1 ...8 9 10 12 13 14 ...26 Gespenstisch wirkte sein Gesicht und seine Augen lösten einen Schauer in Cathy aus, der ihr am ganzen Körper eine Gänsehaut bescherte. Sie sah den Stapel Dollarscheine, den er an Jasmin übergab und sie ahnte Böses, was sie dafür erwarten würde. Er zahlte sicherlich nicht ohne Gegenleistung so viel! Mit Bauchschmerzen ging sie hinein und sah schweren Herzens Jasmin davon gehen. Sie würde zwar nicht lange wegbleiben, aber dennoch war Cathy mulmig zumute. Langsam ging sie hinein und automatisch ins Schlafzimmer, um sich ihr Kostüm der Albträume anzuziehen. Es ekelte ihr davor, aber noch viel schlimmer war es die eisig blauen Augen in ihrem Rücken zu spüren, die sie ununterbrochen musterten und anstarrten. Nie hatte es ein Mensch bisher geschafft, dass sie sich durch seine Blicke in ihrer eigenen Haut nicht mehr wohlfühlte. Was hätte sie jetzt gegeben, wenn sie an einem anderen Ort sein könnte.
Samstag, 05.04.2008, Boston, 09:24 Uhr
Gerädert und mit Schmerzen am ganzen Körper, die durch die geringsten Bewegungen noch verstärkt wurden, quälte sich Catherine aus dem Bett. Schon als Matthew sie gezwungen hatte wieder zu dem Psychopathen zu gehen, hatte sie mit dem Gedanken der Flucht gespielt. Nach Stunden der Pein, in denen er brutal über sie hergefallen war und sie anschließend wie einen reuigen Hund rausgeschmissen hatte, reifte ihr Plan zur Flucht endgültig. Die größte Enttäuschung war aber Jasmin, die vor der Tür stand und unmöglich ihre Schreie überhören hatte können. Dennoch hatte sie nicht wie versprochen eingegriffen, sondern Catherine die volle Tortur ertragen lassen. Nur auf Jasmins Schulter gestützt, war sie überhaupt torkelnd nach Hause gekommen. Unfähig sich ihrer Kleidung zu entledigen, geschweige denn, um zu duschen. Diese Nacht wollte sie nie wieder erleben! Daher musste sie schleunigst verschwinden, bevor die beiden aufwachten. Mit der gepackten Tasche schlich sie zur Tür und drückte leise die Klinke hinunter. Sie wartete auf das Klicken des Riegels, der sich aus dem Schloss löste, doch es geschah einfach nichts. Erneut probierte sie es und drückte wieder die Klinke hinunter. Doch weiterhin war die Tür geschlossen und schien irgendwie zu klemmen. Nach dem vierten Mal wurde ihr schließlich die erdrückende Realität bewusst – sie war eingesperrt! Verzweifelt rüttelte sie an der Klinke und zog daran, doch sie erbarmte sich nicht und blieb unermüdlich fest verschlossen. Jede Bewegung tat ihr weh und trotzdem schlug sie fest mit der Faust gegen die Tür. Sie polterte minutenlang, ehe sie überhaupt eine Reaktion vor der Tür mitbekommen hatte. Matthew war durch den Lärm aufgewacht und über den langen Flur zu ihrem Zimmer unterwegs.
„Hör auf mit dem Krach und leg dich wieder hin. Es ist noch viel zu früh!“, maulte er sie an.
„Lass mich hier raus! Du kannst mich nicht einsperren!“, schrie sie vor Verzweiflung.
„Und ob ich das kann, wie du siehst“, antwortete er dreist. „Leg dich hin und schlaf dich aus. Heute Abend gehst du mit Jasmin wieder raus!“
„Aber mir tut alles weh. Das kannst du nicht machen!“, flehte sie ihn an.
