Narcia Kensing
Purpurner Nebel: Undying Blood 3
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Inhaltsverzeichnis
Titel Narcia Kensing Purpurner Nebel: Undying Blood 3 Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel eins
Kapitel zwei
Kapitel drei
Kapitel vier
Kapitel fünf
Kapitel sechs
Kapitel sieben
Kapitel acht
Kapitel neun
Kapitel zehn
Kapitel elf
Kapitel zwölf
Kapitel dreizehn
Kapitel vierzehn
Kapitel fünfzehn
Kapitel sechzehn
Kapitel siebzehn
Hinweis an den Leser
Weitere Werke der Autorin
Impressum neobooks
Holly
Das Licht der aufgehenden Spätsommersonne bricht sich tausendfach auf der Wasseroberfläche. Kühl perlen die Tropfen durch meine Finger, laufen meine Arme bis zum Ellenbogen hinab und durchfeuchten die Ärmel meines dunkelblauen Shirts. Es ist mir egal, wenn ich nass werde, denn mein Herz erfreut sich seit Wochen zum ersten Mal wieder am Wunder eines anbrechenden Tages und an der Reinheit von klarem Wasser, das ich mit den Händen schöpfen kann. In der Zentrale gab es nur Duschen, deren harter Strahl unangenehm auf der Haut brannte. Dort roch es immer nach Reinigungsmitteln, nicht so erdig und frisch wie ein früher Morgen.
Noch einmal tauche ich meine Hände in den kleinen See und benetze mein Gesicht. Wir verfügen auch im Lager über Trink - und Waschwasser, aber dort müssen die Mitglieder der Rebellengruppe es aus einem nahe gelegenen Brunnen schöpfen. Cade und ich sind heute morgen vor Tagesanbruch fast drei Meilen von Newark aus nach Nordosten gegangen, in ein unbebautes Stück Land hinein, auf dem sich Wiesen und kleine Wälder wie Farbkleckse in einer Landschaft aus Betonleichen und verfallenen Ruinen verteilen. Den Korb, den Susan mir mitgegeben hat, habe ich unweit des Ufers abgestellt. Dann habe ich mir die Schuhe ausgezogen und bin quietschend vor Freude zum Wasser gelaufen. Ach, hätten wir doch Shelly mitgenommen! Sie hätte sicherlich viel Freude daran gehabt, doch sie ist bei Susan und den anderen geblieben. Susan kümmert sich gut um das Mädchen, und obwohl ich sie erst seit einem Tag kenne, mag ich sie jetzt schon. Shelly ist bei unserer Ankunft gestern Nachmittag sehr müde und erschöpft gewesen, sie ist fast augenblicklich in einem der drei Zelte eingeschlafen, als Susan ihr eine Decke und ein Kissen gegeben hat. Es erschien uns das Beste, dass wir sie schlafen lassen und heute früh allein losziehen, um Beeren zu sammeln. Ich hatte freilich keine Ahnung, was Beeren sind und wie sie aussehen. Mit verdutzter Miene habe ich den Korb entgegen genommen und ratlos die Augenbrauen gehoben, als Susan ihr glockenreines Lachen ertönen ließ und sich darüber amüsierte, dass ich vom Überleben im Großstadtdschungel rein gar nichts weiß. Ich war erleichtert, als Cade sich angeboten hat, mich zu begleiten. Es sei besser, wenn ich nicht ohne Schutz ginge, sagte er.
In der letzten Nacht konnte ich nicht schlafen. Ich habe neben Shelly im Zelt gesessen und sie beim Schlafen beobachtet, dabei immer wieder über ihr kurzes Haar gestrichen. Irgendwann - es war noch dunkel - bin ich vor das Zelt gekrochen, um die kühle frische Luft in meine Lungen zu saugen. Cade lehnte an einem Baum, der krüppelig und knorrig neben der Senke, in der die Zelte stehen, seine ausladenden Äste über das Lager streckt. Cade schläft nie, und ich hatte den Eindruck, dass er meine Gesellschaft genossen hat. Lange haben wir schweigend nebeneinander gesessen. Ich habe meinen Kopf an seine Brust gelegt und seinem kräftigen regelmäßigen Herzschlag gelauscht. Irgendwann hat er mir flüsternd erzählt, was er seit unserer übereilten Trennung vor vielen Wochen erlebt hat. Dass sein Quartier und die Maschine für immer zerstört seien, dass es andere Wandler wie ihn gäbe, die nach meinem Blut trachteten und dass er fortan sippenlos und auf der Flucht sei. Ich habe ihm zugehört, seiner leisen dunklen Stimme gelauscht und versucht, mich von meinen eigenen Sorgen abzulenken. Von nun an bin ich ebenfalls auf der Flucht - allein, ohne Neal. Es bricht mir noch immer das Herz, ihn für immer verloren zu haben.
