Darum schließen wir uns auch heute noch zu ‚Herden‘ zusammen, denken auch entsprechend so: Wir möchten, dass unser Team gewinnt für unseren Ort, mit dem wir viele Heimat-Assoziationen haben, um unsere eigene, persönliche Sicherheit über die Stärke der Gemeinschaft zu erhöhen. Gehen Sie mal an einem x-beliebigen Samstag in ein Fußballstadion – Sie werden diese Grundprogrammierung kaum deutlicher in unserer heutigen Zeit erleben/fühlen können.
Und es hat sich für uns als sehr praktisch erwiesen, einen einigermaßen geschlossenen Raum unser Eigen zu nennen, um sich vor Feinden in den Ruhephasen zu schützen. Einige Millionen Jahre in Höhlen, Waldkuhlen, Mulden etc. haben unsere Verhaltensweisen als Landlebewesen nachhaltig geprägt. Da braucht es hierzu auch keine Erziehung oder elterliche Prägung. Kleine Kinder bauen sich z. B. mit Decken und Kissen unter Tischen kleine gemütliche Höhlen und können darin besonders gut (weil sicher) spielen oder entspannen.
Diese Programmierung bewirkt, dass der überwiegende Teil der Menschen weiterhin ein Leben lang in ihrem Geburtsstaat wohnen bleibt. 8Und es ist der Grund dafür, dass es immer noch Landesgrenzen und damit Besitzansprüche gibt. Nur wenn es extrem unsicher geworden ist, sein tägliches Leben zu bestreiten, fliehen Menschen aus ihrer Heimatregion. 9
Sicherung durch Angst vor Feinden und Unbekanntem
Angst ist ein natürlicher Mechanismus, um die persönliche Sicherheit und/oder auch die Sicherheit der Gruppe zu unterstützen. Daraus entwickelten sich die unterschiedlichsten Verhaltensweisen und physiologischen Anpassungen.
Beispielsweise fördert unsere Möglichkeit, mit zwei Beinen relativ schnell zu laufen und heutzutage noch schneller mit diversen Verkehrsmitteln in unserer vertrauten Region unterwegs zu sein, ein tiefes, archaisches Sicherheitsgefühl: Angreifer haben es sehr viel schwerer, einem etwas zuleide zu tun (da in Bewegung), die Möglichkeiten der Nahrungsbeschaffung durch Ausweitung des Territoriums können steigen. Wir werden – zumindest gedanklich – unangreifbar, flexibel, frei. 10Und wir erhalten durch das Unterwegssein eine größere Übersicht/Transparenz der Umgebung.
Wenn uns etwas nicht bekannt ist, wird hingegen eine Abwehrhaltung bzw. Angst ausgelöst. Diesen Mechanismus erleben wir am Tag teilweise hundertfach. Es braucht nur ein neuer Kollege am Arbeitsplatz erscheinen, der einen bisher unbekannten Dialekt spricht, regional spezifische Wörter oder Wortwendungen für bestimmte Alltagsgegenstände benutzt. Gänzlich unverständliche Sprachen lösen geradezu eine Not-Situation aus: Es wird nicht mehr transparent, ob das Gegenüber Freund oder Feind ist, oft ist das erste Gefühl Flucht. Die eigene Sicherheit ist – wenn auch nur tiefenpsychologisch – gefährdet. 11
Aus diesem Grundverhalten bzw. durch unsere genetische Programmierung ergibt sich, dass wir uns nur in sehr engen Grenzen auf Neues einlassen, da es generell etwas Unbekanntes ist und Unbekanntes eine potentielle Bedrohung darstellt. In der Produkt- und Markenwelt ist man daher sehr vorsichtig geworden, was größere Änderungen am Produktdesign angeht, da der Konsument schnell verschreckt wird. Gute neue Konzepte sind z. B. in der Automobil- oder Softwareindustrie schon grandios gescheitert, nur weil das Aussehen eine leichte Veränderung erfahren hat. 12
Die Bereitschaft, sich auf etwas Neues einzulassen, hängt jedoch auch stark vom sozialen Umfeld, von den äußeren Umständen ab: Menschen, die in armen Verhältnissen leben, haben auch die größte Angst vor Veränderung. Wenn man sehr wenig hat, versucht man das Wenige noch zu schützen. Neue Prozesse, neue Techniken, neue Sichtweisen werden daher in armen Regionen dieser Welt meistens nur zögerlich angenommen, auch wenn sie ganz logisch betrachtet ein sehr viel besseres Leben versprechen. 13Sicherheit finden bedürftige Menschen häufig in traditionellen Bräuchen und in der kurzfristigen Mittelbeschaffung, was auch ein psychologischer Grund für die fortschreitende Übergewichtigkeit von ärmeren Menschen in Verbindung mit den heute massenhaft industriell hergestellten Lebensmitteln ist. Menschen, die in einem Land oder einer Region leben, in der die Basisversorgung sichergestellt ist, können sich dagegen mehr Flexibilität im Denken und Handeln leisten. Etwas Neues auszuprobieren und später auch im Leben einzusetzen, ist bei Reicheren mit weniger Risiko verbunden, neue Dinge können spielerisch erlernt und genutzt werden.
