(http.//www.globales-lernen.de/Nicaragua/nicaragua/geschichte.htm)
Dass sich die US-Politik so sehr für Nicaragua interessierte, lag nicht zuletzt an der natürlichen Wasserstraße zwischen der Karibik und dem Nicaragua-See, da sie sich als mögliche Alternative zum Panama-Kanal geradezu anbot. Sogar die Spanier liebäugelten bereits mit dieser Möglichkeit. Ich zitiere: Bereits 1539 entdeckte Diego Machuca den Rio San Juan als Wasserstraße zwischen der Karibik und dem Nicaragua-See. 1551 äußerte sich bereits der spanische Chronist Francisco López de Gómara: „Man fasse nur den festen Entschluss, die Durchfahrt auszuführen, und sie kann ausgeführt werden. Sobald es am Willen nicht fehlt, wird es auch nicht an Mitteln fehlen.“ Doch der spanische König Felipe II. sah in der Landbrücke zwischen den beiden Meeren Gottes Schöpfung, und an der wollte er nicht rütteln… (http://de.wikipedia.Org/wiki Nicaragua)
Ach, hätten die spanischen Könige nicht auch im Menschen Gottes Schöpfung erkennen können? Aber auf diesem Auge waren sie wohl blind oder – und das erscheint mir eigentlich noch glaubhafter – ein Gott, der in seiner unermesslichen Gnade Spitzbuben, Mörder und Henker als Potentaten auf seine Erbthrone hievt, der muss wohl ganz und gar mit Blindheit geschlagen sein…
Bei der Recherche zu diesem Bericht stieß ich – wiederum dank Wikipedia – auch auf ein pikantes Detail der Kanonenbootpolitik des längst verflossenen deutschen Kaiserreiches.
Zitat: Bei der Eisenstuck-Affäre 1876 – 1878 handelte es sich um eine diplomatisch–militärische Auseinandersetzung zwischen dem Deutschen Reich und der Republik Nicaragua. Sie war verbunden mit der größten Operation, die die Kaiserliche Marine im ausgehenden 19. Jahrhundert in Mittelamerika durchgeführt hat. Sie fand sowohl an der Pazifik- als auch an der Atlantikküste statt.
Worum es dabei ging? Um nichts Geringeres als um die Ehre des Herrn Honorarkonsuls Eisenstuck. Die Stieftochter dieses honorigen Herrn lag in jenen Jahren in Scheidung von ihrem nicaraguanischen Ehegespons und hatte sich wohl wieder in die väterliche Obhut zurück geflüchtet. Der verlassene Ehemann, offensichtlich ein Heißsporn, nahm ihr das übel. Da er aber der Dame seines Herzens – bzw. seines Hasses – nicht so ohne weiteres wieder habhaft wurde, wurde er tätlich. Zuerst schoss er – nicht auf die Dame, sondern auf den Konsul, den er aber verfehlte. Der eifersüchtige oder vielleicht auch nur in seinem Stolz gekränkte, aber sicher sehr einflussreiche Patron ließ jedoch nicht locker. Beim zweiten Anschlag bediente er sich gedungener Polizeisoldaten, die den bedauernswerten Vertreter deutscher Interessen zuerst auf offener Straße böse verprügelten und hinterher auch noch verhafteten. Das Gericht hob die Verhaftung zwar sofort wieder auf, vertrat aber sonst die Meinung, dass es sich bei dem Vorfall lediglich um eine Familienfehde handle. Es empfahl dem Herrn Eisenstuck, den Weg der Privatklage einzuschlagen.
