Es geht in dem Buch aber nicht um eine Verteuflung oder Nostalgie einer Zeit, in der der Autor gelebt hat, sondern um die Leichtigkeit des jungen Seins, der Widersprüche des jungen Helden und um die Faszination von Rockmusik auf junge Menschen.
Das Buch wird bildlich unterstützt von einmaligen Originalaufnahmen aus dieser Zeit, dem Ort der Handlung sowie von Dokumenten, die über den Bandalltag Auskunft geben.
Es ist ausnahmsweise mal nicht die übliche und sensationswirksame Biographie eines bekannten Megastar der Pop- und Rockmusik, auch keiner berühmten Rockband, sondern der Horizont eines einfachen Musikers hinter de „Eisernen Vorhang“ der Weltgeschichte.
Hallo, hier bin ich. Ja, ich. Wie, du kennst mich nicht?
Na, ich bin der Star aus der Provinz. Irgendwann aus den 80ern , in der Zeit der heiligen Hallen des Rockolymps, irgendwo zwischen Billy Idol und Herbert Grönemeyer. So habe ich mich jedenfalls gefühlt bei all den Bühnenauftritten, versüfften Clubs und Toiletten, lüsternen Groupies, defekten Autos, starrsinnigen Funktionären und was da sonst noch so war und herumlief.
Ich war ja erst 15, 16 Jahre alt als ich mit diesen Job anfing und hatte großen Spaß daran.
Ja, ja, lang, lang ist es her und nach über zwanzig Jahren erinnere ich mich wieder an all die Stories, schmutzigen Details und meine legendären Auftritte mit der Musik. Ich dachte mir so, es gibt ja so viele Bücher und Autobiographien über Stars und Sternchen, von U2 bis Billy Idol, von ABBA bis ZZ-Top. Also, warum nicht mal die aufregende Geschichte einer kleinen Band aus der DDR, so hieß unser kleines Ländchen damals hier, erzählen.
Große und kleine Bands der gepflegten Rockmusik gab es damals in diesem kleinen Land unzählige und jeder hätte wohl so seine Geschichte zu erzählen von all den Abenteuern, von den falschen Kompromissen und dem unbedingten Willen das alles machen zu wollen und durchzustehen.
Ich erzähle hier jetzt meine Geschichte- von Sisyphus bis Vamp, denn so hießen die beiden Bands, in denen ich damals als Frontmann mitwirkte.
Die Geschichte einer kleinen normalen Rockband aus der Provinz der DDR, wie es unzählige gab, die alle einmal angefangen hatten mit der Leichtigkeit und Schwere, eine Band zu gründen.
Dem verehrten Leser soll es auch Freude machen diese Zeilen zu lesen, mitzufiebern,
sich seine Gedanken zu machen, wenn er selber in der Situation sein sollte, eine Band z gründen. Er soll nicht aufgeben an seinem Traum, auch ein Star zu werden, zu arbeiten. In diesem Sinne: Keep on rockin!
Also, alles begann irgendwann in den legendären 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als sich zwei Jungs im zarten Alter von 15 Jahren aufmachten aus ihren tristen Dasein als Singeclubmitglied der jeweiligen Schule in der thüringischen Provinzstadt Apolda, die Sache selber in die Hand zu nehmen, um eine Band zu gründen!
Nun war der Singeclub nicht schlecht für die ersten Gehversuche in der harten Musikbranche, wenn man wie ich sang und der Andere Klampfe spielte, aber so richtig Spaß hat das letztendlich nur bedingt gemacht. Wir sangen kämpferische Lieder von der "Sache", die damals Sozialismus hieß, von Standpunkten, von Krieg und Frieden und wie schön es in unserem Land war. War es das wirklich?
Alles wurde immer schön besungen, man gab sich immer kämpferisch im landeseigenen Blauhemd und trällerte vor Brigaden, Kollektiven, Altersheimen, welche dankbar unserer hohen Kunst lauschten. Sie kannten es aber wohl nicht anders.
Irgendwann machte ich mich mit meinem Freund und Klassenkameraden Rüdiger in dieser Zeit auch daran, als Disjockey, ein anderes Terrain zu betreten, wo man die richtige Musik hören und spielen konnte.
