Mann, jetzt bin ich echt deprimiert. Ja und vielleicht suche ich gerade nach Falten unter meinen Augen. Die blöde Hexe, die ihm Nadar untergeschoben hat, weist sicher keinen einzigen Makel auf – an ihr sehen selbst die abstehenden Ohren gut aus.
War ja klar, dass Beliar gleich auf dieses Trojanische Pferd aufspringt. Objektiv betrachtet ist sie seine Traumfrau. Die unterwürfige Dienerin, die ihm alle Wünsche von den Augen abliest. Nicht die zickige Neuzeithexe, die einen auf emanzipiert macht und schon mal aus Prinzip nicht das tut, was er von ihr verlangt.
Da ich aber absolut nicht vorhabe, mich in dieser Hinsicht in irgendeiner Art und Weise zu verstellen, würd ich eher einen Besen fressen, als seinem vermeintlichen Ideal zu entsprechen. Entweder er nimmt mich so, wie ich bin oder … Ich merke gerade, wie überaus unwahrscheinlich es ist, dass er sich für mich entscheidet, sollte ich nicht die sein, die ich bin. Nachdem ich ja kaum etwas zu bieten habe, außer meinem Namen. Was bleibt dann noch von mir, frage ich mich die ganze Zeit über?
Okay, dieser Quacksalber schafft es sogar schon, dass ich selbst an meiner Identität zweifle. Mann, ist das ein heilloses Durcheinander.
Gut, dass Beliar erst in ein paar Tagen zurückkommt. Ich will nämlich noch ein bisschen runterkommen, bevor er versucht, mich zu hintergehen. Zum Schluss kann ich mich nicht zurückhalten und die „ Besessene “, für die er mich hält, bricht durch. Oder die Heulboje, kommt drauf an, wie weit mich bis dahin schon die Midlife-Crisis im Griff hat.
Warte mal. Hör jetzt sofort auf damit, in Selbstmitleid zu zerfließen, ermahne ich mich. Der Seher hat recht. Ich bin eine Frau aus dem 21. Jahrhundert. Auch ohne Männer sind wir überlebensfähig. Ich bin Hope Dewitt beau Ador verdammte Scheiße nochmal – und das zeige ich jetzt auch.
Schnell krame ich in meinem Schrank nach meinen Hotpants und dem bauchfreien Shirt. Ich brauch jetzt einen Schuss Neuzeit, bevor ich durchdrehe.
Zurück im Wohnzimmer lasse ich mit einer Handbewegung die Couch inklusive Tisch verschwinden, damit ich Platz habe und drehe MTV auf Anschlag auf.
Mann, tut das gut. Ich beginne sogleich Musikvideos nachzuträllern und zu tanzen. So, wie ich es eigentlich immer getan habe, wenn ich mal abschalten wollte. Damals, als ich noch ein „normaler“ Teenager war, dessen einziger Grund, graue Haare zu bekommen, der Kampf gegen die drohende Zahnspange war. Es kommt mir vor, als wäre es ein anderes Leben gewesen, das unendlich weit zurückliegt.
Gerade läuft „ Single Ladies “ von Beyoncé. Passt doch perfekt. Nach all den Jahren, die ich vor der Glotze verbracht habe, kann ich die meisten Videos auswendig. Ist irgendwie befreiend.
Christina Aguileras „ Express “ aus dem Film Burlesque startet genau in dem Moment, als Beliar zur Tür reinkommt. Verdammt , wieso ist er schon zurück? Ich hab doch noch gar keinen Plan.
Mein Selbstbewusstsein fällt wie ein Kartenhaus in sich zusammen und der Kerl, der soeben sexy am Türrahmen lehnt, ist der Windstoß, der es umfegt. Der Schock über seine frühe Rückkehr sitzt mir kurz in den Knochen, aber ich balle die Fäuste, lächle ihm lasziv zu und beginne zu singen. Dabei denke ich daran, dass das hier mein Spiel ist. Wenn er glaubt, ich würde nicht kämpfen und die Waffen einer Frau ausspielen, hat er sich in mir getäuscht. Ich hexe mir einen Stuhl, damit das hier auch eine gute Show wird.
Wollen mal sehen, wer hier die Ador-Hexe ist, die dir gleich ganz ohne Zauberkräfte den Kopf verdrehen wird. Natürlich lasse ich es mir nicht nehmen, mich sexy auf dem Stuhl zu räkeln und ihn dabei keine Sekunde aus den Augen zu lassen. Ich ziehe ihn förmlich mit meinen Blicken aus.
Die Wut in meinem Bauch heizt mich noch zusätzlich an. Ich gebe alles, baue meine Tanzelemente ein und lasse mich vollkommen gehen. Die Faszination in seinem Blick gibt mir zugegebenermaßen die Genugtuung, die ich im Moment bitter nötig habe.
