Zurück zu meiner ersten Theoriestunde mit dem äußerst spannendem Thema „Verkehrsschilder“. Schnell stellte sich heraus, dass ich gegenüber meinen Mitschülern einen kleinen Wissens- Vorsprung hatte. Wobei die schleppende Kommunikation auch daher herrühren konnte, dass über der Hälfte der anwesenden Schüler anscheinend der deutschen Sprache nicht ganz mächtig waren. Nun ich nahm es gelassen hin. Allerdings regte es mich doch schon irgendwie auf, dass gerade die, um die man sich am meisten bemühte, einen gelangweilten Eindruck machten. Es hätte bei etwas mehr Engagement viel schneller gehen können.
Des Weiteren kamen auch ständig welche zu spät. Das war da so „gang und gebe“. Na ja, was soll es- Hauptsache ich lerne etwas. Nach diesen ersten Eindrücken und Dutzenden von Verkehrszeichen machte man mich darauf aufmerksam, dass es noch eine zweite Filiale gebe, die an zwei anderen Tagen Theoriestunden anbot. Erfreut über die Möglichkeit die lästigen Theoriestunden innerhalb von drei Wochen zu bewältigen, ließ ich mir die Adresse geben- ohne zu wissen, was mir blüht.
Gleich am nächsten Tag machte ich mich mit meinem Drahtesel auf den Weg zur anderen Geschäftsstelle. Bis zum Hermannplatz war noch alles im „grünen“ Bereich. Aber ich sollte noch Bekanntschaft mit der anschließenden Hermannstraße machen. Die ist so steil, dass es selbst als Autofahrer unangenehm ist sie zu benutzen. Glücklicherweise musste ich nur insgesamt sechs mal dort hinauf zur kreuzenden Flughafenstraße. Hier empfing man mich freundlich mit einer Tasse Kaffee, bevor man sich an den trockenen Stoff traute. Für mich als bekennender Kaffee-Junkie die besten Voraussetzungen.
Inhaltlich ist hiervon eigentlich nichts erwähnenswert. Höchstens, dass ich mir die Zeit mit eifriger Mitarbeit verkürzte. Dabei half der dortige Fahrlehrer fleißig mit, indem er häufig früher Schluß machte. Im Prinzip hätte ich mir die Hälfte der Zeit, die teilweise ich dort einfach nur absaß, sparen können. Aber bekanntlich muss man für die Theorieprüfung 12 „Trockenübungsstunden“ vorweisen. Auf jeden Fall war ich nach den drei folgenden Wochen fast fit für Olympia, so wie ich den „Mount Everest“ der Bezirksgrenzen zwischen Kreuzberg und Neukölln gemeistert habe. Die Steigung ist ja nicht das einzige Problem. Die Straße macht innerhalb der Steigung auch so eine eckelige Biegung. So weiß man unten noch nicht, was einem oben oder schon auf der Streckenhälfte erwartet. Das kann bei dunklen Tageszeiten zu überraschenden Begegnungen führen, weil nicht alle Verkehrsteilnehmer im Besitz eines Fahrradführerscheins oder eines Autoführerscheins sind. Daher war ich nicht nur körperlich, sondern auch physisch total gefordert. Im Ausgleich zum Hochquälen war die Rückfahrt nach getaner Arbeit umso schöner. Wenn dann die Ampel kurz vor dem Hermannplatz auch noch grün hatte und kein Idiot bei „Rot“ unten am Hermannplatz die Kreuzung überquerte, war das einfach herrlich.
DIE ALLERERSTE FAHRSTUNDE
Am letzten Schultag vor den Winterferien sollte es passieren. Ich war vor der ersten Begegnung mit dem schwarzen „Golf 4“, ein mittelklassiger Kleinwagen, mächtig aufgeregt. In der Fahrschule beruhigte man mich. Endlich –um zwölf Uhr trat ein etwas korpulenter Herr mit Halbglatze mittleren Alters herein und begrüßte mich als seinen Fahrlehrer. Das war der Beginn einer letztendlich unerfreulichen Bekanntschaft.
Bevor er mich ans Steuer ließ, fuhren wir in ein etwas verkehrssicheres Gebiet. Eigentlich fuhr mein Fahrlehrer diese erste kurze Strecke. Damit meine ich allerdings keinen Parkplatz oder so. Es ging tatsächlich sofort in echte 30er-Zone.
Schnell waren Sitz und Spiegel eingestellt, die fortan meine ganz speziellen Freunde werden sollten. Kurz testen, ob alles passte. Kupplung und Bremse treten, Zündschlüssel drehen und Handbremse lösen. Schon bei diesen Aktionen traten die ersten beiden Probleme auf. Aufgrund meiner fehlenden Zentimeter- wie ich immer zu sagen pflege- klappte das mit der Kupplung nicht optimal. Auch der Zündschlüssel wollte sich erst drehen, als ich ihm gut zusprach. Das wiederum hat nichts mit der Körpergrösse zu tun. Jedoch Probleme sind dazu da, gelöst zu werden. Irgendwie und mit Trick 17 war beides später überlistet und ich konnte die ersten Meter motorisiert zurücklegen.