Irgendwann muss ich dennoch eingeschlafen sein, denn das Geräusch eines Reißverschlusses hat mich hochschrecken lassen. Es war Susan, die aus ihrem Zelt kroch. Sie sagte, sie stehe jeden Morgen so früh auf, um Wasser zu erhitzen und das Frühstück vorzubereiten. Als sie mich fragte, ob ich Lust hätte, frische Beeren zu suchen, habe ich zugestimmt. Ich komme mir ohnehin vor wie ein Eindringling in ihrem Lager, da erschien es mir nur richtig, wenn ich mich nützlich mache.
Richard, von dem ich seit gestern weiß, dass er mein totgeglaubter Vater ist, ist noch am frühen Abend mit dem Auto losgefahren, um Jamie und Sarah zu suchen, die beiden Rebellen, die Cade, Shelly und mir vor dem Einkaufszentrum das Leben gerettet haben. Sie sind bis heute morgen nicht zurückgekehrt. So gerne hätte ich Richard mit Fragen gelöchert, aber er hat mir nur zärtlich über das Haar gestrichen, mich auf die Stirn geküsst und gesagt, dass wir es nachholen würden. Die ganze Nacht über sind mir zermürbende Gedanken durch den Kopf geschossen - wie hätte ich da schlafen sollen? Ich möchte wissen, was aus meiner Mutter geworden ist und wie Richard es geschafft hat, aus Manhattan zu fliehen. Doch ich fürchte, ich werde bis zum Frühstück warten müssen, um ihm diese Fragen stellen zu können. Ich hoffe, dass er schnell und unverletzt zurückkehrt. Ich habe Verständnis dafür, dass er seine beiden Kollegen suchen muss. Ich habe sechzehn Jahre lang auf Antworten warten müssen, da kommt es auf ein paar Stunden sicherlich nicht mehr an.
Der Weg zu dem Ort, an dem die stacheligen weichen Beeren wachsen, kam mir sehr weit vor, doch es machte mir nichts aus. Ich genoss es, Arm in Arm neben Cade zu gehen - seit Wochen endlich wieder einmal keine unmittelbare Bedrohung im Nacken zu spüren.
Ich stecke meinen Fuß ins Wasser, es wirft ringförmige Wellen, die das Sonnenlicht auf der Oberfläche tanzen lassen.
»Sieht aus wie Diamanten, oder?«, fragt Cade, der in sicherem Abstand zum See im trockenen derben Gras sitzt und die Arme um die angezogenen Knie gelegt hat.
Ich hebe den Blick, ziehe meinen Fuß aus dem eiskalten Wasser, nehme meine Schlappen in die Hand und gehe zu ihm. »Diamanten?«
»Edelsteine, funkelnde kleine Dinger, die sehr wertvoll sind.« Er lächelt, erhebt sich und streckt den Rücken. »Schade, dass du nie welche gesehen hast. Sie sind wunderschön.«
»Das glaube ich, wenn sie aussehen wie glitzerndes Wasser. Vielleicht werde ich eines Tages mal einen Diamanten sehen.«
»Das würde ich dir wünschen.« Cade sieht sich um und beschattet dabei die Augen mit der Handkante. Er nimmt seine Aufgabe als mein Aufpasser sehr ernst. Doch es ist totenstill um uns herum, lediglich der Wind pfeift durch die dürren verkrüppelten Äste der Bäume, die am Ufer wachsen. Ich lege den Kopf in den Nacken und betrachte den klaren Himmel, der dort, wo die Sonne steht, von dem fahlen Graublau der sterbenden Nacht in ein helles Orangegelb übergeht. Es wird ein schöner, warmer Tag werden. Ich sehe keine hässlichen schwarzen Helikopter, die mit ihrem Lärm die friedliche Stille zerreißen. Entweder haben die Obersten aufgegeben, nach Cade und mir zu suchen, oder sie schmieden bereits Pläne, wie sie mich zurück in ihr kaltes tristes Stahlgefängnis holen können. Ein Schauder läuft mir bei dem Gedanken über den Rücken.
Cade nimmt den Korb vom Boden auf und drückt ihn mir in die Hand. »Siehst du den Brombeerstrauch dort drüben?« Er deutet auf eine Stelle nahe des Seeufers. »Dort wachsen noch ein paar der kleinen roten Biester. Pflück sie ab und dann machen wir uns auf den Rückweg.«
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