Mit dem Alter wächst der Sicherungsbedarf
In den unterschiedlichen Lebensaltern verändert sich das Sicherheitsbedürfnis: Kindern und Jugendlichen ist Sicherheit nicht so wichtig, da im jungen Alter meistens eine gute physische Ausgangslage vorherrscht bzw. hohe körperliche Regenerationsmechanismen wirken. Ferner sorgt das Elternhaus für die Basisversorgung an Nahrung, Wärme, Schutz. Dadurch ist eine sehr viel höhere Flexibilität im Denken möglich, die Welt kann spielerisch erkundet werden. 14Dagegen wird das Sicherheitsdenken im zunehmenden Alter geradezu die beherrschende Lebenseinstellung. Die körperliche Stärke nimmt ab, womit das Individuum physisch angreifbarer wird.
In jedem Lebensalter aber wird versucht, sich das Leben einfacher zu machen bzw. seine persönlichen Basisbedürfnisse auf eine einfachere Art zu stillen. Denn: Vereinfachung bedeutet Sicherheit. Darauf ist unser gesamtes soziales und wirtschaftliches System aufgebaut. Und viele unserer Probleme sind dadurch begründbar.
Vereinfachung bedeutet Sicherheit
Wie oft fragen Sie sich am Tag: „Könnte das nicht auch für mich einfacher laufen?“ Einfacher aus dem Bett kommen, unkomplizierter frühstücken, einfacher zur Arbeit fahren, einfacher die Arbeit verrichten, einfacher nach Hause kommen, einfacher die nächsten Rechnungen überweisen. Sich einfach wohl fühlen. Wie es die Werbeclips von Expedia, Weg.de & Co. so idyllisch darstellen: Liegestuhl am Pool, Cocktail in der Hand, nicht hungrig, ausgeglichen, lächelnd, rundum zufrieden.
„Wenn einfach einfach einfach ist“ – vom E-Plus-Provider Simyo so dämlich wie genial formuliert – ist meiner Meinung nach der beste Werbeslogan der letzten 10 Jahre. Weil er genau den Kern-Trigger der Menschheit auf den Punkt bringt: Das Leben einfach machen.
Zur Lebensvereinfachung verpflichtet
Die Welt sieht so aus wie sie ist – mit allen Errungenschaften und fortschreitenden Innovationen, die wir Technologie und Gesellschaft nennen –, weil wir aus unserem Basisprogramm heraus alles einfacher/leichter/unkomplizierter machen müssen.
Dem menschlichen Körper ist immer daran gelegen, möglichst wenig Energie zu verbrauchen, um a) für schlechte Zeiten vorzusorgen und um b) in Situationen der Nahrungsbeschaffung oder Verteidigung genug Power zu entwickeln. Und das ist nicht nur im muskulären Bereich zu sehen, sondern auch das Energie- und Programmierungsmanagement im Gehirn ist diesbezüglich voreingestellt (bezüglich der Bildung oder Stärkung von Neuronen und Synapsen). Da es im Laufe unserer menschlichen Entwicklung die meiste Zeit kein Internet, Smartphones oder LED-Duschbrauseköpfe gab, mit denen man sich herumärgern – sorry: beschäftigen – konnte, waren bestimmte essentielle Körperfunktionen und Reaktionen auf Standardsituationen schon seit sehr langer Zeit über verschiedene, ältere Regionen des Gehirns ‚hartverdrahtet‘, um Gehirn-Rechenleistung zu sparen. 15Das macht man in der IT/Computertechnologie übrigens genauso: Immer wiederkehrende Funktionen müssen nicht im Hauptprozessor berechnet werden, sie werden schon im Motherboard (Hauptplatine) oder in speziellen Karten wie der Grafikkarte bereitgestellt.
Wenn also etwas weniger anstrengend/einfacher für das Muskelsystem und das Gehirn ist, dann verbraucht der individuelle Körper weniger Energie, kann sich schonen und damit die eigene Sicherheit erhöhen. Im Umkehrschluss soll aber die Herstellung dieser Sicherheit möglichst einfach sein, was uns zu unserem Drang bringt, immer neue einfachere Dinge und Prozesse zu erfinden und zu nutzen. Nur drei Beispiele:
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