Wir konnten aber nicht alles abspielen, was wir wollten, was wir hörten und was gerade aktuell war, den es gab in unserem kleinen Land eine goldene Regel für all Diejenigen, die Musik machten oder abspielten. Sechzig, vierzig, hieß die und bezog sich nicht auf das Alter irgendeine Person. Nein, es war das sozialistische gesunde Maß für Musik aus dem Osten und der Musik, die aus den Westen kam. Letzterer konnte man sich genauso schwer entziehen wie unserer damaligen heißen Ostmugge. Die Westmusik kannte ja keine Grenze und konnte ohne Visum uneingeschränkt in unser Ohr dringen. Natürlich nur zu Hause am Radio oder im Westfernsehen, wo es neben Hitparade, Rockpalast, Formel 1, noch andere diverse Musiksendungen gab.
Wissen durfte das keiner, wenn wir am Radio hingen mit unseren schwer erkauften Kassettenrecordern und den immer teuren Kassetten und Sendungen wie die Hitparaden von HR3 aufnahmen, um die neuesten Hits der westlichen Hemisphäre zu besitzen. Manchmal musste man auch Titel löschen, die man eine Woche vorher aufnahm, weil man zuwenig Kassetten besaß, Westkassetten. Jedenfalls war ich sehr froh, wenn ich immer Westmusik besaß, die mir sehr gefiel und die ersten Gefühle, Träume und Sehnsüchte auslösten. Platten aus dem Westen gab es fast gar nicht, außer ein paar Lizenzplatten von Nena oder BAP.
Aber auch das war ein schweres Unterfangen, denn krieg erst mal so eine lizenzierte Westplatte im Laden. Dafür musste ich mich beim damaligen Schallplattenladen
Stundenlang anstehen und wenn ich Pech hatte und ich an der Reihe war, dann gab es die nicht mehr. Alles gab es nur in einer bestimmten Anzahl oder gar nicht. Ostplatten gab es auch und da war es mitunter ähnlich, anstellen, stundenlang warten und dann der große Moment. Ich hatte mir aber, soweit mein Geld reichte, schon etliche Schallplatten von unseren Musiker zugelegt. Pankow, Rockhaus, Silly, Karat u.a. - meine Stars! Damals jedenfalls, heute auch noch, aber das will immer keiner hören. Jedenfalls kostete eine große Platte 16, 10 Mark der DDR, eine so genannte Quartett-Platte mit 4 Liedern drauf, zwei vorne auf der A-Seite, zwei auf der B-Seite kosteten auch schon stolze 8,10 Mark. Kassetten, bespielt oder unbespielt, waren auch ganz schön teuer. Ich glaube mit 20 Mark warst man dabei.
Naja und dann war ich eigentlich ein großer Volkschädling in der DDR in diesen Bereich. Heute kann ich es ja erzählen, denn ich muss dafür nicht mehr ins Gefängnis, was mir bei damaligem Recht bestimmt eine große Strafe eingebracht hätte.
Ich habe sämtliche neue kleine Quartett-Schallplatten damals aus der hiesigen Bibliothek geklaut, so heiß war ich auf die Musik und die Platten! Die Bibliothek, deren Kunde ich seit frühester Kindheit war, möge mir verzeihen, aber die
Versuchung war zu groß, weil ich mir das unmöglich hätte leisten können und selbst vor den größten Scheiß der damaligen AMIGA-Produktionen (staatliches Plattenlabel) machte ich nicht halt, wie zum Beispiel bei Tina und Ihrer "Liebe auf dem Meeresgrund". Mein Bruder zog mich dann später damit immer auf, mit der Tina meine ich, es wäre meine "Freundin". Ich meine, eine Hübsche war die schon, braungebrannt und treuherzige braune Augen, der Sound hatte mir für einen Moment auch gefallen, aber letztendlich war es musikalischer Schrott.
Meine Diebestour zog sich weiter bis in das ehemalige Pionierhaus, wo wir ab
und zu mal Disko machten. Beim Aufräumen kam so manche Quartett-Platte unter meinen Pullover. Das war die beste Methode, die Dinger unbemerkt aus dem jeweiligen Haus zu schleppen. Meiner Plattensammlung tat es gut und ich war glücklich jeden Tag eine andere Musik auf meinen Plattenspieler abzuspielen.
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