namen
Letzter Bericht von der Peripherie
Was nach dem DEUTSCHEN FERNSEHFUNK kam
Anmerkungen:
Impressum neobooks
Einige persönliche Vor-Sätze
Vom ersten Tag an war ich nicht beim Adlershofer Fernsehen. Wer war es schon, ist dabei geblieben und weilt noch unter den Lebenden?
Außerdem: Welcher Tag ist der erste gewesen? War es der 30. Oktober 1949, als die Projektierung eines Fernsehzentrums für Berlin begann? War es der 4. Juni 1952, als regelmäßige Testsendungen so provisorisch wie überraschend ausgestrahlt werden mussten? Könnte es nicht mit mehr Berechtigung der 21. Dezember 1952 gewesen sein, als das offizielle Versuchsprogramm eröffnet wurde?
Aus bundesrepublikanischer Sicht wird meist ein späterer Termin genannt, der dritte Tag des Jahres 1956, der Tag, an dem das FERNSEHZENTRUM BERLIN unter dem neuen Namen DEUTSCHER FERNSEHFUNK offiziell begann, ein reguläres Programm über mehrere Sendetürme und manche Grenze hinweg zu verbreiten.
Dass noch vor Weihnachten 1952 von Adlershof aus das Fernsehen senden würde, hatte ich bereits Ende November gehört. Hermann Rodigast, zu diesem Zeitpunkt erster und einziger Dramaturg des FERNSEHZENTRUMS , war in das Spielfilmstudio der DEFA gekommen, um technische und personelle Unterstützung für geplante filmische Vorproduktionen des künftigen Senders zu vereinbaren. Bei dieser Gelegenheit besuchte er dann die gutbesetzte Dramaturgie des Studios, verbreitete die Kunde vom großen Experiment Fernsehen und versuchte, Mitstreiter zu gewinnen.
Seine Botschaft erreichte auch mich, der humorvolle Mann mit dem dröhnenden Lachen gefiel mir, aber meine Wünsche zielten in eine andere Richtung. Innerhalb der DEFA sollte ein Kinderfilmstudio gegründet werden. Für Kinder Filme voller Phantasie zu entwickeln, war eine Aufgabe, die mich mehr reizte. Wer mir in jenen Tagen prophezeit hätte, dass ich mich drei Wochen später beim Fernsehen bewerben würde, den hätte ich ausgelacht.
Der Wechsel von einem Betrieb des Landes in einen anderen erforderte, so waren damals die Regeln, die Zustimmung der jeweiligen Direktoren. Die DEFA-Studios galten als selbstständige Betriebe. Der von der SED-Spitze neu eingesetzte Hauptdirektor der DEFA, Hans Rodenberg, war für alle Studios zuständig. Ihn musste ich um Zustimmung bitten.
Am 15. Dezember 1952 durfte ich bei ihm vorsprechen. Er ließ mich meine Bitte formulieren und forderte mich auf, meinen Lebenslauf in allen wichtigen Stationen vorzutragen. Ich spürte, er wollte meine Aufrichtigkeit prüfen. Wieso hätte ich verschweigen sollen, was ich in fast jeden Fragebogen eintragen musste? Ich war Ostern 1940, mit zehn Jahren, von meinen Eltern auf die NATIONALPOLITISCHE ERZIEHUNGSANSTALT POTSDAM geschickt, dort als Jungmann bis zum April 1945 unterrichtet, ausgebildet, indoktriniert worden, um mit fünfzehn Jahren von meinem Anstaltsleiter, einem SS-Oberführer, ins letzte Aufgebot des groß-deutschen Reiches und in die Schlacht um Berlin befohlen zu werden. Noch am 2. Mai 1945, bei dem Versuch mit den letzten deutschen Einheiten nach Westen durchzubrechen, schwer verwundet, hatte ich nach und nach begreifen müssen, wie maßlos ich belogen worden war.
Der Hauptdirektor ließ mich aussprechen, atmete tief durch und fragte: "Hans Müncheberg, ist Ihnen jemals bewusst geworden, dass Sie neunzehnhundertfünfundvierzig hätten erschossen werden müssen?!"
Es war nicht, wie ich zuerst hoffte, ein seltsamer Scherz, seine Frage war bitterernst gemeint. Nach seiner Überzeugung hatte ich als Schüler einer NS-Eliteschule mit Kriegsende mein Leben verwirkt. Weil ich offenbar nicht begriffen hätte, dass mir mein jetziges Leben von der Roten Armee geschenkt worden sei, und weil ich dieses zweite Leben nicht mit der einzig denkbaren Konsequenz als Mitglied der SED für die Sache der Sowjetunion einsetzte, sei ich für ihn ein unverbesserlicher Faschist und gehörte nach Westdeutschland. Beim Kinderfilm hätte ich also nichts zu suchen.
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