»Wieso Trottel, das ist doch gut investiert!«
»Denkste, du Witzbold, diese Firmen sind alle den Bach runter, sind alle pleite, das Geschäft machen die Chinesen!«
»Aha, und jetzt ist Max auch pleite.«
»Du sagst es!«
»Mit dem Verschwinden von Joe hat das aber erst mal nichts zu tun.«
»Aber wohl. Wenn einer pleite ist und hat einen reichen Bruder, den er gerne beerben würde und da ein bisschen nachhilft, hat der ein gutes Mordmotiv.«
»Theoretisch ja, aber du glaubst doch nicht, dass du damit den Max unter Druck setzen kannst.«
»Warte, warte doch! In Grassau hab ich herausbekommen, dass Joe sehr oft in die Kendlmühlfilzen ging.«
»Ja und, das haben die in der Zeitung längst berichtet.«
»Da hat er immer seinen Kater Felix mitgenommen.«
»Hab ich auch schon gelesen. Und der ist auch verschwunden«
»Eben nicht! Hör zu Henrí: Der Max hat den Kater.«
»Täuscht du dich da nicht, schwarze Kater gibt’s überall.«
»Also die Nachbarin von Joe in Grassau - ich hab mich da als Journalist ausgegeben - eine etwa siebzigjährige "Tschimbumsel" war zunächst zugeknöpft. Ja, meinte sie, ich wäre jetzt wohl mindestens der Fünfzigste, der sie zu dem Fall befrage. Aber als ich auf den Kater zu sprechen kam, taute sie nach und nach auf.«
»Natürlich du mit deinem Charme!?«, kommentierte Henrí ironisch.
»Ja also, sie trauere so um den Kater, der sei ihr so ans Herz gewachsen. Dann schwärmte sie von einer Elli, der Frau von Joe, die vor einem Jahr verstorben sei und die den Kater 2004 als zwölfwöchiges Kätzchen mitgebracht hatte, das sie Felix taufte. Ein außerordentlich intelligentes Tier, er war in der Lage geschlossene Türen zu öffnen und …«
»Interessant, und weiter?…«
»Dann hat sie den Tränen nahe den Kater beschrieben, dass er auf der Brust eine wunderschöne weiße Raute hätte, etwa halb so groß wie ein Bierdeckel und dass er mit einem Chip versehen und bei TASSO registriert sei.«
»Was ist TASSO?«
»Eine Tierschutzorganisation, die ein Register betreibt, um verloren gegangene Tiere wiederzufinden. So ein Chip hat Reiskorngröße, enthält eine eindeutige Nummer, und wird vom Tierarzt mit einer Nadel unter die Haut implantiert, hat sie mir erzählt. Wenn man den Kater fände, könnte man ihn mit einem Lesegerät identifizieren.«
»Wer hat so ein Lesegerät?«
»Jeder Tierarzt.«
»So einfach?«
»Die wichtigste Aussage von der Tante ist aber die, dass sie am Tag von Joes Verschwinden die beiden, also Joe und den Kater, am frühen Abend in Joes Porsche hat einsteigen sehen. Vermutlich ist er dann direkt ins Moorgebiet gefahren.«
»Kriminalistisch bin ich nicht gerade ein Ass, aber das hieße ja, wenn der Kater, den du bei Max gesehen hast, wirklich dieser Kater Felix wäre, müsste Max am selben Tag am Tatort gewesen sein.«
»Bingo Henrí! Jetzt hast du’s! Der Kater, den ich am Moser Hof gesehen habe, hat tatsächlich eine weiße Raute auf der Brust, der Max hat also seinen Bruder umgebracht und den Kater mitgenommen.«
»Wahnsinn!«
»Und das Mordmotiv ist auch klar!«
»Den reichen Bruder beerben!«
»Ich habe noch etwas von der Tussi erfahren.«
»Bin gespannt.«
»In den Zeitungen stand doch einiges über Joes Haus in St. Remy und über seine Geschäfte in der Provence.«
»Stimmt. Er hat da sein Geld in ein Golfplatzprojekt investiert.«
»Der Nachbarin hab ich Honig ums Maul geschmiert und ihr nebenbei erzählt, dass ich oft in St. Remy bin und mich dort auskenne. Da wurde die alte Plaudertasche richtig gesprächig. Es ist mir doch tatsächlich gelungen, ihr die Adresse von Joes Haus rauszukitzeln. Und dann hat sie noch etwas verraten!«
»Schieß los!«
»Joe und seine Frau waren da sehr häufig unten. Die gutwillige Elli wollte der Frau von Max und der kranken Tochter was Gutes tun. Sie haben den beiden das Haus in St. Remy zur Erholung angeboten und den Hinflug spendiert. Max hat dann nach zwei Wochen Frau und Tochter dort abgeholt. Der kennt sich da also aus.«
»Aha, ja und?«
»Na ja, wir fahren doch nächste Woche in die Provence und machen unsere Jahresorder Roséweine bei St. Bernard, Mas de la Dame, etc.«
»Da schauen wir uns Joes Haus natürlich an«, sagte Henrí und war stolz auf seine Idee.