Um ihn noch mehr um den Finger zu wickeln, komme ich auf ihn zu, ziehe ihn an der Hand in die Mitte meines Tanzbereiches, werfe das Bein hoch an seine Schulter und drücke ihn auf den Stuhl. Er stöhnt, als ich mich rücklings auf seinen Schoß setze und mein Becken kreisen lasse. Ja Baby, genieße es. Das ist alles, was du von mir bekommst.
Wenn er sich mit mir anlegt, muss er damit rechnen, dass das hier überaus gemein wird, denn ich habe vor, ihn zuerst so richtig schön aufzuheizen, bevor ich ihn eiskalt abblitzen lasse. Ich werde ihm den Verstand rauben, bis es ihm egal ist, wer oder was ich bin. Zumindest vorerst, bis ich einen besseren Plan habe.
Sogleich drehe ich mich um, lasse mich vor ihm in einen Querspagat fallen, nur um mich daraufhin wieder auf seinen Schoß zu setzen. Diesmal aber so, dass ich ihn ansehen kann. Ich will auf jeden Fall sein Gesicht sehen, wenn ich gleich die Notbremse bei voller Fahrt ziehe.
Plötzlich bricht seine Selbstbeherrschung weg. Mit einem männlichen Laut krallt er sich in meinen Nacken. Keinen Wimpernschlag später spüre ich seine Lippen auf den meinen.
Der Kuss ist so wild, dass selbst ich dahinschmelze, obwohl ich wütend auf ihn bin. Zu meiner Verteidigung: Der Mann weiß einfach, wie man eine Frau anfassen muss. Wenn ich nicht aufpasse, raubt er mir den Verstand. Vor allem weil ich spüre, wie erregt er bereits ist.
Er lehnt sich mit mir vor. Kurz drohe ich, rücklings vom Stuhl zu fallen, kralle mich an seinem Nacken fest, doch er drückt sich immer weiter auf mich. Wir fallen und landen sanft auf der Couch. Er muss sie hierher zurückgehext haben, als ich durch seine heißen Küsse abgelenkt war. Sein Körper kommt auf meinem zu liegen.
„Du verstehst es, einem Mann die Sinne zu rauben. Ich bin nie einem schöneren Geschöpf als dir begegnet“, haucht er mir ins Ohr. Verdammt, ich will diesen Kerl, auch wenn er mich nicht verdient hat.
„Auch das war nicht für die Augen anderer bestimmt“, erkläre ich.
„Dann bin ich zur rechten Zeit gekommen.“ Beliar beginnt bereits Küsse auf meinen Bauch zu verteilen. Ich schließe die Augen, weil das so guttut.
Meine Hände krallen sich in der Couch fest. Mann, diese Keuschheitsnummer ist schwerer durchzuhalten, als ich dachte, aber schlussendlich stoppe ich ihn mit einem bestimmten „Beliar“ – das Efeublatt vor Augen.
Er taucht wieder über meinem Kopf auf und legt mir den Finger auf die Lippen. „Schhhh, lass dich fallen, Hope. Schlaf mit mir“, verlangt er. Halleluja, jetzt packt er die Waffen eines Mannes aus.
Mit rauer Stimme ziehe ich nun endgültig die Reißleine, bevor ich hier im freien Fall aufschlage. „Ich kann nicht.“
Beliar stoppt das Knabbern an meinem Hals und sieht mich überrascht an. „Weshalb?“, will er wissen.
Verdammt, jetzt muss ich wieder mal tief in die Weibchenkiste greifen. „Weil ich das hab, was Frauen so haben … einmal im Monat.“ Das ist nicht mal gelogen. Hoffentlich hält es ihn mir vom Leib.
Beliar streichelt meine Locken und erklärt: „Das macht mir nichts aus.“ Ich reiße die Augen auf. Alarmstufe Rot, im wahrsten Sinne des Wortes. Das geht ja mal gar nicht.
„Schön für dich, aber glücklicherweise habe ich dabei auch noch etwas mitzureden“, stoße ich energisch aus.
„Ich werde ganz vorsichtig sein“, verspricht er. Ja, das kann ich mir vorstellen. Und dabei wirst du mir ganz „vorsichtig“ das Efeublatt unterjubeln.
„Lass uns doch einfach nur kuscheln“, schlage ich vor. Ich fass es nicht, dass ich das gerade gesagt habe.
Sein Blick spricht Bände, aber er drängt mich nicht dazu. Stattdessen zieht er mich in seine Arme und streichelt über meinen Rücken. Er hat sichtlich Mühe, runterzukommen.
„Ich hole uns etwas zu trinken“, informiert er mich, bevor er aufsteht.
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