Maul. Doch nach diesen Fischen benannte sich auch jener Korsarenschwarm,
der die Schiffe Alnoas geentert und erobert hatte.
Der stämmige Mann schritt mit kaltem Lächeln über die blutbefleckten
Planken auf der Brücke des eroberten Dampfkanonenschiffes. Verächtlich
stieß er mit dem Fuß gegen den toten Halblar. »Nehmt ihnen die Kleidung ab,
dann werft sie über Bord«, befahl er kalt. Elek-Mar T’os, Führer des
Korsarenschwarms der »Dornfische«, wischte seine blutbefleckte Klinge am
Beinkleid der Leiche ab. »Und säubert ihre Kleidung. Wir brauchen sie
noch.«
Der Anführer trug eine Rüstung, die aus dem Brustpanzer eines alnoischen
Kapitäns und einem Kettenhemd bestand. Der Vorderteil des Panzers war mit
der schillernden Kehlhaut eines Dornfisches bezogen. Eine blutrote Narbe
zog sich über die Wange des Mannes und verlief vom Ansatz des rechten
Ohrs bis zum Kinn. Sie war allerdings nicht geradlinig, sondern gezackt, und
schien nicht von der Klinge eines Schwertes herzurühren.
Ein schlanker Mann mit blonden Haaren trat neben Elek-Mar T’os. Sein
brauner Brustpanzer wies an einigen Stellen frische Blutflecke auf, andere
Bereiche schimmerten hell, wo das Salzwasser dem Leder im Laufe der Zeit
zugesetzt hatte. »Was ist mit den anderen Überlebenden?«
Elek-Mar zuckte die Schultern. »Was schon? Nehmt ihre Kleidung und
Rüstung, dann tötet sie. Wir brauchen nur die Brennsteinmänner lebend.«
Segu-Mar T’os, stellvertretender Schwarmführer der Dornfische, legte die
Hände vor den Mund. »Die Landmänner sollen sich ausziehen. Danach könnt
ihr sie erschlagen.«
Einige der Seeleute Alnoas versuchten nun doch noch, um ihr Leben zu
kämpfen, nachdem sie begriffen hatten, dass es keine Gnade geben würde,
aber sie hatten keine Chance. Während sich in der Mitte des Decks ein Stapel
von Kleidung und Rüstungen bildete, ertönte immer wieder das Klatschen,
mit dem die nackten Körper ermordeter Seeleute ins Meer schlugen.
Elek-Mar stützte seine Hände auf die Einfassung der Brücke, an genau
jener Stelle, an der Halblar dies vor einigen Zehnteltagen getan hatte. Doch
nun war die Hitze des Tages der Kühle der Nacht gewichen, und ein
angenehmer Wind strich über das Meer. Der Führer des Korsarenschwarms
sog die leicht salzige Luft tief ein und hatte den Geschmack von Kupfer auf
der Zunge, als Blutgeruch von der nahen »Aivaar« herübertrieb. Auch dort
stürzten nackte Leiber ins Meer. Elek-Mar nickte zufrieden.
»Diese Landmänner von Alnoa haben wirklich geglaubt, die ›Nar’akk‹ sei
beschädigt. Ihre Gier, das Schiff zu versenken, hat sie blind gemacht.«
»Und unsere weißen Segel haben sie getäuscht«, stimmte Segu-Mar zu.
»Ein wirklicher Seemann hätte sich nicht täuschen lassen«, brummte Elek-
Mar. »Aber diese alnoischen Landmänner sind schon lange keine Seefahrer
mehr. Sie haben es verlernt, Wind und Wellen zu beherrschen.«
»Man kann Wind und Wellen nicht beherrschen«, wandte Segu-Mar ein.
