Narcia Kensing - Im Auftrag der Dunkelheit

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England, spätes neunzehntes Jahrhundert.
Die kesse Taschendiebin Jill muss für ihre zerrüttete Familie den Großteil des Lebensunterhalts verdienen – eine schwere Bürde. Ein Ausbruch aus einem Leben in Armut scheint unmöglich. Als eines Nachts jedoch Cryson, ein äußerst wohlhabender und charmanter junger Mann, in Jills Leben tritt, scheint sich das Blatt endlich zu wenden.
Was vielversprechend beginnt, endet jedoch in einem Albtraum, denn Crysons Interesse an Jill ist nicht nur rein romantischer Natur. Er entführt sie in eine von Vampiren bevölkerte Stadt und beauftragt sie mit dem Raub eines wertvollen Artefakts. Der Lohn? Ein Leben in Reichtum. Doch sogar für eine talentierte Taschendiebin erweist sich die Aufgabe als brandgefährlich …

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Narcia Kensing

Im Auftrag der Dunkelheit

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Inhaltsverzeichnis Titel Narcia Kensing Im Auftrag der Dunkelheit Dieses ebook - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel Narcia Kensing Im Auftrag der Dunkelheit Dieses ebook wurde erstellt bei

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Ausblick auf Band 2:

Weitere Werke der Autorin:

Impressum neobooks

Prolog

Haven, Südengland, 12. August 1849

Der Liebreiz dieser Nacht war trügerisch, denn nach dem anhaltenden Regen der letzten Tage war sie wie geschaffen für einen Hinterhalt. Eine Schande, den Frieden mit Blut besudeln zu müssen, aber eine Gelegenheit wie diese würde alsbald nicht wiederkehren. Keine Wolke trübte den Blick auf das schwarze, mit unzähligen Sternen gespickte Firmament. Hier am Stadtrand brannten die Gaslaternen nicht die ganze Nacht hindurch, und so umhüllte die Dunkelheit zwei Gestalten, die sich lautlos über die Dächer bewegten. Die Straße unter ihnen war zu so später Stunde menschenleer, nur ein paar Ratten huschten über den Bürgersteig, reckten ihre Nasen schnüffelnd in den Wind und verschwanden dann in einem Loch unter der Bordsteinkante.

»Hier ist es. Bleib stehen«, flüsterte Lesward. Ray drehte sich zu ihm um und nickte. Mit einer Hand umfasste er eine verzierte steinerne Säule, die den oberen Abschluss der Gebäudemauer bildete. Er suchte mit den Füßen einen sicheren Halt zwischen den Dachpfannen und ließ sich langsam auf sein Hinterteil sinken. Sein Kamerad tat es ihm nach. Wie so oft oblag Lesward das Kommando über die Gruppe. Ray respektierte seine Entscheidungen, obwohl er nur widerwillig Befehle ausführte.

Ray verengte die Augen zu Schlitzen und spähte auf die von hohen Pappeln gesäumte gegenüberliegende Straßenseite. Das dichte Laubwerk verwehrte ihm den Blick auf die dahinter liegende alte Lagerhalle.

»Bist du sicher, dass es der richtige Ort ist?«, knurrte er.

»Camael observiert die Halle schon seit mehreren Nächten«, sagte Lesward, den Blick starr nach vorn gerichtet. »Es ist ein Treffpunkt für Jugendliche und Verliebte.« Lesward verdrehte unmerklich die Augen, und die Art, wie er seinen letzten Satz betonte, ließ keinen Zweifel darüber offen, was er von romantischen Liebeleien hielt. Sich selbst hingegen betrachtete Lesward als einen finsteren, unwiderstehlichen Gesellen, dem die Frauen zu Füßen liegen mussten. Und meistens behielt er in diesem Punkt sogar Recht. Seine blonden, stets ungekämmten Haare und der gelbliche Schimmer in seinen Augen verliehen ihm ein geheimnisvolles Aussehen.

Ray schüttelte seine Gedanken ab. Sie hatten schließlich eine Mission zu erfüllen. »Was lagern die Menschen dort?«

»Nichts mehr. Die Halle ist leer. Zumindest war sie es bis gestern noch.«

Ray wandte den Kopf nach vorn und suchte die Straße mit den Blicken ab. »Wo sind die anderen?«

Lesward deutete mit dem Kinn auf die Halle. »Sie behalten den Hintereingang im Blick. Ich weiß nicht genau, welchen Platz sie sich ausgesucht haben. Ich denke, sie sitzen irgendwo in den Bäumen.«

Ray lauschte in die Nacht hinein. Außer dem weit entfernten Lärm der Stadt konnte er keine verdächtigen Geräusche ausmachen. Nur wenige Schritte hinter der Lagerhalle warfen sich seichte Wellen gegen die Kaimauer, ansonsten blieb es still. Dieser alte Teil des Hafengeländes wurde von den Menschen schon seit langem nicht mehr genutzt. In der Ferne flackerten vereinzelt Lichter, die auf der Wasseroberfläche zu tanzen schienen. Es waren die erleuchteten Behausungen auf Falcon’s Eye, der Insel der Besserverdienenden, die auch für Ray und die anderen Krieger eine Heimat war.