„Dann solltest du dich umso mehr ausruhen. Und wage es ja nicht abzuhauen. Ich werde dich suchen und finden! Vergiss nicht, ich weiß wo deine Mutter ist. Also überlege es dir gut, was du tun wirst“, drohte er ihr und schlurfte den Flur wieder zurück ins sein Zimmer.
Deprimiert und am Boden zerstört ließ sie sich zurück auf ihr Bett fallen und ihren Tränen freien Lauf. Wie hatte sie sich nur so lange von ihm und Jasmin täuschen lassen können? Sie konnte machen, was sie wollte, er würde sie nie gehen lassen. Und wenn, dann würde er sich ihre Mutter schnappen und die Carringtons erpressen. Sie konnte es hin oder her drehen, es gab keine Lösung, die nur annähernd akzeptabel gewesen wäre. Erschöpft und nahe einem Nervenzusammenbruch schlief sie unerwartet wieder ein.
Freitag, 08.08.2008 Boston, 22:20 Uhr
Jasmin schleppte Candy hinter sich her. Mittlerweile war auch Cathy übergegangen sich an ihren Nuttennamen zu gewöhnen. Jasmin war ungewöhnlich aufgekratzt und bester Laune, die Candy sich beim besten Willen nicht erklären konnte. Aber es ging ihr auch nicht gut genug, um es herausfinden zu wollen. Seit sie auf den Strich ging war ihr Bedarf an Drogen drastisch gestiegen, wogegen Matthew ihren Drogenkonsum ständig kontrollierte, um sie weiterhin gefügig und willenlos zu halten. Daher hatte er ihre zustehenden Drogen nach dem Einkommen gestaffelt, dass sie nach Hause brachte. Und wenn dann so ein lausiger Tag, wie der gestrige dabei war, an dem sie zu wenig verdiente, strich er ihr einfach ihre Ration der Drogen. Und mit genau diesen Auswirkungen des Entzugs hatte sie gerade zu kämpfen. Okay, es war noch am Anfang, aber jeder Junkie kannte das unruhige Gefühl in einem, die zitternden Hände, die Übelkeit und das ständige Denken an Drogen, das zwar noch zu ertragen war, aber sicherlich keinesfalls als angenehm zu bezeichnen war. Richtig unangenehm wurde es erst später, das wusste sie bereits aus eigener, schmerzlicher Erfahrung.
„Was ist denn los mit dir, Candy?“, fragte schließlich Jasmin nach.
„Mir ist kotzübel und ich will nach Hause. Kannst du den nächsten Kerl nicht einfach alleine erledigen?“
„Wenn ich es alleine könnte, hätte ich dich Jammerlappen sicherlich nicht mitgenommen. Du lässt dich ganz schön hängen! Mann Candy, mittlerweile solltest du dich schon daran gewöhnt haben!“, schnauzte sie Cathy an.
„Ich bin es einfach nur leid und will nach Hause. Wo gehen wir überhaupt hin?“, fragte sie nach.
„Zum absoluten Glücksgriff. Ein reicher Geschäftsmann, der nach einem Abenteuer zu dritt sucht. Stell dir vor, er zahlt ohne mit der Wimper zu zucken 500 $ die Stunde für uns.“
„Also wieder einer, der sich schon im Vorfeld verraten hat, bevor du den Preis mitteilen konntest!“, schloss Cathy aus der Aussage.
Das war nicht unüblich. Warum sollte man für die gleiche Arbeit nicht mehr nehmen, wenn man auch mehr bekommen konnte? Nachfrage und Angebot regelten wie überall den Preis. Deswegen war jede Prostituierte bei der Telefonannahme darauf getrimmt, so viel wie möglich im Vorfeld über den Freier herauszufinden, damit der Preis dann automatisch nach oben korrigiert werden konnte. Sie standen vor dem Carrington Hotel und Jasmin blickte ehrfürchtig nach oben.
