Ein Versuch, einige Dinge zu hinterfragen
Dies ist keine wissenschaftliche Arbeit, sondern eine eigene Sichtweise auf die Welt. Einige Inhalte sind sogar richtig spekulativ, manchmal aus dem Bauch heraus. Fassen Sie daher das Buch am besten wie einen Road Trip auf: Der Weg ist das Ziel, um unsere heutige Welt zumindest etwas besser zu verstehen bzw. zu hinterfragen. Zwischendurch, sozusagen am Wegesrand, lohnt es sich immer mal wieder, ein paar Zusammenhänge etwas genauer zu betrachten, auch wenn einige Details eventuell schon mit der Publikation veraltet sein werden.
Und: Machen Sie hin und wieder mal eine Pause. Legen Sie das Buch weg. Denken Sie über einen Sachverhalt mal in Ruhe nach, anstatt von der Flut an Informationen das Flimmern in den Augen zu bekommen – auch wenn das so manche automatisch erstellte Big-Data-Statistik der beteiligten Verlage durcheinanderbringt, die Datenanalysten sogar misstrauisch macht, ob dieses Werk denn fesselnd genug ist (und damit im User-Aktivitäts-Ranking vielleicht herabgestuft wird). Für mich kein Problem. Holen Sie sich jetzt ruhig erstmal einen Kaffee.
Und dann starten Sie.
München, im Januar 2015
Das programmierte Streben nach Sicherheit
Haben Sie sich nicht auch schon öfter gefragt, warum sind wir so sind, wie wir sind? Dieses ständige Streben nach Mehr, nach Wachstum, nach dem neuesten Fernseher, Smartphone, günstigsten Steak oder funktionsreichsten Kaffeevollautomaten? Warum blenden wir ganz automatisch die daraus entstehenden Probleme aus, die jedoch immer gravierender unsere Umwelt und damit uns selber gefährden? Um dies zu ergründen, möchte ich Sie auf eine kleine Reise nehmen, die vor vielen Millionen Jahren begann. Nicht erschrecken: Es wird zunächst etwas theoretisch und was vermeintlich nichts mit dem Titel und der Hauptaussage des Buches zu tun hat, fügt sich im Verlauf dieser ersten Kapitel zusammen.
In der Ursuppe fing alles an
Stellen Sie sich einen sehr frühen Einzeller vor. 2Alleine, in der Ursuppe der noch einigermaßen jungen Welt, vor ca. 3,5 Mrd. Jahren. Was war mit diesem Stück Leben los? Es hatte eine interessante Grundprogrammierung 3herausgebildet: Überleben durch Absicherung, um weitere Bakterien der gleichen Art produzieren zu können. Zum Beispiel durch Zurückweichen vor Stoffen/Gasen, die nicht verarbeitet werden konnten, gleichzeitig jedoch möglichst im selben Gebiet zu bleiben, um das vorhandene Stoffangebot zu nutzen für die beschleunigte, vermehrte Produktion von Artgenossen, um über die schiere Anzahl von Kopien eine Chance zu haben, die Art zu erhalten und auszubauen.
Nebenbei haben einige Arten von den kleinen Einzellern übrigens auch erstmalig den für uns so wichtigen Sauerstoff produziert – nun nicht, weil sie es so wollten, sondern weil einfach nichts anderes als Stickstoff und Kohlendioxid und ein paar weitere, für uns ziemlich giftige Gase zur Verfügung standen. Überhaupt ‚dachten‘ die kleinen Viecher nichts, sondern waren eher wie kleine Nano-Bio-Maschinchen. Für mindestens eine Milliarde Jahre lang blieb das auch so. Alles in allem ein ziemlich langweiliger Planet.
Nach ein paar Trillionen Bakteriengenerationen fingen die Einzeller irgendwann an, sich gegenseitig durch Botenstoffe wahrzunehmen. Der Ur-Programmcode erfuhr eine Modifikation: Sicherung der eigenen Lebenseinheit plus Eingehen von Gemeinschaften mit gleichartigen Lebenseinheiten, um die eigene Einheit weiter abzusichern. Dies hatte einen beschleunigten genetischen Austausch zur Folge, der eine schnellere und effektivere Art der Fortentwicklung ermöglichte. Die Ausbildung von spezialisierten Zellen innerhalb eines Lebewesens hatte begonnen, Organe wurden gebildet. Ab diesem Zeitpunkt gab es in Zellverbünden sinnvolle Ausnahmeregelungen der Ur-Programmierung, es durfte bzw. musste Wachstumsgrenzen geben, es musste gestorben werden. Aber: Die Basis-Grundprogrammierung ‚Sicherung der Lebenseinheit‘ war weiterhin für das ganze Lebewesen gültig. 4
Im Laufe der biologischen Evolution verfeinerten sich die Techniken, Stoff- und Datenaustausch zu ermöglichen. Es wurden immer mehr Datenleitungen zwischen den ganzen spezialisierten Zellverbünden innerhalb der Lebenseinheiten gelegt, um schneller oder besser/angepasster schwimmen, laufen, fliegen zu können. Das Zentralnervensystem wurde geboren, später das so komplexe Gehirn. Diese Entwicklung ermöglichte es, dass die Kommunikation auch zwischen Artgenossen ausgefeilter wurde, um sich gegenseitig vor Feinden zu warnen, aber auch um Futterplätze kundzutun, die Arterhaltung durch kognitive Selektion des Stärksten (da Sicherheit Gebenden) zu gewährleisten.