»Nicht nur das, wir werden den Max dorthin zitieren und ihm die Leviten lesen.«
»Wie stellst du dir das vor?«
»Wir schreiben ihm einen anonymen Brief mit folgendem Inhalt:
WIR TREFFEN UNS AM 25.8. IN JOES HAUS IN ST. REMY. ICH KENN DEINE LAGE, ICH KANN DIR HELFEN, DU ERFÄHRST DIE WAHRHEIT.«
»Und was machen wir dann dort mit Max?«
»Ihm seinen Erbteil abjagen!«
»Wie, was hast du vor?«
»Mit dem Kater haben wir ihn in der Hand, du wirst schon sehen.«
»Ich sehe noch gar nichts.«
»Und ich schick heut noch den Brief an Max. Der wird Augen machen!«
waren eine alteingesessene Bauernfamilie, die seit vielen Generationen in Bad Aibling lebte und im Ortsteil Ellmosen einen Vierseithof mit 21 Hektar Land betrieb. Die Land- und Viehwirtschaft lief mal besser mal schlechter, war mit harter Arbeit verbunden, jedenfalls hatten die meisten Bauern in Bad Aibling vor, während und nach dem Krieg ein ausreichendes Auskommen.
1933 heiratete der damalige Bauer Heinrich Moser die am Hof beschäftigte Magd Maria Hufnagel, eine herzensgute und fleißige Frau, die dem herrschsüchtigen Heinrich tatkräftig und ausgleichend zur Seite stand. Geliebt hatte sie ihn nicht, als Bäuerin hielt sie gleichwohl das Heft in der Hand, mindestens wenn es um wichtige Entscheidungen ging. Sie lancierte den bayrischen Sturkopf in ihrem Sinne, indem sie seine charakterlichen Schwächen ausnutzte, ohne dass ihm das je bewusst geworden ist.
So hatte er einmal im Gemeinderat großspurig erklärt, dass er keinesfalls den Bau einer neuen Straße entlang seiner Grundstücke zulassen werde. Maria schüttelte dann den Kopf und machte klar:
»Ja wo samma denn, du gibst doch hier den Ton an! Lass doch den Verlauf der Straße so festlegen, dass es zu unserem Vorteil ist. So, dass der Zugang zu unseren Hangwiesen erschlossen wird.«
Das gefiel Heinrich und er willigte nun im Gemeinderat ein, natürlich nur unter bestimmten Auflagen, deren bauernschlaue Details Maria ihm so geschickt unterjubelte, dass er meinte, sie seien auf seinem Mist gewachsen.
1934 wurde der Sohn Franz geboren. Als Einzelkind wuchs er wohlbehütet von Mutter Maria auf. Er blühte in der Kindheit in Liebe zur Natur und zum ländlich geprägten Leben auf, wenngleich er unter dem strengen und despotischen Vater oftmals zu leiden hatte. Maria wusste das aber auszugleichen und schlimmere Konflikte zu vermeiden. Franz war anders als sein Vater, eher introvertiert, feinfühlig, tierlieb und musikalisch veranlagt.
Der erzkonservative Heinrich war tiefgläubig und bestand darauf, dass Franz ab dem zehnten Lebensjahr ein katholisches Internat besuchte. Sogar Maria, die sich dagegen wehrte, konnte es nicht verhindern.
Auf dem Internat entwickelte Franz seine musikalische Begabung weiter, lernte Klavier und Klarinette und hatte auch ein Jahr Gesangsunterricht. Dem Vater Heinrich gefiel das aber gar nicht. Nach vier Jahren nahm er Franz wieder vom Internat und verordnete ihm auf dem Hof harte Arbeit.
Franz war nun alt genug, um mit der Art seines Vaters klarzukommen, zumal er klüger war und gelernt hatte, statt zu widersprechen einfach abzulenken. Maria war froh, Franz wieder im Haus zu haben, zusammen waren sie durchaus in der Lage, Heinrich zu manipulieren, wenn sie es für sinnvoll hielten. So schafften sie es, dass in der Nachkriegszeit, gegen seinen Willen, ein moderner Mähdrescher und ein Getreidesilo angeschafft wurden, womit sie die Landwirtschaft deutlich effizienter bewerkstelligen konnten.
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