1 ...6 7 8 10 11 12 ...16 Enttäuscht verziehe ich mich in mein Zimmer. Mann, er will alle Tests auf einmal durchziehen. Kaum zu glauben. Wenn er jetzt mit dem Wein ankommt, garantier ich für gar nichts mehr. Das nenn ich echt mal einen tiefen Fall – vom siebten Himmel in die Hölle auf Erden.
Natürlich – wie kann es auch anders sein – kommt er wenig später mit zwei Gläsern Rotwein zur Tür rein. Na warte. Jetzt pass mal auf. Du willst Krieg, den kannst du haben. Und jetzt werden schwere Geschütze aufgefahren.
Ich mustere die Gläser und atme tief durch. Dabei versuche ich, vollkommen verängstigt auszusehen.
„Was ist mit dir?“, fragt mich Beliar mit gerunzelter Stirn. Damit mein Schauspiel wirkt, ziehe ich die Knie an meinen Körper und kralle die Finger in mein kurzes Haar. Ich zittere sogar leicht.
„Hope. Sag mir, was dir fehlt?“ Beliar hat die Gläser auf dem Nachttisch abgestellt und streichelt über meinen Rücken. Okay, Start.
„Tut … tut mir leid, ich …“ Meine Stimme lasse ich leicht brechen.
Beliar versteht die Welt nicht mehr, da kläre ich ihn auf: „Er … er hatte eine Schusswaffe.“
„Wer?“, will Beliar wissen.
„Der Hexer, der mich in Paris in seine Wohnung verschleppt hat. Weißt du … eigentlich macht mir nicht so schnell etwas Angst, aber die Waffen unserer Zeit sind grausame Erfindungen. Er … er hat mich damit bedroht. Ich … ich hab da einen kleinen Schwachpunkt. Sie machen mir unglaubliche Angst. Das ist nicht wie in deiner Zeit. Es ist kein fairer Kampf, wie mit euren Schwertern. Bei diesen Waffen ziehst du immer den Kürzeren. Die Projektile bohren sich in deinen Körper und du stehst nicht mehr auf. Sie töten dich, bevor du weißt, was passiert ist. Er hat gesagt, ich soll mich ausziehen und … aus Furcht, er könnte die Waffe gegen mich richten, habe ich es getan. Ich hätte alles getan, was er verlangt hätte, weil ich solche Angst hatte.“ Das ist nicht mal gelogen. „Der Hexer hat … mich angeglotzt, hat mich sogar gezwungen, mich im Kreis zu drehen, damit er … alles sehen kann. Dann hat er mir dieses Kleid gegeben. Seine Blicke waren das Schlimmste. Ich dachte, gleich … vergewaltigt er mich. Daraufhin hat er mich gezwungen, fast die ganze Flasche Rotwein zu trinken. Die Gläser musste ich in einem Zug leeren. Der Wein in deiner Hand hat … mich daran erinnert, ich … kann das nicht trinken … ich …“ Eine Träne läuft mir sogar aus dem Augenwinkel. Mann, bin ich gut.
Beliar zieht mich an sich heran. „Verzeih mir. Das war nicht meine Absicht, dich daran zu erinnern. Junus gab dem Hexer den Befehl, dich nicht anzurühren. Wenn ich gewusst hätte, dass er dir solche Angst eingejagt hat, hätte ich ihm noch in derselben Nacht gezeigt, was es heißt, Angst zu verspüren“, verkündet er.
„Beliar?“
„Ja?“
„Manchmal frage ich mich, ob meine Symbole etwas damit zu tun haben, dass ich augenscheinlich das Unglück gepachtet habe. Dabei will ich doch nur glücklich sein. Nichts weiter. Ein normales Leben führen. Mit dir.“ Die letzten Worte sind mir rausgerutscht.
Beliar hebt mein Kinn an und mustert mich intensiv. Ich weiß, was er gerade denkt. Er fragt sich, ob ich tatsächlich eine böse Knusperhexe bin oder ob sich der Seher nicht doch in mir täuscht.
„Du wirst nicht vom Unglück verfolgt, Hope“, erklärt er. Und wie nennst du das sonst, was hier abläuft?
Ich lächle. „Hey, ich habe gute Nachrichten“, erkläre ich.
„Tatsächlich?“, stößt er überrascht aus.
„Ich habe getan, was ihr wolltet. Heute Morgen hat mir Junus Blut für den Test abgezapft. Zugegebenermaßen habe ich etwas überreagiert. Mein Bruder sagte mir, dass sie dich wegen der Geschichte, die der Seher herumerzählt, unter Druck setzen. Natürlich weiß ich, dass du voll hinter mir stehst.“ Von wegen. „Da habe ich meinen Stolz, den ich laut Junus von meiner Mutter geerbt habe, kurz vergessen und klein beigegeben. Siehst du Beliar, ich kann durchaus das tun, was du von mir verlangst. Warts ab, vielleicht wird aus mir doch noch die Frau, die du dir wünschst.“ Ich sagte vielleicht – wohlgemerkt. Aus mir wird nicht in hundert Jahren so ein unterwürfiges Püppchen.