Ray verlor das Zeitgefühl. Er wusste nicht, wie lange sie bereits vom Dach des dreistöckigen Gebäudes auf die darunter liegende Straße starrten. Seine Muskeln waren angespannt, er fühlte sich hellwach. Eine Mischung aus Erregung, Anspannung und Vorfreude durchflutete seinen Körper. Er wusste, dass seine Augen aufgrund der Konzentration und der inneren Unruhe gelblich funkelten. Lesward erging es scheinbar wie ihm.

Ray fürchtete sich nicht. Er fürchtete sich nie. Er konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern, wann er das letzte Mal das beklemmende Gefühl von Angst in sich gespürt hatte. Er wusste, dass es ihm eines Tages zum Verhängnis werden konnte, aber auch in dieser Nacht rang er seine Emotionen nieder. Es zählte einzig ihre Mission.

Die Haare auf seinen Armen sträubten sich, als er in der Ferne das lauter werdende Geräusch von schlurfenden Schritten vernahm. Er drehte den Kopf und sah, wie sich zwei Gestalten aus der Dunkelheit schälten. Sie waren noch zu weit entfernt, um mehr als ihre vagen Silhouetten erkennen zu können.

Lesward schnaubte. »Ein Mann und eine Frau. Möchte wetten, sie treiben sich heimlich in der Hafengegend herum. Ehebrecher möchte ich meinen.«

Ray bewunderte Leswards scharfe Sinne bisweilen. Erst eine ganze Minute später konnte auch Ray den Hut des Mannes und das wallende Kleid der Frau erkennen. Rays Sinne waren zwar schärfer als die der Menschen, aber Lesward war um Jahrhunderte älter als er und sein Blut war rein. Er konnte in der Dunkelheit perfekt sehen.

Ein glockenreines Lachen hallte von den Häuserwänden wider. Der Mann legte seinen Arm um die Hüfte der Dame, die Ray auf höchstens achtzehn Jahre schätzte. Sie stieß den Arm ihres Begleiters herausfordernd beiseite, lachte ihn dabei jedoch an. Ihr Verehrer drückte sie daraufhin nur noch fester an sich und küsste sie energisch auf den Mund. Arm in Arm verschwanden die beiden hinter der nächsten Ecke. Noch Minuten später konnte Ray ihr angeheitertes Lachen hören.

Ein frischer Wind kam auf. Er peitschte Ray die Haare ins Gesicht. Er fror nicht, trotzdem schloss er die Knopfleiste seines Ledermantels. Plötzlich riss Lesward in einer ruckartigen Bewegung den Kopf nach oben und neigte ihn, als ob er lauschte. Seine gelben Augen zuckten hin und her. Ray erinnerte er in diesem Moment an einen Raubvogel.

»Es kommt jemand«, flüsterte Lesward.

Aus einer Seitengasse, die neben dem Gebäude, auf dem sie sich befanden, in die breite Hafenstraße mündete, tauchten fünf Menschen auf, drei junge Männer und zwei Damen. Sie unterhielten sich flüsternd. Ihre schlurfenden Schritte hallten überdeutlich laut in Rays Ohren. Sie steuerten geradewegs auf die alte Halle zu. Um die Schultern der jungen Frauen hingen Umhänge aus dickem Pelz. Vermutlich gehörten sie zur Oberschicht. Die halbwüchsigen Kerle trugen je einen Rucksack. Ihre Haare waren streng gescheitelt, die Anzüge tadellos.

»Sind sie das?«, flüsterte Ray.

Lesward nickte. »Das sind sie. Sie treffen sich hier, um zu trinken und sich der Wollust hinzugeben. Mehrmals pro Woche kommen sie hierher. Das wissen unsere Feinde auch.«

Ray beobachtete, wie der erste Mann durch ein zersplittertes Seitenfenster in die Halle hinein stieg. Er reichte seiner weiblichen Begleitung eine Hand. Als auch die anderen beiden Männer und die verbliebene Frau im Inneren der Halle verschwunden waren, drang ein schwacher Lichtschein durch die zerstörten Fenster. Vermutlich hatten sie eine Lampe entzündet. Wenn Lesward Recht behielt, würden ihre Feinde ebenfalls bald hier aufkreuzen. Junge Menschen allein in einer abgelegenen Halle – das war ein gefundenes Fressen für diesen Abschaum. Lesward bezeichnete sie auch gerne als die Parasiten der Unterwelt . Sie kamen nachts aus ihren Löchern und vergingen sich an ahnungslosen Menschen. Seit mehr als einem Jahrhundert lieferten sie sich Kämpfe mit dem Orden, in den Ray hinein geboren wurde und der sich seinerseits einen Spaß daraus machte, die Ritter zu töten. Genau genommen gehörten sie allesamt zur selben Art und es handelte sich um Brudermord, aber davon wollte Lesward nichts wissen.

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