Arthur Conan Doyle, der bei Ausbruch des Krieges mit 55 Jahren zu alt für das Militär ist, versucht sich dennoch aktiv für England einzubringen. Ab 2.September 1914 wird er mit weiteren englischen Schriftstellern für das neu geschaffene englische Propaganda-Büro tätig und veröffentlicht mehrere Texte, die sich kritisch mit dem Kriegsgegner Deutschland auseinandersetzen, als sein Schwager Malcolm Leckie an der Westfront fällt. Doyle besucht im Mai und Juni 1916 erstmals die Fronten in Frankreich und Italien und trifft dort mehrere französische Generäle und höhere englische Offiziere. An der Westfront besucht er dabei seinen Bruder John Francis Innes Doyle und seinen Sohn Kingsley, welcher an der Somme steht. Einen Monat später wird Kingsley Doyle durch einen Schrappnellsplitter am Nacken verletzt und zur Genesung nach England zurück gebracht. Arthur Conan Doyle schreibt nach seiner Rückkehr nach England den Roman „His Last Bow“, welcher im September 1917 veröffentlicht wird und indem seine Hauptfigur Sherlock Holmes, einen deutschen Spion enttarnt. Im Januar 1918 wird Kingsley Doyle nach seiner Genesung an die Westfront nach Frankreich zurückversetzt. Sein Vater Arthur Conan Doyle besucht von September bis Anfang Oktober 1918 ein weiteres Mal die Westfront. Am 28.Oktober 1918 stirbt Kingsley Doyle in einem Lazarett an den Folgen der „Spanischen Grippe“, einer Epidemie, die ab Mai 1918 drei Mal mehr Menschen das Leben kostet, als die 15 Milionen Weltkriegsopfer. Vier Monate nach Kingsleys Tod, bereits nach Kriegsende, fällt am 19.Februar 1919 auch Arthur Conan Doyles Bruder Innes in einem belgischen Lazarett der Spanischen Grippe zum Opfer. Der Tod seines Sohnes und enger Verwandter zeichnen Doyle. Er widmet sich nach dem Krieg verstärkt dem Spiritismus und Mystizismus und stirbt in seiner Heimat England am 7.Juli 1930 infolge eines Herzinfarktes.
Es ist Montagabend, der 14.Dezember 1914 als Carl Spitteler im Zunfthaus „zur Zimmerleuten“ in Zürich an das Rednerpult tritt. Der Erste Weltkrieg tobt im vierten Monat in Europa und den Kolonien, aber die neutrale Schweiz ist bisher nicht in den Völkerkrieg verwickelt. Widerwillig hat der Schweizer nach mehrfacher Aufforderung des Vereins „Neue Helvetische Gesellschaft“ der Bitte nachgegeben und sich bereit erklärt, mit einem Vortrag an die Öffentlichkeit zu treten. Eigentlich steht er lieber im Hintergrund. Er ist kein Mann politischer Reden, aber die beunruhigenden Tendenzen seiner schweizer Landsleute offen Partei für eine der Kriegsparteien zu ergreifen und der zunehmend schroffere Ton zwischen der Deutsch- und der Westschweiz haben ihn veranlasst nun doch diesen Schritt zu gehen. Heute tritt er ans Rednerpult und erhebt sein Wort vor einem großen Publikum und den geladenen Presseleuten:
„Meine Herren und Damen,
So ungern als möglich trete ich aus meiner Einsamkeit in die Öffentlichkeit, um vor Ihnen über ein Thema zu sprechen, das mich scheinbar nichts angeht. Es würde mich auch in der Tat nichts angehen, wenn alles so wäre, wie es sein sollte. Da es aber nicht der Fall ist, erfülle ich meine Bürgerpflicht, indem ich versuche, ob vielleicht das Wort eines bescheidenen Privatmannes dazu beitragen kann, einem unerquicklichen und nicht unbedenklichen Zustand entgegenzuwirken. Wir haben es dazu kommen lassen, dass anlässlich des Krieges zwischen dem deutschsprechenden und dem französischsprechenden Landesteil ein Stimmungsgegensatz entstanden ist. Diesen Gegensatz leicht zu nehmen, gelingt mir nicht. Es tröstet mich nicht, dass man mir sagt: „Im Kriegsfall würden wir trotzdem wie ein Mann zusammenstehen.“ Das Wörtchen „trotzdem“ ist ein schlechtes Bindewort. Sollen wir vielleicht einen Krieg herbeiwünschen, um unserer Zusammengehörigkeit deutlicher bewusst zu werden? Das wäre ein etwas teures Lehrgeld. Wir können es billiger haben. Und schöner und schmerzloser. Ich kann jedenfalls in einer Entfremdung nichts Ersprießliches erblicken, vielmehr das Gegenteil. Oder wollen wir, wie das etwa Ausländer tun, die Stimmungsäußerungen unserer anderssprachigen Eidgenossen einfach außeracht lassen, weil sie in der Minorität sind? „Abgesehen von dem Bruchteil der französischen Schweiz, die ganz in französischem Fahrwasser schwimmt …“ In der Schweiz sehen wir von niemandem ab. Wäre die Minorität noch zehnmal minder, so würde sie uns dennoch wichtig wägen. Es gibt in der Schweiz auch keine Bruchteile. Dass aber die französische Schweiz „ganz in französischem Fahrwasser“ schwimme, ist ein unverdienter Vorwurf. Sie schwimmt so gut wie die deutsche Schweiz in helvetischem Fahrwasser. Das hat sie oft genug mit aller Deutlichkeit bewiesen. Verbittet sie sich doch sogar den Namen „französische“ Schweiz. Also, ich glaube, wir sollen uns um das Verhältnis zu unsern französisch sprechenden Eidgenossen freilich kümmern, und das Missverhältnis soll uns bekümmern.