„Ich arbeite daran“, ergänze ich. „Siehst du.“ Ich krame nach dem Buch, das ich mir gekauft habe.
Beliar liest den Titel der Lektüre, die ich ihm sogleich vor die Nase halte, laut vor: „ Das Frauenbild im Mittelalter: Behütende Mütter im Schatten der Männer .“ Nur so nebenbei bemerkt, so einen Schwachsinn würd ich niemals lesen, aber ich brauche es, um ihm stückweise zum absolut schlechtesten Gewissen seines Lebens zu verhelfen.
„Ich lerne, wie Männer im Mittelalter denken“, verkünde ich stolz. Im Traum.
Beliar grinst. „Ich glaube, jetzt setzt du dich zu sehr unter Druck, Hope. Entspanne dich. Wieso legst du dich nicht hin und lässt dich von mir verwöhnen. Dafür habe ich genau das Richtige mitgebracht. Eine duftende Salbe aus Lavendelextrakt.“ Das würde sich unsagbar verlockend anhören, hätte ich ihr Gespräch nicht belauscht.
Ich lächle. „Echt? Na dann her damit“, pruste ich energisch. Ich fasse es nicht, dass er das jetzt durchzieht. Hat er denn nicht zugehört?
Sogleich zieht er ein kleines Gefäß, das aussieht wie ein Marmeladenglas, heraus und öffnet den Stoffdeckel, der mit einem Faden verschnürt ist.
Ich glaube, ich habe noch nie etwas Ekelhafteres gerochen. Mit übermenschlicher Kraft halte ich mein Lächeln aufrecht und meine Galle zurück. Mein Magen dreht sich bereits um die eigene Achse.
Im nächsten Augenblick hält er mir das Teil direkt unter die Nase. Ich nehme einen tiefen Atemzug. So schnell ich kann halte ich daraufhin die Luft an. Meine Fresse, ich kotz gleich.
„Hmmmmmm, himmlisch“, schwärme ich, wobei ich mich frage, womit ich das hier verdient habe. Verdammt, bin ich echt eine schwarze Hexe? Das gibt’s doch nicht.
Beliar sieht total erleichtert aus. „Leg dich hin“, verlangt er. Nein bitte, trag mir das stinkende Zeug nicht auf meine Haut auf. Davon krieg ich noch Ausschlag oder Ebola.
Ich habe aber keine Wahl, wenn ich mich nicht selbst verraten will. Beliar zieht mir außerdem schon das Shirt über den Kopf.
Der Seher sagt, es wird wie Feuer brennen. Na toll, das sind ja gute Aussichten. Schätze, da muss ich jetzt durch. Wobei wir wieder beim Unglück wären – so schließt sich der Kreis.
Ich tue, was er sagt und lege mich bäuchlings auf die Matratze. Beliar nestelt an meinem BH, kriegt ihn aber nicht auf. Tja, zumindest das haben die Männer aus dem Mittelalter mit den Kerlen aus meiner Zeit gemeinsam. Ich helfe ihm, den Verschluss zu öffnen. Als ich eine Berührung an meinem Rücken spüre, zucke ich sogar leicht zusammen.
„Erschreckst du dich bereits vor meinen Küssen?“, stößt er überrascht aus. Verdammt. Glücklicherweise waren es nur Beliars Lippen, die er über meinen Körper zieht. Noch, wohlgemerkt.
„Meine Haut ist sehr empfindlich in dieser Zeit“, rede ich mich raus.
„Sie ist wie Seide. Ich habe nie etwas Geschmeidigeres berührt“, schwärmt er. „Du bist wunderschön“, haucht er mir ins Ohr, während er meinen Hals küsst. Ich stöhne sogar vor Wonne. Er ist wohl noch auf Kuschelkurs. Die Betonung liegt hierbei auf „noch“.
Als er die Salbe auf meinen Rücken aufträgt, zucke ich wieder zusammen. Das brennt wie Feuer, ich halts nicht aus.
„Hope?“, fragt er, wahrscheinlich in Bezug auf meine erneute Zuckung.
„Die Salbe ist kalt“, lüge ich. Er beginnt, sie auf meinem ganzen Rücken zu verreiben. Ich stöhne, diesmal aber vor Schmerz. Verdammt.
Schnell werfe ich ein „Hmmmm, das tut so gut Beliar“ hinterher. Von wegen, ich verrecke gleich. Das ist vergleichbar mit glühenden Kohlen, die er mir gerade auf den Rücken presst. Auch wenn ich es wollte, das Dauerstöhnen könnte ich nicht unterdrücken.
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