Narcia Kensing
Krieg der Schatten
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Inhaltsverzeichnis
Titel Narcia Kensing Krieg der Schatten Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Epilog
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Impressum neobooks
Etwas flog mit hoher Geschwindigkeit nur eine Handbreit an ihrem Kopf vorbei. Ruckartig wandte Jill sich um und erblickte einen Dolch, der hinter ihr in der Rinde eines knorrigen alten Baumes steckte. Er vibrierte noch. Vom Schreck vollkommen paralysiert, blieb sie wie angewurzelt stehen, als eine Gestalt aus dem Unterholz auf sie zusprang. Binnen eines Sekundenbruchteils hatte Jill an den schnellen, katzenartigen Bewegungen erkannt, dass es sich um einen Vampir handeln musste.
Jill konnte einen flüchtigen Blick auf das Gesicht ihres Angreifers werfen. Seine Augen glühten gelblich, die kurzen dunklen Haare standen ihm wirr vom Kopf ab.
»Canor, komm zurück. Das ist ein Mensch und keiner der Wächter !«, zischte eine männliche Stimme aus dem Hintergrund. »Willst du unser Versteck verraten?«
Doch genau dies schien bereits geschehen zu sein. Weitere Gestalten schälten sich aus der Dunkelheit, Jill zählte mindestens fünf. Sie stürmten auf den Mann zu, der Jill angesprungen hatte und nun deckungslos mitten auf dem Weg stand. Ein Zischen ertönte, dann stieß er einen markerschütternden Schrei aus. Ein Pfeil, oder etwas, das einem Pfeil ähnelte, steckte in seinem Unterleib. Eine blonde Frau in einem schwarzen hautengen Anzug stand einige Yards von dem Verletzten entfernt. In ihren Armen lag etwas, das wie eine Armbrust aussah, jedoch weitaus imposanter wirkte. Schon zog sie einen weiteren Bolzen aus einem kleinen Köcher, der auf ihren Rücken geschnallt war. Der Verwundete taumelte kurz, blickte mit seinen gelben Augen auf die Wunde hinab, griff nach dem darin steckenden Bolzen und brach ihn dann ab wie einen Zahnstocher. Für einen Menschen hätte diese Wunde tödlich sein müssen, doch der Vampir warf den abgebrochenen Bolzen mit einem grimmigen Ausdruck im Gesicht achtlos in ein Gebüsch, als handelte es sich dabei um nicht mehr als einen Splitter, den er sich soeben entfernt hatte. Nur einen Lidschlag später zog er einen unterarmlangen krummen Säbel aus einer Scheide, die an seinen Oberschenkel geschnallt war. Kleine Dampfschwaden stiegen aus dem Griff der imposanten Waffe auf. Der Mann betätigte einen Knopf, woraufhin die Klinge rötlich zu glühen begann. Starr vor Schreck stand Jill da, das Blut rauschte in ihren Ohren. Fassungslos beobachtete sie das Geschehen, niemand beachtete sie. Weitere Männer tauchten aus den Gebüschen auf. Ein Schreck fuhr Jill wie eine Revolverkugel durch den Leib, denn darunter erblickte sie auch Crysons Gesicht. Seine Haare waren zu einem dicken schwarzen Zopf geflochten, er trug einen schwarzen Overall. An seinem Gürtel steckten zwei Pistolen in ihren Halftern. Für einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke, Cryson wich mit einem Schlag sämtliche Farbe aus seinem hübschen Gesicht.
»Was machst du denn hier? Los, verschwinde! Bring dich in Sicherheit! Henry, pack sie dir sie und schaff sie…« Cryson kam nicht mehr dazu, den Satz zu beenden, denn ein Angreifer richtete seine Pistole auf ihn und betätigte den Abzug. Jill vermutete, dass es sich um einen Wächter handelte. Wer sonst würde mitten im Stadtpark seine eigenen Artgenossen angreifen? Doch diese schienen auf den Hinterhalt vorbereitet gewesen zu sein, denn sie alle waren bis an die Zähne bewaffnet.
Das leise Klicken, kurz bevor der Schuss sich löste, hatte Cryson aufschrecken lassen. Einzig seinen übermenschlich schnellen Bewegungen war es zu verdanken, dass er der Kugel ausweichen konnte.