Also, noch einmal: Kupplung treten, Handbremse lösen, Zündschlüssel drehen, ein wenig Gas Vorgas geben und vorsichtig die Kupplung kommen lassen. Mit viel Feingefühl rollte der Wagen los. Diesen Moment, als sich der Wagen unter mir mit 50PS bewegte, werde ich so schnell nicht vergessen. Jedoch noch ehe er so richtig ins Rollen kam, sollte ich schon wieder anhalten. Das Bremsen war nicht allzu spannend. Die ganze Prozedur wiederholte ich ein halbes Dutzend Mal. Bei allen meinen Versuchen büchste mir der Wagen nicht ein einziges Mal aus, wie man es in einigen Werbespots sieht. Mein Fahrlehrer bemerkte dies und hielt damals noch ganz große Stücke auf mich. Leider änderte sich seine Einstellung nach wenigen Monaten.
Nachdem das Anfahren wirklich bestens ging, gingen wir zu Lektion zwei über. Abbiegen. Man hätte es auch als Lenkübung deklarieren können. Ich sollte, während mein Fahrlehrer auf den Verkehr achtete, um die Ecke fahren. Das war schon ein wenig schwieriger. Obwohl wir uns im Scheckentempo bewegten, war damals an eine Blickabfolge meinerseits nicht zu denken.
80 Minuten später war der ganze Spuk vorbei. Ich hatte meine allererste Fahrstunde überstanden.
Obwohl die Stunde, wie bereits erwähnt nur 80 Minuten dauerte, nervte ich meine Mutter mindestens eine Woche lang mit meinen Erzählungen.
DIE ERSTEN ERLEBNISSE, DIE MAN HERAUSHEBEN SOLLTE
Immer noch vom anfänglichen Enthusiasmus begleitet, nahm ich Fahrstunde um Fahrstunde. Als mein Fahrlehrer irgendwann mal im Urlaub war, war das wie Entzug. Jede Stunde hatte ich eine neue Herausforderung zu bewältigen. Immer neue Eindrücke aus dem Leben eines Autofahrers stürzten auf mich ein und wurden anfänglich nur sehr schwer verdaut. Aber es machte riesigen Spaß, die Stadt bzw. Kreuzberg und Neukölln aus dieser ganz besonderen Perspektive kennen zu lernen. Es gibt halt einen Unterschied zwischen Beifahrer- und Fahrersitz. Dies erkannte ich schon zu dieser Zeit sehr deutlich. Die Aufregung vergaß ich ebenfalls ganz schnell. Voller Konzentration tauchte ich in die Welt der roten Ampeln, Sackgassen, verkehrsberuhigten Bereiche und „Verkehrsrowdies“ ein.
Das erste lutzige Erlebnis hatte ich bei meiner sechsten Fahrstunde: Mein Fahrlehrer und ich hielten uns gerade in der Straße auf, wo ich das Anfahren gelernt hatte. Wir beschäftigten uns mit den Eigenheiten des Abbiegens. Was ich damit meine? Na ja, kleine Kinder, die man erst kurz vor dem Zusammenprall erblickt oder Fußgänger, die sich nicht entscheiden können, ob sie Straße überqueren wollen oder nicht oder „Verkehrsrowdies“, die die gesamte Straße für sich beanspruchen oder Autos, die an der ungünstigsten Stelle der ganzen Umgebung in zweiter Spur stehen oder, oder, oder. Stundenlang könnte ich die Liste noch fortsetzen. Für den Anfang reicht das, oder? Ich komme später an passender Stelle darauf zurück. Nun, während mein Fahrlehrer mich in die Geheimnisse oder auch Tücken des Abbiegens einweihte, wobei wir in zweiter Spur standen, kam ein junger Mann auf uns zu fragte mich, ob ich gerade Prüfung hätte. Meiner Menschenkenntnis nach zu urteilen, schien es wirklich ernst gemeint zu sein und ohne jegliche Hintergedanken. Ich verneinte so freundlich wie er gefragt hatte. Daraufhin entschuldigte er sich für die Störung und wünschte mir mit einem angenehmen Lächeln viel Erfolg auf meinem Weg. Er war von meinem Können durchaus überzeugt. Trotzdem war er absolut nicht mein Typ. Hinterher wusste ich nicht, was ich davon halten sollte. Heute kann ich darüber herzhaft lachen. Wir beendeten die Fahrstunde ohne weitere eigenartige Vorkommnisse.
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