»Ihr werdet noch Augen machen …«, sagte die Frau, leise, bevor sie vom Geiger mit einer Kopfbewegung und einem Zischen zum Schweigen brachte. Sie senkte den Kopf, aber nicht erschrocken sondern lächelnd, schmunzelnd. Der junge Rom machte eine provozierende Kopfbewegung.
»Lasst euch von der Musik verzaubern.«
»Was ist das?«
»Eine Geige. Und sie hat ihre ganz eigene Magie. Hört einfach zu«, sagte der Zigeuner. Er schloss seine dunklen Augen, legte den Kopf schief und spielte.
Schon nach den ersten Klängen fühlte der Alchemist, wie sich die Anspannung in ihm löste. Die Sippe musste lange in Ungarn gewesen sein, denn er spielte anfangs sehr getragen und halbtonlos, dann wurde das Spiel tänzerischer, lebhafter, aber gleichermaßen trauriger.
In Faust tauchten Bilder auf, von ganz tief unten, verschüttete Erinnerungen, verdrängte Gefühle. Er sah den Zigeuner geigen, sein schwarzes Haar wippte, der Oberkörper steuerte jeder Bewegung der Arme entgegen. Die Violine jaulte, sprach, sang.
Sein Bogen tanzte über die Saiten und es geschah etwas, mit dem Faust nicht gerechnet hatte. Die Frau stellte sich vor das Feuer und griff sich in den Schritt. Sie seufzte, bewegte die Hüften, die Augen geschlossen, den Kopf in den Nacken. Der Bogen tanzte über die Saiten, die Bilder verstärkten sich. Faust sah nackte Körper vor sich, vor Lust erregtes Fleisch, hart und fest, spürte in den Lenden ein Ziehen und Spannen und rutschte unruhig auf seinem Platz am Feuer.
Die Frau vor ihm presste die Hand fester gegen ihren Schritt. Die ersten Laute kamen über ihre Lippen, stärker und drängender noch als das Fiedeln des Geigers. Auf einmal spürte Faust eine Erektion, wie er sie noch nie zuvor in der Hose gespürt hatte. Es war, als hatte sein Blut beschlossen, sich in seinen Lenden zu sammeln um das Tuch von innen zu sprengen.
Die Frau kreiste mit den Hüften, stöhnte und presste die Hände in den Schoß. In einer unbekannten Sprache seufzte sie und hechelte, sie verdrehte die Augen. Der Bogen des Geigers tanzte über die Saiten, brachte Töne hervor, die Faust noch nie zuvor gehört hatte.
Fausts Blick fiel auf den jungen Mann am Feuer. Eine Nacht, dachte Faust, voller Lust. Die Spannung war unerträglich, und beinahe hätte er vor allen Anwesenden Hand an sich gelegt. So etwas hatte er noch nie erlebt.
»Schluss jetzt«, rief Heinrich Malfoss unvermittelt. Sein schwarzer Schnurrbart zuckte ungehalten. Der Geiger setzte ließ sofort den Bogen ruhen, die Musik brach ab. Faust spürte, wie die Erregung abflaute, die unerträgliche Lust. Nur die Erektion blieb. Das Lagerfeuer knackte und knisterte
»Die Macht der Musik«, sagte der Geiger. Faust wischte sich über die Stirn. Sein Blut pulste durch den ganzen Körper, rauschte in den Ohren nach. Feuer glühte auf seinem Gesicht.
Malfoss ballte die Fäuste. »Das ist genau der Grund, aus dem uns die Menschen verfolgen. Sie denken, wir wären mit dem Teufel im Bunde. Lass das.«
Der Geiger protestierte in Romanes, der Häuptling der Sippe wurde lauter und sprach ein Machtwort. Erbost packte der Geiger sein Instrument und machte auf dem Absatz kehrt. Rasch war er aus dem Lichtkreis des Feuers verschwunden. Irgendwo knallte kurz darauf eine Tür.
»Geht jetzt schlafen«, herrschte er die Männer an. Und auch Faust nahm diese Aufforderung an und stand auf. Noch immer konnte er kaum glauben, was er gerade erlebt hatte.
Er hatte sich gerade in seinen engen Wagen zurückgezogen, in dem allerlei Geräte, Behälter mit Pulver, Schüsseln, Pfannen, Töpfe, ein Tisch und seine wenige Kleidung noch etwas Platz für eine kleine Bettstatt im hinteren Teil ließen, und die Öllampe unter der Decke entzündet, als es vorsichtig an der Tür klopfte.
Der junge Rom, der bis zuletzt am Feuer gesessen hatte, stand im matten Licht. Es war kühl geworden. Vom fernen Wagenrund der Zigeuner hallte einsame Stimme herüber. Das Lagerfeuer war niedergebrannt. Über dem Lager wölbte sich ein klarer Sternenhimmel.