Als Jill endlich aus ihrer Unbeweglichkeit erwachte, taumelte sie einige Schritte zurück, den Blick panisch auf die Kämpfenden gerichtet. Noch immer beachtete sie niemand, auch Cryson war jetzt viel zu sehr in den Kampf vertieft, um sich um die zierliche Menschenfrau zu kümmern, die wieder einmal Zeuge eines Gemetzels wurde. Als sie mit dem Rücken gegen einen Baum stieß, griff Jill in einer instinktgesteuerten Bewegung nach einem tief hängenden Ast und schwang sich hinauf. Sie kletterte bis in die Baumkrone und krallte sich in das Astwerk.
Bitte nicht noch einmal. Ich kann das nicht noch einmal ertragen. Weshalb bin ich nicht bei Firio geblieben?
Das Treiben im Park hätte zweifellos einer Horrorgeschichte entstammen können. Schwerter wurden gezogen, Pistolen abgefeuert. Mindestens zwanzig Männer und Frauen kämpften gegeneinander. Sie bewegten sich lautlos und schnell. Jill war kaum imstande, ihren Bewegungen mit den Augen zu folgen.
Der Träger des glühenden Schwerts hob die Klinge weit über seinen Kopf, stürzte nach vorne und versetzte einem der Wächter , der ihm den Rücken zuwandte und damit beschäftigt war, sich mit bloßen Händen seines Gegners zu entledigen, einen Schwertstreich quer über den Nacken. Die Wunde im Unterleib des Schwertträgers schien ihm keine ernsten Verletzungen zugefügt zu haben. Immerhin war er noch imstande, diesen feigen Angriff auszuführen.
Ein lautes Zischen, ein markerschütternder Schrei und der widerliche Gestank und verbranntem Fleisch zeugten von den Qualen, die die letzten Sekunden im Leben des Vampirs kennzeichneten. Er sank wie ein nasser Sack auf den Boden. Wieder einmal fragte sich Jill, ob es bestimmte Regeln gab, nach denen man einen Vampir töten konnte.
Die Frau, die zuvor die Armbrust gehalten hatte, stieß einen Laut des Entsetzens aus. Sie ließ ihre Armbrust fallen und wollte auf den am Boden liegenden Toten zulaufen, doch ein anderer Wächter hielt sie an der Schulter zurück. Die Frau blickte dem Getöteten noch einmal mit einem bestürzten Blick in die leeren Augen, bevor sich ihr Gesicht zu einer zornigen Grimasse verzog. Sie zog ein gewöhnliches Kurzschwert aus der Scheide an ihrem Gürtel und stürzte in wilder Raserei auf einen der anderen Vampire zu. Dieser parierte ihren Schlag mit seinem Krummsäbel mühelos. Mit einer raschen Aufwärtsbewegung durchbrach er ihre Deckung und stieß ihr die Waffe aus der Hand. Dann holte er zum vernichtenden Schlag aus, doch ein anderer Wächter stürzte herbei und trennte ihm mit zwei wirbelnden Zwillingsschwertern sauber den Kopf von den Schultern. Der Vampir, oder das, was von ihm noch übrig war, kippte nach hinten, die Arme immer noch erhoben. Entsetzen stieg in Jill auf wie eine alles verschlingende Flut. Das Gesicht des Toten, das sie aus leeren Augen anzustarren schien, kam ihr bekannt vor... Es gehörte zu Gavin, jenem Vampir, mit dem sie einst ein paar fröhliche Partien Karten gespielt hatte. Es war eine bizarre Vorstellung, dass sein abgetrennter Kopf dort am Boden lag. Jill würgte, doch in ihrem Magen befand sich nichts, das sie hätte ausspucken können.
Der Mann, der Gavin mit seinen beiden Schwertern getötet hatte, klopfte der Frau freundschaftlich auf die Schulter. Jill glaubte, ein geflüstertes Danke von ihren Lippen ablesen zu können. Jills Arme und Beine zitterten vor Angst und Bestürzung. Erst jetzt erkannte sie, dass der Mann mit den Zwillingsschwertern Ray war. Auch er trug einen schwarzen Kampfanzug. Er wirkte wach und vital, er musste folglich Nahrung zu sich genommen haben. Eine weitere Welle des Entsetzens brandete durch Jill hindurch, abgelöst durch ein Gefühl ohnmächtiger Wut. Dieser Bastard hatte Gavin getötet! Es war nicht gerecht!
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