Wir sind schlichtweg zu beschränkt, zu sicherheits- und damit angstgetrieben. Unsere Basisprogrammierung lässt die Fehler, die schon immer gemacht wurden, systemimmanent wieder aufflammen. Gnadenlos, unerbittlich.
Die Korruption ist eine interessante Begleiterscheinung der menschlichen Basisprogrammierung: Das Sicherheitsbedürfnis läuft praktisch Amok. Und das auf allen Ebenen, sobald die Korruptionssystematik im jeweiligen sozialen Gefüge akzeptiert ist. Das beste, noch einigermaßen aktuelle Beispiel: Die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi, Russland. Die in Russland allgemein bekannten und etablierten Korruptionsmachenschaften konnten sich hier in einem unglaublichen Ausmaß (> 50 Milliarden Euro) entwickeln. Jeder (z. B. Bauunternehmer) musste praktisch jeden (Politiker, Grundbesitzer) schmieren, aus der schieren Angst heraus, sonst nicht im angemessenen Grad innerhalb des gigantischen Projektes zum Zuge zu kommen (--> Sicherheitsbedürfnis Anhäufung von Nahrung/Material) oder gar um Leib und Leben fürchten zu müssen (--> Sicherheitsbedürfnis Feindabwehr). Da derartige komplizierte Machenschaften sehr viel Processing-Power im Gehirn benötigen, ist Korruption ein klassischer Projektbremser und damit Budgetkiller. Und beides ist in Sotschi und den umliegenden Gebieten passiert. Das Projekt hat sich in Teilen so verzögert, dass bis kurz vor der Eröffnung noch nicht alle wichtigen Einrichtungen fertiggestellt waren und zugleich gingen durch die gegenseitigen Bestechungen die Kosten durch die Decke. Dabei wollten sie doch eigentlich alle nur wirtschaftlich gewinnen, Wachstum erzeugen. 22
Seit Anbeginn der Menschheit war Krieg ein Mittel zum Zweck, durch Ausweitung des eigenen Territoriums und Unterjochung anderer Stämme, Völker etc. die Ressourcensicherheit zu erhöhen bzw. die eigenen Kassen wieder aufzufüllen.
Seit ein paar Jahrzehnten funktioniert dies aber nicht mehr. Der Input/Output eines Krieges hat eine immer schlechtere Bilanz. Die USA haben in den Spitzenzeiten der letzten asiatischen Konflikte (Irak, Afghanistan) mehrere hundert Millionen Dollar pro Tag ausgegeben. 23Das kann einfach nicht mehr hereingeholt werden (z. B. durch Sicherstellung von günstigen Lieferungen von Öl, Seltenen Erden etc.). Der kulturelle Einfluss bzw. die Werteübertragung auf diese Länder hat nicht funktioniert, auch sind keine Reparationszahlungen zu erwarten.
Daneben werden die durch Kriege direkt angefallenen Altlasten immer teurer. Die inzwischen unglaublich großen Mengen an Giftkampfgasen, Atomsprengköpfen, uranangereicherter Munition und eine fast unüberschaubare Palette an nachhaltig zerstörerischen chemischen Spezialkampfstoffen (z. B. Agent Orange im Vietnam-Krieg), für die es in den meisten Fällen keinen Entsorgungsfall bzw. kein Recyclingprogramm gibt, werden noch für Generationen nach uns ein großer Kostenblock sein. In der TV-Dokumentation „Natur unter Beschuss“ von Max Mönch heißt es:
„Rückbau und Entsorgung von Überproduktion [von Kampfmitteln] sind nie wirklich kalkuliert worden. Allein in der Ostsee befindet sich so viel korrodierende Munition, dass deren frei werdende Toxine Europa auslöschen könnten.“ 24
Die Auswirkungen wurden ganz einfach verdrängt, da sie nicht im geistigen Horizont der damaligen Verantwortlichen abbildbar waren. Doch jetzt müssen wir uns um den Müll kümmern.
Dementsprechend wird mit Cyber War versucht, das Ganze günstiger und effektiver zu gestalten. Wie in jedem normalen Krieg geht es zum Großteil ums Geld. Fast alle großen Staaten haben mittlerweile sehr große Geheimdienst-Organisationen, die durch die fortschreitende und immer günstigere IT ein beträchtliches Ausmaß angenommen haben. Die wenigen Terrorereignisse, inklusive der wenigen schon im Vorfeld vereitelten Aktionen, benötigen nicht den ganzen, inzwischen riesigen Überwachungsapparat à la NSA, 25BND, chinesischen, britischen oder französischen Geheimdiensten. Das wäre auch viel zu teuer. Es geht vielmehr darum, ‚the next big thing‘, die nächste disruptive Innovation nicht zu verpassen, um dem eigenen Land handfeste wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. Die Industriespionage ist das eigentliche Milliardengeschäft geworden. Wir, also wir Deutschen, Amerikaner, Briten und andere große Staaten, haben derart übersättigte Märkte, dass sogar kleine Innovationen/Alleinstellungsmerkmale als wichtige Strohhalme angesehen werden, um den Wachstumsmarkt zumindest ansatzweise am Leben halten zu können.