»Entschuldigt«, sagte der Rom, nachdem Faust ihn hereingelassen und leise die Tür wieder geschlossen hatte. »Ich habe da etwas… ich kann es nicht mit meiner Sippe… Sagt, könnt Ihr auch …seid Ihr Mediziner?«
»Wenn du vom Schröpfen sprichst, nein, damit kenne ich mich nicht aus. Aber wir können zusammen einen rauchen. Ich habe da ein wundervolles Harz des Canavas, das wirkt wahre Wunder. Nicht so schluffig wie die Blüten. Wie ist dein Name?«
»Marko.«
»Sag mir, Marko, was ist da gerade passiert? Beim Spiel mit der Geige?«
Der junge Rom wand sich. »Das ist ja gerade, worüber ich mit euch reden wollte.«
Die beiden setzten sich um eine bauchiges, seltsam anmutendes Gerät, das der Alchemist aus einem kleinen Weidenkorb geholt hatte. Aus der Kugel ragte ein dickes Bambusrohr. In die Kugel führte seitlich ein langer Stab, an dessen Ende Platz war für ein münzgroßes Stück Harz, das der Alchemist dort platzierte.
Er entzündete einen Docht mit Eisen und Stein, und mit dem Docht brachte er das Harz zum Qualmen. Faust beugte sich über das dickere Rohr und zog daran. Aus dem Inneren des Gerätes ertönte ein Blubbern. Faust atmete aromatischen Rauch aus. Er lachte, der junge Mann tat es ihm gleich, lächelte ebenfalls, und dann erzählte Marko, wie ihn das Spiel des Geigers erregte, wie ihn an diesem Abend und auch sonst, wenn die Geige ertönte, nicht nur die Frauen in Hitze gerieten, sondern auch er, wie sich sein Glied versteifte und die Lust wuchs. Ein paar Tage zuvor hatte er sogar ohne Hand an sich zu legen seinen Samen verspritzt.
»Was hat das zu bedeuten? Ich dachte, die Musik verzaubert nur die Frauen?«
Der Alchemist räusperte sich. Sein Herz pochte aufgeregt. Er war also nicht alleine mit dieser Erfahrung. Was jedoch hatte das zu bedeuten?
»Ist es so? Oder reden die Männer deiner Sippe nicht darüber? Vielleicht erregt es sie ebenfalls, ich habe ebensolches verspürt«, sagte er. Die Reaktion seines Gegenübers rief stummes Erstaunen hervor. »Aber verrat mir noch etwas: Hast du dabei an die Frau gedacht, oder an …«
»Ich…« Marko wand sich. »Das ist es ja.«
Die beiden sahen sich in die Augen, länger als nötig.
»Es ist auch ohne die Musik so.«
»Was ist ohne Musik so?«
»Die Erregung. Seht selbst.«
Der Rom nahm Fausts Hand und führte sie zwischen seine Beine. In der Hose spürte der Alchemist mit klopfendem Herzen eine harte Beule.
»Könnt Ihr mir helfen?«
Faust wusste, dass es gefährlich war, sich dieser Leidenschaft hinzugeben. Er hatte von der patriarchalischen Familienführung in den Sippen gehört und er kannte auch die Meinung der Kirche. Doch das Risiko musste er eingehen. »Ich glaube schon.«.
»Ihr erzählt es doch niemandem, oder?«
»Das gleiche wollte ich dich fragen«, sagte Faust und beugte sich vor. Die Zunge des Rom war forsch. Bänder wurden geöffnet, wortlos, atemlos. Rasch waren beide splitternackt und zeigten sich gegenseitig ihre Erregung.
Faust ließ die prächtig geformte Lanze des jungen Mannes auf seiner Zunge tanzen, schloss die Lippen und spürte das dumpfe, begehrliche Pulsieren. Im Gegenzug spürte er Markos Mund an seinem Geschlecht, spürte, wie die Hoden wohlige Wärme empfingen, erst der linke, dann der rechte, und wie eine Hand sein Rohr packte, massierte, sich auf und ab bewegte, bevor sich wieder ein warmer Mund darüber stülpte.
Schnaufen erfüllte den dunklen Wagen, der so weit abseits stand vom Rund, dass niemand etwas hören konnte, und dennoch waren die beiden Männer so vorsichtig wie sie sein konnten, so leise und diskret wie möglich.
Bald konnte sich der Alchemist kaum noch beherrschen. Tief wurzelte er sich in Markos Hintern, der sich vorgebeugt und unterwürfig den Kopf in das warme Bettlager gepresst hatte. Keuchend, wortlos genießen, kämpften die beiden Männer um die Oberhand, drangen mal hier ein und mal dort, bis sich endlich auch Faust in die Position des Empfängers geben konnte, um jeden Zoll der harten Lanze zu genießen, die ihn penetrierte.
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