Diese lapidare öffentliche Reaktion Nicaraguas war aber ganz und gar nicht im Sinne einer beleidigten Nation, zumal die sich gerade anschickte, als junge Großmacht auf internationalem Parkett mitzumischen. Das Deutsche Reich verlangte Satisfaktion: Bestrafung der Täter, 30.000 $ Schmerzensgeld und ein Flaggensalut der nicaraguanischen Soldaten. Diese Forderungen stießen in Managua allerdings auf taube Ohren; sie wurden einfach ignoriert…
Das wiederum wollte und konnte sich Berlin nicht bieten lassen. Also, was tun in so einem Fall, wenn die Diplomatie versagt? Man – man ist immerhin deutscher Kaiser, wenn auch von Bismarcks Gnaden – greift zum Schwert und lässt die „Kanonenboote“ von der Leine. Gleich vier Schiffe der kaiserlichen Admiralität, die sich in jenen Tagen „Flagge zeigend“ auf den Weltmeeren herumtrieben, wurden vor die Küsten Nicaraguas detachiert. Aus den Weiten des Pazifiks herbeieilend, trafen sich die Korvetten SMS „LEIPZIG“, SMS „ARIADNE“ und SMS „ELISABETH“ vor der Westküste Nicaraguas, um das kleine unscheinbare Hafenstädtchen Corinto, „Breitseite zeigend“, zu bedrohen. Das in Westindien herumschippernde Kadettenschulschiff SMS „MEDUSA“ traf zwischen dem 17. und 18. März 1877 vor der Ostküste Nicaraguas ein. Die Republik Nicaragua sah sich also plötzlich von beiden Seeseiten bedroht und – lachte sich ins Fäustchen, als sie gewahr wurde, dass die kaiserlichen Kriegsschiffe für Landungsoperationen gar nicht ausgerüstet waren. Dennoch beugte sie sich dann doch klugerweise der Kanonenbootspolitik des aufstrebenden Deutschen Reiches und erfüllte die gestellten Bedingungen. Das war sicherlich auch ganz im Sinne des Herrn Konsul Eisenstuck – aber dass seine Stieftochter, derer Ehestreitigkeiten die ganze Kanonenboot-Affäre ja erst ausgelöst hatte, nach all der Aufregung, so als ob gar nichts gewesen wäre, wieder zurück in die Arme ihres Gatten eilte, ob das auch in seinem Sinne war – das darf bezweifelt werden…
Im letzten Viertel des neunzehnten Jahrhunderts wusste es der Rest der Welt noch nicht, dass er am „deutschen Wesen“ genesen sollte – ja, potz Blitz, vielleicht gar nicht wollte. Um das zu ändern, entsandte das „Preußisch-Deutsche-Kaiserreich“ die vorläufig noch sehr bescheidenen maritimen Streitkräfte an die entferntesten Küsten dieser Erde: Ob nun Corinto oder Fernando Po, ob Samoa oder Klein-Popo (Togo), ob Tschemulpo (Korea) oder Kamerun, die SMS LEIPZIG hatte viel zu tun. Dafür aber, für die „Überzeugungsarbeit“ vor Ort, bedurfte es menschlichen Materials, das auf der LEIPZIG aus ca. 425 Mann Besatzung bestand. Das sind, denke ich, ganz schön viele Männeken für ein Schiff von gerade einmal ca. 85 m Länge und 14 m Breite. Da das Schiff aber so etwas wie einen „Semi-Antrieb“ hatte, das heißt, es konnte sowohl unter Benutzung der Segel als auch mit Hilfe einer Kohle fressenden Expansionsdampfmaschine vorgetrieben werden, bedurfte es schon vieler Hände, um so ein Fahrzeug in Bewegung zu halten. Die Segelfläche betrug immerhin 2.600 m², und um die Schraube zum Drehen zu bringen, dafür bedurfte es auch vieler schwieliger Trimmer-Hände, weil die Kohle halt nicht von selbst vom Bunker in die Esse sprang. Kohle, kohlen, immer wieder kohlen, dass war die Achillesferse des deutschen Überseegeschwaders…
1891, auf einer „Einsatz-Reise“ nach Chile – Chilenischer Bürgerkrieg – gingen der LEIPZIG die Kohlen vorzeitig aus. Sie musste sich abschleppen lassen. Welch eine Schande für ein Schiff mit Segeln! Darüber, über das Wieso und Warum, hätte ich gerne mehr gewusst, aber Wikipedia gibt da nichts her. Außerdem beschäftigt mich eigentlich eine andere Frage, nämlich die, wie und wo die 425 Mann Besatzung an Bord untergebracht waren? Dass ihnen, jedenfalls dem gemeinen Volk, keine Kabinen zugebilligt waren, versteht sich ja von selbst. Wahrscheinlich schliefen sie schichtweise, jeweils zwei Wachgänger für eine Hängematte, zwischen Segel-Gerätschaften, Kohlebunkern und Ringkanonen. Ringkanonen? Kann mir vielleicht jemand verraten, was das ist, eine Ringkanone? Hat die etwa einen Nasenring, damit man sie wie einen wilden, gefährlichen Stier sicher führen kann? Ich meine, ganz im Ernst, irgendwie musste man die schweren Dinger doch seefest zurren können, bevor sie sich bei schwerem Wetter selbständig machten…
Also, ein Honiglecken waren diese ausgedehnten Seereisen von ein bis zwei oder gar mehreren Jahren für die Besatzungen dieser Korvetten ganz sicherlich nicht. Die kleine Glattdeckskorvette SMS ARIADNE – Länge über alles: 68,16 m, Breite: 10,80 m, Besatzung ca. 240 Mann – lief am 4. November 1877 aus Wilhelmshaven Richtung Südamerika aus und kehrte erst am 30. September 1881 in den Heimathafen zurück. In der Zwischenzeit hielt sie sich zwecks kolonialer Bereicherung des Reiches hauptsächlich in der Südsee auf. Bei einem Kurzaufenthalt in Sidney benutzten einige Matrosen die Gelegenheit zur Desertion. Wenn Sie mich fragen – die waren sicher nicht die Dümmsten…
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