„Baby, heute heißt es Luxus! Wir sind zu zweit, was soll da schon Unerwartetes kommen? Irgendein alter, reicher Knacker, der zu Hause nicht das bekommt, was er will. Vermutlich ist er in 5 Minuten am Ende und zahlt uns 500 $ dafür.“
Sie gingen hinein und unauffällig zu den Fahrstühlen, ehe einer des Personals sie bemerken konnte. Auch wenn Gäste des Hotels sich Prostituierte bestellten, so war das Personal des Carrington dennoch angewiesen, sie zu vertreiben, um den guten Ruf nicht zu verlieren. Das war auch allgemein bei den Prostituierten bekannt. Unauffällige Kleidung und Benehmen waren daher oberste Priorität, wenn es um die Nobelhotels ging und man sich nicht ein lebenslanges Hausverbot einhandeln wollte, was schlichtweg das KO Kriterium für alle reichen Freier war. Die Türen gingen auf und die beiden verschwanden schnell unbemerkt im Fahrstuhl. Jasmin suchte an der Leiste mit der Zimmeraufteilung in welches Stockwerk sie fahren mussten.
„Scheiße. Der Kerl wohnt in der Nobelsuite des Hotels. Ich hätte mindestens 1000 $ verlangen müssen! Das kann er sich bei den Zimmerpreisen hier immer noch bestens leisten“, fluchte Jasmin.
Sie drückte auf den Knopf für die 10. Etage und ärgerte sich über sich selbst, ohne auf Candy weiter zu achten. In Gedanken überlegte sie sich Zusatzleistungen, die sie ihm schmackhaft machen wollte und somit automatisch eine Gehaltsverbesserung darstellten. Keine unübliche Praxis und wenn die Freier einmal heißgemacht waren, zahlten sie sowieso jeden Preis, denn keiner wollte in dieser Situation noch darauf verzichten! Oben angekommen hatte sie ihre Strategie so ziemlich fertig und ging zielstrebig auf die Zimmertür Nummer 1030 zu. Schon von außen war der Flur und die wenigen, weit voneinander liegenden Türen pompöser gestaltet, als die anderen Zimmer, die Jasmin bisher kannte. Auch Catherine war bislang nie in dieses Stockwerk gekommen und staunte nicht schlecht. Jasmin klopfte und trat einen Schritt zurück. Sie hatte gelernt, dass alte Knacker nicht mehr so gut sahen und Jasmin für sie besser zu erkennen war, wenn sie nicht so nah am Türspion stand. Sie hörte Schritte und einen Moment später, wesentlich früher als sie erwartet hatte, wurde die Tür geöffnet. Jasmin war beunruhigt, als sie den jungen, gutaussehenden Mann vor sich sah. Er gehörte auf den ersten Blick nicht zu der Kategorie Männer, die mit Prostituierten verkehrten und sich Frauen kaufen mussten. Garantiert würde ihm jede Frau freiwillig hinterherlaufen. Das hatte nur eines zu bedeuten: spezielle, sexuelle Vorlieben und vor allem körperliche Gewalt. Sie konnte beobachten, wie er Candy mit Neugier beobachtete und war froh, so aus dem gröbsten draußen zu sein. Sie konnte sich Candys Gedanken und Panik bereits denken und musste sich nicht einmal umdrehen, um ihren Gesichtsausdruck bildlich vor sich zu sehen. Doch dadurch entging ihr das Entsetzen und die Überraschung, die Cathy im Gesicht stand. Der ganze Tag war einfach zu viel für sie und sie stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch. „Was zum Teufel machte Mike denn hier“, war ihr erster Gedanke, gefolgt von „oh Gott, was denkt er von mir, wenn er mich so sieht“ und „seit wann geht er überhaupt zu Nutten?“. Hatte er das schon immer getan und sie hatte ihn völlig falsch eingeschätzt? Für Cathy brach eine Welt zusammen und gleichzeitig spielte sich wie in einem Film ihr früheres Leben mit Mike in der Kindheit ab. Die Situation und das Ganze waren so abwegig, dass ihr schlichtweg die Worte fehlten. Daher war sie froh, dass Mike das reden übernahm.
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