Barbara Piatti - Von Casanova bis Churchill

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Weshalb verkleidete sich Frauenverehrer Giacomo Casanova 1760 in Zürich als Kellner? Warum wurde Brunnen zum Sehnsuchtsort für Mary Shelley? Aus welchem Anlass musizierte Felix Mendelssohn-Bartholdy mit den Mönchen von Engelberg? Wie kam es, dass Kafka zum Vordenker von «Lonely Planet» wurde? Und wie wurde Sir Winston Churchill 1946 beim Spätsommerurlaub am Genfersee vor neugierigen Blicken geschützt?
Barbara Piattis Anthologie versammelt unterhaltsame, tiefsinnige und inspirierende Aufzeichnungen von 35 Persönlichkeiten, die in den Jahren 1760 bis 1946 durch die Schweiz reisten. Ergänzt werden die Originaltexte und Illustrationen durch kommentierende Einführungen, die einen Einblick in individuelle sowie zeitspezifische Aspekte des Reisens geben. In dieser Kombination wird das Buch zu einem einzigartigen Lesevergnügen.

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Für Derek Valentin und Fabian Inhalt Einleitung Giacomo Girolamo Casanova - фото 1 Für Derek Valentin und Fabian Inhalt Einleitung Giacomo Girolamo Casanova - фото 2

Für Derek, Valentin und Fabian

Inhalt

Einleitung

Giacomo Girolamo Casanova, 1760

Auszüge aus Casanovas «Geschichte meines Lebens», 1785–1798

Jens Immanuel Baggesen, 1789

Auszüge aus Jens Immanuel Baggesens «Rousseau’s Insel oder St. Peter im Bielersee», 1795

Heinrich von Kleist, 1802

Heinrich von Kleists Brief an die Schwester Ulrike, 1802

Mary Godwin & Percy Bysshe Shelley, 1814

Auszüge aus Mary Shelleys «Six Weeks’ Tour», 1817

Lord Byron, 1816

Auszüge aus Lord Byrons Tagebuch an Augusta, 1816

Karl Friedrich Schinkel, 1824

Auszüge aus Karl Friedrich Schinkels Reisetagebuch, 1824

James Fenimore Cooper, 1828

Auszüge aus James Fenimore Coopers «Streifzügen durch die Schweiz», 1836

Felix Mendelssohn Bartholdy, 1831

Auszüge aus den Briefen von Felix Mendelssohn Bartholdy, 1831

Hans Christian Andersen, 1833

Auszug aus Hans Christian Andersens Tagebuch, 1833

Franz Liszt & Marie d’Agoult, 1835

Auszüge aus Marie d’Agoults Memoiren, 1927

Friedrich Engels, 1841

Auszüge aus Friedrich Engels’ «Lombardischen Streifzügen», 1841

John Ruskin, 1845

Auszug aus John Ruskins Kapitel «Die Schönheit der Berge», 1856

Richard Wagner, 1852

Auszüge aus Richard Wagners Briefen, 1852

Leo Tolstoi, 1857

Auszüge aus Leo Tolstois Tagebuch, 1857

Jemima Morrell, 1863

Auszüge aus Jemima Morrells Reisetagebuch, 1863

Fjodor M. Dostojewski & Anna G. Dostojewskaja, 1867

Auszüge aus dem Tagebuch der Anna G. Dostojewskaja, 1867

Gustave Flaubert, 1874

Brief von Gustave Flaubert an Ivan Turgenev, 1874

Theodor Fontane, 1875

Auszüge aus Theodor Fontanes Ehebriefen an Emilie, 1875

Elizabeth Main, 1883

Auszüge aus Elizabeth Mains Bergsteigerbuch «The High Alps in Winter», 1884

August Strindberg, 1884

Ein Brief August Strindbergs, 1884

John Muir, 1893

Auszüge aus John Muirs Reisetagebuch, 1893

Richard Strauss, 1893

Richard Strauss’ Briefe an seine Eltern, 1893

Arthur Conan Doyle, 1893

Arthur Conan Doyles Ski-Reportage, 1894

Elizabeth Robins Pennell & Joseph Pennell, 1898

Auszüge aus Elizabeth Robins Pennells Reisebericht «Over the Alps on a Bicycle», 1898

Elisabeth von Österreich & Irma Sztáray, 1898

Auszüge aus Irma Sztárays Erinnerungsbuch «Aus den letzten Jahren einer Kaiserin», 1909

Otto Julius Bierbaum, 1902

Auszüge aus Otto Julius Bierbaums Reisebuch «Eine empfindsame Reise im Automobil», 1903