In der Ursuppe nahm also nicht nur die Kommunikation ihren Anfang (ja, so blöd war das gar nicht von den Bibelschreibern mit „Am Anfang war das Wort“ --> also Grundkommunikation), sondern auch die so geniale Basisprogrammierung ‚Sicherheit herstellen‘ wurde zum All-Time-Winner in der belebten Welt.
Bevor wir uns jetzt alle die ganz tiefen Sinn-Fragen stellen – z. B. was/wer hat dann den Urknall ausgelöst und wer hat diese ganzen Basisnaturgesetze konzipiert und/oder wie viele Universum-Versuche es vielleicht schon gegeben haben könnte –, kommen wir buchstäblich auf die Erde zurück. Wir haben nämlich nur diesen einen Planeten und wir, also die Menschheit, sollten uns gewahr werden, warum wir mittlerweile vom Anthropozän sprechen. Wir haben die Erde so nachhaltig umgestaltet/umgewühlt/kaputt gemacht, dass noch Hunderttausende, vielleicht Millionen von Jahren unsere Hinterlassenschaften zu spüren sind.
Der Grund liegt eigentlich auf der Hand. Wir wollen Sicherheit.
Wir, die angebliche Krönung der Schöpfung, sind in unserem Read-only-BIOS 5immer noch nach den Regeln programmiert, die in der Ursuppe vor 3,5 Milliarden Jahren ihren Anfang nahmen.
Sicherung des eigenen Genbestands
Die Auswahl eines Partners zur Fortpflanzung folgt eigentlich recht einfachen Regeln: Bevorzugt werden physische und materielle Stärke plus eine gewisse Intelligenz, um sich in der Gruppe zu behaupten und um sich in der Umwelt zurechtzufinden. Diese Eigenschaften vergrößern die Möglichkeiten, mehr materielle Dinge zu erreichen, um die Nachkommenschaft (= eigener Gen-Bestand) bestmöglich zu versorgen. Die ganzen romantischen Dinge – sorry für die Fans von Filmen wie „Mit Dir an meiner Seite“ oder „Pretty Woman“ – sind Maßnahmen zur Erreichung des primären Ziels: Nachkommenschaft zur Vergrößerung der Gruppe, die folglich die eigene Existenz besser absichert. Das Prinzip Sex ist dabei ein sinnvolles Verfahren der Natur, um sich über Generationen an verändernde Umweltbedingungen durch „Survival of the fittest“ anpassen zu können. 6
Als logische Konsequenz der eigenen Absicherung und Arterhaltung sind wir darauf programmiert, uns um Dinge, Personen, Nachkommenschaft (etc.) zu kümmern. 7Natürlich ist diese Eigenschaft bei jedem Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt, aber so gut wie immer vorhanden. Ganze Wirtschaftszweige und Produktgruppen existieren nur durch unsere eingebaute Fürsorglichkeit, darunter Autopflege, Onlinespiele, Tierhandlungen, Gartencenter und vieles mehr. Menschen haben geradezu ein liebevolles Verhältnis zu ihrem Handy (und stecken es meist in designverachtende Hüllen, um es besser zu schützen) oder können sich ein Leben ohne bestimmte liebgewonnene Schuhe nicht mehr vorstellen.
Sicherheit durch Gemeinschaft, Ortskenntnis und Behausung
Die Evolution hat uns eine Ortsprägung, ein Heimatgefühl einprogrammiert. Im vorindustriellen Zeitalter hatte jeder Mensch nur eine natürlich begrenzte Anzahl an direkten sozialen Kontakten, die ihm Sicherheit vor Feinden, vor Hunger, Kälte etc. in einem überschaubaren Ort ermöglichten. Gleichzeitig gab es in diesem Gebiet nur eine begrenzte Anzahl an lokal zugänglichen Nahrungsmitteln und Rohstoffen.
Читать дальше