Ja, was ist denn eigentlich vorgefallen?
Nichts ist vorgefallen. Man hat sich einfach gehen lassen. Wenn aber zwei nach verschiedener Richtung sich gehen lassen, so kommen sie eben auseinander. Entschuldigung liegt vor. Sie heißt: Überraschung. Wie auf den übrigen Gebieten, so hat auch in unserm Gemüts- und Geistesleben die Plötzlichkeit des Kriegsausbruches gleich einer Bombe eingeschlagen. Die Vernunft verlor die Zügel, Sympathie und Antipathie gingen durch und liefen mit einem davon. Und der nachkeuchende Verstand mit seiner schwachen Stimme vermochte das Gefährt nicht aufzuhalten. Beobachte ich übrigens richtig, so ist der Verstand schließlich doch angekommen. Wir sind jetzt, wie ich glaube und hoffe, in der Stimmung der Umkehr und Einkehr. Damit ist die Hauptsache gewonnen, das Schlimmste verhütet. Allein eine gewisse Meinungsverwirrung, eine gewisse Ratlosigkeit und Richtungsverlegenheit ist noch vorhanden. Da hinein ein bisschen Ordnung zu stiften, ist die Aufgabe der Stunde, mithin auch meine Aufgabe.
Vor allem müssen wir uns klar machen, was wir wollen. Wollen wir oder wollen wir nicht ein schweizerischer Staat bleiben, der dem Auslande gegenüber eine politische Einheit darstellt? Wenn nein, wenn jeder sich dahin mag treiben lassen, wohin ihn seine Privatneigung schiebt und wohin er von außen gezogen wird, dann habe ich Ihnen nichts zu sagen. Dann lasse man’s meinetwegen laufen, wie es geht, und schlottert und lottert. Wenn aber ja, dann müssen wir inne werden, dass die Landesgrenzen auch für die politischen Gefühle Marklinien bedeuten. Alle, die jenseits der Landesgrenze wohnen, sind unsere Nachbarn, und bis auf weiteres liebe Nachbarn; alle, die diesseits wohnen, sind mehr als Nachbarn, nämlich unsere Brüder. Der Unterschied zwischen Nachbar und Bruder aber ist ein ungeheurer. Auch der beste Nachbar kann unter Umständen mit Kanonen auf uns schießen, während der Bruder in der Schlacht auf unserer Seite kämpft. Ein größerer Unterschied lässt sich gar nicht denken.
Wir werden etwa freundnachbarschaftlich ermahnt, die politischen Grenzen nicht so stark mit dem Gefühl zu betonen. Wenn wir dieser Ermahnung nachgäben, so würde folgendes entstehen: Anstelle der überbrückten Grenzen nach außen würden sich Grenzen innerhalb unseres Landes bilden, eine Kluft zwischen der Westschweiz und Südschweiz und der Ostschweiz. Ich denke, wir halten es lieber mit den bisherigen Grenzen. Nein, wir müssen uns bewusst werden, dass der politische Bruder uns nähersteht als der beste Nachbar und Rassenverwandte. Dieses Bewusstsein zu stärken, ist unsere patriotische Pflicht. Keine leichte Pflicht. Wir sollen einig fühlen, ohne einheitlich zu sein. Wir haben nicht dasselbe Blut, nicht dieselbe Sprache, wir haben kein die Gegensätze vermittelndes Fürstenhaus, nicht einmal eine eigentliche Hauptstadt. Das alles sind, darüber dürfen wir uns nicht täuschen, Elemente der politischen Schwäche. Und nun suchen wir nach einem gemeinsamen Symbol, das die Elemente der Schwäche überwinde. Dieses Symbol besitzen wir glücklicherweise. Ich brauche es Ihnen nicht zu nennen: die eidgenössische Fahne. Es gilt also, näher als bisher um die eidgenössische Fahne zusammenzurücken und dementsprechend denen gegenüber, die zu einer andern Fahne schwören, auf die richtige Distanz abzurücken; konzentrisch zu fühlen statt exzentrisch.
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