J. R. R. Tolkien, 1911

Auszug aus J. R. R. Tolkiens Brief an seinen Sohn Christopher, 1967

Walter Benjamin, 1911

Aus Walter Benjamins «Von der Sommerreise», 1911

Franz Kafka & Max Brod, 1911

Aus Franz Kafkas Reisetagebuch, 1911

Wladimir Iljitsch Lenin & Nadeschda Krupskaja, 1915

Auszüge aus den Briefen von Wladimir Iljitsch Lenin, 1915

René Schickele, 1918

Auszüge aus René Schickeles Tagebuch, 1918

Ernest Hemingway, 1922

Ernest Hemingways Reportage «Die Hotels in der Schweiz», 1922

Leni Riefenstahl, 1929

Auszug aus Leni Riefenstahls «Memoiren», 1987

Anderl Heckmair, 1938

Auszüge aus Anderl Heckmairs «Die drei letzten Probleme der Alpen», 1949

Winston Churchill, 1946

Auszüge aus Winston Churchills Briefen, 1946

Anhang

Dank

Autorin

Auswahlbibliografie

Bildnachweis

Einleitung

Dieses Buch führt zu berühmten Schweizer Sehenswürdigkeiten: auf die Rigi, nach Bad Pfäfers, in die Via Mala, über den Gotthard, zur Eigernordwand, auf die St. Petersinsel, an die Genferseeufer. Es führt aber auch zu Orten und in Gegenden, die immer noch (oder wieder) eher abseits der touristischen Hauptrouten liegen: in die Uhrmacherstadt Le Locle, über den Splügenpass, nach Chamby im Waadtland, in die ärmlicheren Viertel von Genf, über den Griesgletscher, an den Badestrand von Gandria. Die Begleitung auf diesen Reisen könnte exquisiter nicht sein: 35 ausgewählte Persönlichkeiten führen uns kreuz und quer durch die Schweiz. Ihnen gemeinsam sind zwei Dinge: Sie sind (oder waren zu ihrer Zeit) Berühmtheiten, gefeiert in ihren jeweiligen Bereichen – Literatur, Musik, Malerei, Architektur, Philosophie, Fotografie, Film, Sport und Politik. Und sie sind keine gebürtigen Schweizer, Schweizerinnen, sondern kamen aus dem nahen oder fernen Ausland. Diese Reisenden haben sich die Schweiz ganz genau angesehen, wobei das Spektrum der Reaktionen von Verzückung bis Hass so ziemlich alle denkbaren Gefühle umfasst.

Kometenbahnen

«In der Schweiz», schreibt der russische Autor Michail Schischkin in seinem Lese- und Wanderbuch Auf den Spuren von Byron und Tolstoi (2012), «haben sich auf den seltsamsten Wegen Schicksale und Bücher, Gedanken und Welten gekreuzt. Was könnte also den dämonischen Romantiker Byron und den grossen Lehrmeister Tolstoi verbinden? Beide waren sie 28 Jahre alt, als sie an den Genfersee kamen. Und beide gingen sie in die Berge wandern, liefen die genau gleiche Strecke von Montreux über den Col de Jaman ins Simmental, von dort nach Interlaken und Grindelwald. Sie liessen ihren Blick über dieselben Berggipfel schweifen, traten vielleicht auf dieselben Steine, übernachteten vermutlich in denselben Häusern, ruhten sich im Schatten derselben Bäume aus. Und beide schrieben ein Tagebuch, von deren Eintragungen ein direkter Weg zu ihren späteren Texten führt.»

Fährten aufnehmen, Verbindungslinien suchen im Raum – die Theoretikerin Doreen Massey drückt dieselbe Idee mit anderen Worten aus: «Perhaps we could imagine space as a simultaneity of stories-so-far», vielleicht können wir uns Raum vorstellen als eine Gleichzeitigkeit von (allen) bisherigen Geschichten, schlägt sie vor. Durch die Bewegungen von Menschen, Ideen und Objekten wird ein Raum – zum Beispiel ein Land – immer neu geschaffen. Diese ziehen ihre Bahnen («trajectories» nennt Massey das), und dabei entstehen Überschneidungen und Knotenpunkte und immer wieder neue, überraschende Situationen.

Die hier vorgelegten 35 Porträts berühmter Reisender (Lord Byron und Leo Tolstoi sind auch darunter) ergeben zusammen eine Art mehrdimensionalen helvetischen Raum-Zeit-Würfel. In ihm kreuzen sich – Kometenbahnen vergleichbar – Lebenswege und Schicksale, in ihm sind Träume, Pläne, Ängste und Ärgernisse, Entdeckungen und Inspirationen an bestimmte geografische Punkte gebunden. Und manche der Geschichten, die in diesem Buch erzählt werden, von Casanova bis Churchill, von 1760 bis 1946, sind durch unsichtbare Fäden miteinander verknüpft.

Knotenpunkte, Kreuzungen, imaginäre Begegnungen

Ein paar Beispiele: Arthur Conan Doyle und René Schickele versuchen sich beide auf Skiern, 1893 in Davos und 1918 im Diavolezza-Gebiet, beide erzählen von Stürzen im Schnee, beide sind grosse Schriftsteller und schildern dementsprechend diese Vorgänge auf hinreissende Weise, durchaus mit einer Prise Selbstironie. Conan Doyle beschreibt seine Versuche so: «Aber du ziehst sie [die Skier] an und wendest dich mit einem Lächeln nach deinen Freunden um, um zu sehen, ob sie dir auch zuschauen – und dann bohrst du im nächsten Augenblick deinen Kopf wie verrückt in einen Schneehaufen hinein und strampelst wahnsinnig mit beiden Füssen, um, halb aufgestanden, von neuem wieder im gleichen Schneewall unrettbar zu ertrinken; so gibst du deinen Freunden ein Schauspiel, dessen sie dich niemals für fähig gehalten hätten.» – «Ich bin, Kopf voraus, in den Schnee geflogen und lag, mit verquerten Skiern, das Gesicht nach unten, seltsam gekreuzigt auf dem Schnee, ohne mich rühren zu können […]», scheint Schickele zu antworten.

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