Verordnetes Wachstum
Produktivitätssteigerung als Flucht nach vorn
Wir müssen immer produktiver werden, um eine sichere Einfachheit zu erlangen. Was in der Vergangenheit, also vor der Industrialisierung, noch in nachvollziehbaren Dimensionen vonstattenging und natürliche Begrenzungen hatte (durch Muskelkraft etc.), wurde spätestens mit der Erfindung der Dampfmaschine und des Schuldgeldsystems zu einem sich selbst verstärkenden und sich selbst beschleunigenden Prozess: Wirtschaftswachstum wurde in den allermeisten Staaten der Erde zum Pflichtprogramm.
Viele Menschen fragen sich – auch ich frage mich das immer wieder –, warum denn de facto immer mehr produziert und umgesetzt werden muss. Warum können wir es denn nicht einfach mal gut sein lassen? Und wissen Sie was: Die Antwort darauf ist eigentlich einfach, wenn auch nicht befriedigend, da mittlerweile so unausweichliche Effekte in diesem Zusammenhang eintreten.
Aber fangen wir von vorn an. Das Individuum und die es schützende Gruppe möchte die größtmögliche Bestandssicherheit. Schon seit Anbeginn des Ackerbaus wurde in den meisten Fällen zu viel produziert, es blieb also etwas übrig, das a) entweder ungegessen verdarb oder b) für etwas anderes (Kleidung, Schmiedegerät, andere Nahrung etc.) eingetauscht werden konnte. Logischerweise wurde hauptsächlich Option b) gewählt. Aus Tauschgeschäften wurde Handel, und mit ihm kam als weitere Konsequenz das Geld bzw. in der jeweiligen Gemeinschaft akzeptierte Schuldverschreibungen auf Leistungen oder Dinge. Wichtig hierbei war, dass möglichst nur eine von allen Geldsystem-Teilnehmern akzeptierte Instanz (z. B. der König) das Geld ausgeben und im Grundwert definieren bzw. anpassen durfte – eine Herausforderung. Der Handel basiert nämlich auf der ständigen Mehrwert-Generierung: Damit ich als Händler noch etwas zum Handeln/Tauschen habe, muss der Gegenwert des erhaltenen Produktes mehr Wert erzielen können als mein eingesetztes/ausgegebenes Produkt. Es muss etwas übrig bleiben, um aus dieser Position weiter Handel/Tauschgeschäfte durchführen zu können. Falls nichts übrig bleibt, ich also keinen Mehrwert erzielen konnte, bin ich pleite und kann keinen weiteren Handel bzw. nicht mehr Produktproduktion betreiben. Wer schon mal Monopoly gespielt hat, der kennt dieses Prinzip sehr gut. Kein Geld, keine Möglichkeit, weiter in Grundstücke/Häuser/Hotels zu investieren, raus aus dem Spiel. Wenn zu viele Mitspieler auf der Strecke bleiben, kann wiederum nicht mehr mit genügend Marktteilnehmern gehandelt werden, der Wirtschaftsorganismus in seinem Grundkonzept bricht zusammen.
Kredite als Brennstoff des Wirtschaftssystems
Das Feuer des Mehrwerts muss also ständig am Brennen gehalten werden. Was liegt da näher, als die Verfügbarkeit des Geldes künstlich hoch zu halten, indem man die Möglichkeit bietet, Geld für eine Gebühr auszuleihen? Der Kredit war geboren und damit das zentrale Wesen des heutigen Finanzsystems. Was anfänglich zunächst nur für individuelle Händler und Produzenten (Handwerker) möglich war, wurde schließlich für ganze Staaten ein Mittel zum Zweck, um die Wirtschaft auch in schwierigen Zeiten am Leben zu erhalten. Die Rechnung dahinter war einfach: Öffentliche Investitionen und Subventionen über Staatskredite ermöglichen es Firmen, über genug Kapital zu verfügen, um nicht nur zu überleben, sondern in eigene Forschung & Entwicklung (Innovationen) zu investieren. Das bewirkt im Idealfall, dass die Produkte wettbewerbsfähiger sind, insgesamt mehr verkauft wird und damit auch mehr Menschen beschäftigt werden können, was wiederum höhere Gesamtsteuereinnahmen (mehr Handel, mehr Beschäftigung = gesamthaft mehr Akkumulation von Werten) zur Folge hat. Dummerweise klappt das nicht wirklich. Die Ausgaben haben fast in jedem Jahr seit Erfindung der Staatsverschuldung die tatsächlich erzielten Einnahmen übertroffen. Das liegt an der ach so gemeinen Prozentrechnung (bzw. dem Zinseszins) und der uns eingebauten Überlebensprogrammierung, alles etwas rosiger zu sehen, als es wirklich ist. Hoffnung ist vielleicht der stärkste Motor der Menschheit, aber nüchtern betrachtet der falscheste Freund.
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