Wir wurden so als Kinder und als Jugendlich missbraucht, wie damals im so genannten dritten Reich auf deutschen Boden.
Man trat ja ab der 8. Schulklasse automatisch in die Jugendorganisation der DDR ein, jeder, und konnte lange FDJ-ler sein, vielleicht sogar bis ins hohe Alter. Welch ein geistiger Unfug! Doch das fiel uns damals zu der Zeit nicht ein, und das böse Erwachen gab es erst nach der Wende.
So sangen wir gut, auch im FDJ-Hemd, und hatten einen schönen und guten Singeclub. Hier konnte ich also nach Herzenslust singen, mich einbringen und auftreten. Ein Lied gefiel mir besonders, dass ich immer mit Andrea aus dem Singeclub sang. Es hieß: "Sag mir wo die Blumen sind". Ein fantastisches Lied, gesungen von Marlene Dietrich, Joan Baez und später von der Rockband City. Ich hatte immer Gänsehaut bei diesem Lied und mag es heute noch sehr.
Streit gab es im Singeclub auch mal und man musste die Dinge klären. Manchmal wuchs man an dem Streit, manches war aber auch unversöhnlich und dumm. Musiktechnisch waren wir nur mit Gitarren und Tambourin versehen und so ein Singeclub hatte etwas von der Skiffle-Bewegung der 60er Jahre und auch etwas von den Hippies der 70er.
Der Singeclub tat gut, wir hatten viele Auftritte, sammelten Erfahrungen und ich kam so das erste Mal mit Musik in Berührung in Form einer Gruppe und Gemeinschaft. Außer den Singeclubs gab es Chöre in und um Apolda, wie zum Beispiel den Vereinigten Männerchor 1828 e.V. von Apolda, wo Rüdigers Vati mitsang. Mich fragten Sie auch eines Tages, ob ich mit dabei sein will. Ich wollte nicht, denn diese Knaben waren mir einfach zu alt. Aber, sie traten auch beim bekannten Sängertreffen in Eisenach auf. In Apolda selbst gibt es ein Sängerdenkmal in der August-Bebel-¬Straße.
Apolda hatte also musikalische und sangesfreudige Einwohner und Menschen, alles in allem sind die Menschen in Apolda so oder so sehr gemütlich, sehr gesellig und als freundlich zu betrachten.
Ihre Geselligkeit zum Ausdruck bringend, findet jedes Jahr der Faschingsumzug statt. Mit einigen wenigen Ausnahmen fast jedes Jahr. Fasching wird in Apolda groß geschrieben, denn das leben die Apolda er auch richtig und neben ihren Umzug wurde viel im Volkshaus gefeiert. Meine Mutter war mit ihren damaligen Freund Peter auch mal zum Fasching in Apolda und bekam beim Tanzen im Volkshaus einen schweren Glasaschenbecher von der Empore auf den Kopf, wobei der dann stark mit bluten anfing. Sie merkte es erst nicht und ihr Freund wollte sie dann ins Krankenhaus bringen. Selbst im Krankenhaus wollte sie zurück zur Faschingsfeier, so närrisch waren die Leute damals in Apolda.
Ich selbst habe mit Fasching im traditionellen Sinne nichts am Hut, als Kind vielleicht, später dann nicht mehr. Aber für mich und solche Leute gab es eine Alternative zum Ursprungsfasching: den Bluesfasching. Man muss genauer sagen den Apolda er Bluesfasching. Die Idee dazu ist bestimmt in Apolda geboren wurden.
Der Unterschied zwischen Fasching und dem Bluesfasching besteht darin, dass beim
Bluesfasching ausschließlich Blues-und Rockband auftreten und, dass man beim Bluesfasching keine Bütt hält. Seit 1986 gibt es den Bluesfasching in Apolda und der wurde immer bis zu einem gewissen Zeitpunkt im Jugendklubhaus gefeiert. Seit einigen Jahren dann immer in der Tiefgarage eines Hotels.
Ich war einmal zum Bluesfasching im Jahr 1987 mit Rudi, Andrea und Samira, Rudis Freundin. War ganz lustig der Tag. Erst war der große Saal schön geschmückt und mit einem ausgebauten Trabant versehen, der als Couch diente. Das ganze Haus war im Faschingsfieber und überall spielte eine Band, so unter anderem die Apoldaer Bluesband Huflattich mit Paule.
Eine lustige Begebenheit gab es bei Rosi in der Kneipe auch. Andrea und Samira waren verkleidet, in einem Römerkostüm. Das heißt, sie hatten sich ein weißes Bettlaken als Umhang umgebunden. Wir standen so in der Kneipe, eine Cola und ein Bier in der Hand, und Andrea unterhielt sich mit einem Typen. Beim Reden mit dem rutsche so langsam aber sicher ihr Umhang von der Schulter und sie hatte nichts drunter. Ihre Brüste wurden sichtbar, doch sie merkte das beim Reden nicht. Wir andern schwiegen dazu und mussten innerlich lachen über diese komische Situation Dann hielten wir es mit dem Lachen nicht mehr aus und Rudi meinte ganz trocken, Andrea deine Brust guckt raus. Ein Gegröle ging los als wir Andreas Brust sahen. Sie selber war aber schon angetrunken und schob lässig alles wieder ins richtige Maß. Herrlich dieser Anblick!