»Wir mögen uns ihrer bedienen, aber niemand beherrscht das Meer.«
Sein Schwarmführer stieß ein leises Grunzen aus. »Ich mag dieses Schiff
nicht. Es stinkt nach Brennstein und hat nicht einmal eine anständige
Besegelung.«
Segu-Mar lachte vergnügt auf. »Es braucht uns nicht zu gefallen. Das
Schiff soll uns ja nur kurze Zeit dienen.«
»Und das wird es auch«, stimmte Elek-Mar zu. Er strich sich unbewusst
über die tiefrote Narbe in seinem Gesicht. »Lass uns ein Wort mit den
Brennsteinmännern wechseln. Ich hoffe, es sind noch genug von ihnen übrig,
um dieses Ding zu fahren.«
Die Korsaren standen lachend auf Deck und musterten die erbeuteten
Kleidungsstücke und Rüstungen der alnoischen Besatzung. »Steht nicht
herum und schwatzt wie die Weiber«, rief Elek-Mar ihnen zu. »Zieht die
Sachen an, damit wir endlich Kurs nehmen können!«
Sein Stellvertreter strich sich über das bärtige Kinn. »Nach Gendaneris?«
»Wohin sonst?« Der Anführer lachte auf. »Natürlich nach Gendaneris. Die
Dornfische werden dort eine Menge Beute machen.«
Der Sommer begann sich zu neigen, und die kalten Winde kündeten den
nahen Herbst an. Der Reiter, der aus Richtung der Stadt Eternas kam und
langsam durch die Mark ritt, zog fröstelnd den grünen Umhang der
Pferdelords enger um die Schultern, als ein kräftiger Windstoß Staub
aufwirbelte, der den Mann einhüllte. Die einst kräftige grüne Farbe des
Umhangs war inzwischen ausgeblichen. Der dicke Wollstoff war an einigen
Stellen verschlissen und am unteren Saum stark ausgefranst. Dieses Symbol
der Pferdelords wirkte alt und mitgenommen und schien zu dem Mann, der es
trug, nicht recht passen zu wollen. Ein kurz geschnittener Bart bedeckte die
untere Partie seines Gesichts, und in den folgenden Zehntagen würde er ihn
noch wachsen lassen, denn je dichter er war, desto mehr Schutz bot er vor der
kalten Witterung des Winters.
Der Mann war jung, schlank und hochgewachsen, und die Weise, wie er
im Sattel saß, verriet den geübten Reiter. Er beschränkte sich darauf, seinen
großen braunen Hengst mit sanftem Schenkeldruck zu lenken, und ließ die
Zügel lose über dem Sattelknauf hängen. Rechts am Pferd, dem Schild
gegenüber, hingen eine stoffbezogene Wasserflasche aus Metall und ein
Köcher, dessen Pfeile die blaue Befiederung der Hochmark Garodems
aufwiesen. Den dazugehörenden Bogen hatte der Reiter hinter sich am Sattel
befestigt. Er trug nicht die typische beidseitig geschliffene Klinge eines
Pferdelords, sondern führte das leicht geschwungene Schwert eines elfischen
Kriegers, das zierlich und zerbrechlich wirkte und doch in der Lage war, den
dicken Brustpanzer eines orkschen Rundohrs säuberlich zu durchschneiden.
Griff und Klinge waren mit feinen Ätzungen und Einlegearbeiten verziert,
ebenso wie die metallene Scheide der Waffe. Nein, es war keine Klinge des
Reitervolkes, aber der Mann führte sie mit Stolz, denn sie war das Geschenk
eines Elfen. Der Reiter hatte entscheidend zur Rettung eines elfischen Hauses
beigetragen, und der elfische Stahl war ein Zeichen der Verbundenheit
zwischen seinem Träger und dem elfischen Volk.
Der Reiter hieß Nedeam, und er war, trotz seiner relativ jungen Jahre, einer
der erfahrensten Kämpfer der Pferdelords.
Als junger Knabe hatte er einst mit seinem Vater Balwin und seiner Mutter
Meowyn auf dem elterlichen Gehöft gelebt und Wolltiere gezüchtet. Dann
waren Orks in die Hochmark eingefallen und hatten sie mit Krieg überzogen.
Sein Vater war von ihnen getötet und seine Mutter schwer verletzt worden.
Der Knabe hatte sie in die Stadt Eternas bringen können, wo sie gerettet
wurde und nun als Heilerin lebte. Nedeam war damals ausgezogen, um dem
Pferdefürsten Garodem zu folgen, der seine Pferdelords in die unteren
Marken geführt und nicht geahnt hatte, welche Gefahr Eternas drohte. Eternas
und die Hochmark waren gerettet worden, und Nedeam erhielt trotz seiner
Jugend den grünen Umhang eines Pferdelords. Inzwischen hatte er darin viele
Abenteuer bestanden, gemeinsam mit seinem älteren Freund und Mentor
Dorkemunt, dem er einst in der Nordmark begegnet war und mit dem er seit
vielen Jahreswenden auf Balwins altem Gehöft lebte.
Nedeam war in Eternas gewesen, um in der Stadt einige Dinge des
täglichen Bedarfs einzutauschen. Seitdem er und sein Freund und Gefährte
Dorkemunt nicht nur eine kleine Herde Wolltiere, sondern auch fünfzehn Stück
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