Einen besonderen Anlass zu reichhaltiger Programmgestaltung bot auch der 17.10.1954. Das Sonntagsprogramm wurde eröffnet mit der Sendung Junge Pioniere zur Volkswahl und nach einem großen Unterhaltungsabend in der HO-Gaststätte zur heiteren Note mit einem Kleinen Opernkonzert beendet. Damals konnten Wahlen in der DDR keinen überraschenden Ausgang nehmen. Wahlsondersendungen mussten also nicht vorgesehen werden.
Am Vorabend des 7. November, des 37. Jahrestages der russischen Oktoberrevolution, kam das Maxim-Gorki-Theater zu einem Gastspiel nach Adlershof und brachte ein Drama von Iwan Popow zur Aufführung, in dem es um die Familie Lenins geht. Der Titel lautete denn auch: Die Familie.
Das Programm des 7. November selbst stand natürlich voll im Zeichen des historischen Datums. Von der Kindersendung am Tage bis zur abschließenden großen Estrade.
Ende November gab es eine doppelte Premiere. Zum ersten Mal stand die Adaption eines Hörspiels im Programm: Zehn Jahre später . Auf drei Personen und einen Schauplatz konzentriert, bot die Arbeit Günther Rückers alle Voraussetzungen für ein wirkungsvolles Kammerspiel. Wegen der Thematik - Klärungsprozesse mitschuldig gewordener deutscher Wehrmachtsoffiziere - war es gelungen, dafür die Titelseite der Programmzeitschrift UNSER RUNDFUNK zu bekommen. Und so sah man vorn auf der Nr. 47/54: Martin Flörchinger hat eine Tür geöffnet, durch die Hans-Peter Thielen, ein offenbar unerwünschter Besucher, eintreten will. Links unten stand erläuternd: " 10 Jahre später - Unser Bild zeigt eine Szene von den Proben zu dem spannenden Fernsehspiel, das am Sonnabend, dem 20. November, gesendet wird."
Dieses Foto musste - wegen eines Vorlaufs von mehr als vier Wochen für die Gestaltung des Titelblatts - noch vor Probenbeginn improvisiert werden. Kaum aber hatte Regisseur Paul Lewitt mit den Proben begonnen, stellte sich heraus, dass Hans-Peter Thielen durch eine Spielplanänderung am Theater daran gehindert sein würde, die bereits übernommene Rolle am 20. November in der Livesendung auch zu spielen. Die Titelseite konnte nicht mehr geändert, die Sendung deswegen nicht verschoben werden. Es blieb nur ein Ausweg: Umbesetzen!
Zum Glück betrug der zeitliche Vorlauf für den Text der damals lediglich einen Programmseite in der Zeitschrift nur drei Wochen. Ja, richtig: Das gesamte Fernsehwochenprogramm passte damals noch auf eine Zeitschriftenseite. Und so las der interessierte Zuschauer direkt unterhalb der Angaben zum Fernsehspiel Zehn Jahre später folgende redaktionelle Notiz:
Wie uns bei Redaktionsschluß bekannt wird, war eine Umbesetzung notwendig. In der heutigen Sendung spielt nicht Hans-Peter Thielen (siehe Titelbild), sondern Willi Schwabe.
Der Programmgestaltung zum Jahresende wurde mehr und mehr Bedeutung zugemessen. Noch war der Nimbus Stalins nicht angetastet worden. So stand am 21. Dezember, zugleich Geburtstag des Generalissimus und des offiziellen Versuchsprogramms, eine große Estrade im Mittelpunkt des Abends: Das Erich-Weinert-Ensemble singt, tanzt und spielt. Dabei handelte es sich um Berufskünstler aus den bereits bestehenden bewaffneten Einheiten in der DDR, später wurde es das integrierte Ensemble der NATIONALEN VOLKSARMEE.
Am 22. Dezember wurde noch ein politischer Akzent gesetzt. Die Neuinszenierung meines Fernsehspiels Die Todeswolke kam zur Sendung. Für den verhinderten Hannes Fischer hatte Wolfgang Luderer die Regie übernommen und alle neuen Gestaltungsmöglichkeiten eindrucksvoll ausgeschöpft.
Kein Heiligabend ohne Märchen für die Kinder, kein erster Feiertag ohne Opernklänge. Am 25.12.1954 wurde bekräftigt und als fortwährende Tradition begründet: Ins Festtagsprogramm gehörte fortan die Weihnachtsoper . Was mit einem Opernfilm 1952 begonnen hatte und mit eigeninszenierten Ausschnitten 1953 fortgeführt worden war, gelangte jetzt zu einem ersten Höhepunkt. Aufgeführt wurde die Komische Oper Abu Hassan von Carl Maria von Weber unter der musikalischen Leitung von Jean Kurt Forest. Nach dem Live-Play-back-Verfahren war die gesamte Musik vorher aufgenommen worden. Man hatte sich auf die denkbar besten Sängerinnen und Sänger stützen können, denn für die Studio-Inszenierung wurden die Rollen zum ersten Mal mit Schauspielern besetzt, um die exotische Spielhandlung möglichst überzeugend darzubieten. Während der Livesendung wurden die Musik und die Gesangspartien wieder zeitgleich über den Sender und in das Studio III eingespielt. Die Darsteller konnten frei agieren, mussten jedoch mit Gefühl für Rhythmus und Stimmungslage lippensynchron bleiben. Dieses Verfahren hat sich auch bei künftigen Opernsendungen bewährt, solange es sich um Live- Produktionen handeln musste.
Für den Silvesterabend hatte Hans-Erich Korbschmitt mit mir eine französische Justizkomödie für das Fernsehen erschlossen: Der Stammgast von Georges Courteline. Wir fanden viel Gefallen an ihrer satirischen Zuspitzung: Ein Advokat bereitet sich auf eine schwungvolle Verteidigungsrede für einen armen Angeklagten vor, kündigt an, wie er das herrschende Unrecht endlich einmal beim Namen nennen wird - doch dann erfährt er, man habe seine Berufung zum beamteten Staatsanwalt vorgesehen - und schon verkehrt er seine Argumentation ins Gegenteil. Fazit: Die Karriere ist dem Opportunisten stets wichtiger als die Gerechtigkeit.
Das Jahresprogramm 1954 schloss wiederum mit einer großen Revue: Silvester, Sekt und scharfe Sachen . Nun standen schon drei Sendestudios zur Verfügung, alle wurden genutzt und wieder war ein großer Teil der Macher mit von der Partie.
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