In den Gaststätten wurde immer getrunken. Das Bier war billig und kostete 0,40 Pfennig. Es gab einige Gaststätten, wo Musik lief. So zum Beispiel im "Adler" in der Bahnhofstraße, wo eine Tanzkapelle mit bulgarischen Musikern ihr Bestes gab. Dann im "Haus des Handwerkes", wo auch immer mal Bands zum Tanz spielten. Im Jugendklubhaus natürlich, im Hotel "Zur Post", wo sich der Intershop befand, wurde immer mal Disko gemacht, denn die hatten auch eine Nachtbar, dann im Volkshaus, die Konzerte, Tanzveranstaltungen und Feste, im "Union Theater" dann später die Livemuggen und heute das Kneipenfestival. Apolda hatte mal 300 Gaststätten. Ziemlich viel für so einen kleinen Ort.
Musiktanzkapellen gab es ca. 25 Stück über die Jahre hinweg, wovon drei Kapellen Berufsmusiker waren, der andere Rest Amateurtanzkapellen. Ein paar Rockgruppen, etliche Diskotheken. Wo die jetzt aber alle gespielt haben, weiß ich nicht, jedenfalls nicht immer in Apolda.
Eine Musikschule gab es lange nicht in der Stadt, denn die war in Weimar, als Stadt der Klassik. Dort gab es eine Musikhochschule, eine Musikschule und Musikunterricht Apolda bekam dann sehr später eine Außenstelle der Musikschule von Weimar, in die ich aber nicht gegangen bin. Das hing einmal damit zusammen, dass es keinen Gesangsunterricht an dieser Schule gab und die Schüler viel zu jung waren. Meine Mutter sprach mich da mal drauf an und drängelte ein bisschen, aber der Besuch dort und der Weg führte mich nicht dorthin.
Mein Umfeld an Musik und Leuten war abgesteckt. Der Singeclub der Schule, später der Singeclub und Chor der EOS, meine Bands.
Es waren alles intelligente Leute mit den ich mich umgab, die alle aus ordentlichen Elternhäusern kamen, gebildet waren und wie ich Spaß am Singen und Musizieren hatten. Alle kamen sie zum größten Teil aus meiner Heimatstadt Apolda und da wirkten wir auch. Die Stadt hat ihr kulturelles Kleid, wenn dies auch manchmal löchrig war.

4. Kapitel „Im Proberaum“
Es war proben angesagt, immer wieder proben, proben bis der Arsch zwickt. Die ersten 2 Proben spielten wir wieder "Diane" von Fleetwood Mac und ein selbstkomponiertes und geschriebenes Lied "Komm aus dem Arsch", das 2. eigene Lied. Sicher klang der Titel etwas zu derb für manche Ohren, aber es war halt Jugendsprache. Ein Liebeslied folgte noch - "Möchte mal". Dann stieß Uwe zu uns, der Chef der anderen Band im Pionierhaus, der kurz auf Wochenendurlaub zu Hause war. Der hörte sich alles an und wollte uns seine Unterstützung geben bis seine Jungs von der Fahne wiederkamen. Mit seiner Hilfe kamen wir sehr weit. Er lehrte uns ein paar Lieder, gab Tipps zum Singen und zum Spielen. Nach 9 Proben hatten wir 4-6 Lieder drauf. Wir probten jeden Samstag 4 Stunden lang. Rüdiger übernahm zu dieser Zeit auch den Bass, den wir in Erfurt kauften vom sauer ersparten Geld. Wir kauften auch noch 2 Mikrophone für den Gesang. Das Üben machte Spaß. Uwe sagte auch, dass ein Üben zu Hause genauso wichtig sei wie in der Probe. Rudi und ich hielten uns an die Worte, mein Bruder auch. Knut verließ der Ehrgeiz, vielleicht weil er auch merkte, dass mal nicht so weiter ging wie bisher. Man bekam dann auch den Eindruck dass ihm sein Moped und seine neuen Freunde wichtiger waren als wir. Er fand keine Zeit mehr zum üben und kam immer öfter mit Ausreden, wenn er nicht zur Probe erschien. Peter musste ihn auch bei jeder Probe erst Mal wieder die Akkorde auf der Klampfe zeigen, eine Zeit wo wir herumalberten. Welch ein Irrtum. Sobald Peter weg war und wir noch eine Weile probten, kam nicht mehr viel heraus. Rüdiger und ich beschlossen auf Knuts Verhalten hin, ihn aus der Band auszuschließen. Er hätte auch bleiben können, aber nur unter der Bedingung, dass er üben würde.
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