1 ...7 8 9 11 12 13 ...29 bekommen wir gute Waren für das Zeug. Der gute König Reyodem wird
schon wissen, wofür er es braucht.«
Nedeam nickte. »Ich habe in Eternas gehört, die Stadt des Königs wachse
zusehends. Vielleicht will man dort ebensolche Rohre in den Boden legen wie
bei uns, damit der Unrat nicht über die Straßen sickert, sondern unter ihnen
entlangfließt.«
»Ja, dafür mag das Zeug etwas taugen.« Der Mann, der Nedeam den Krug
gereicht hatte, setzte sich wieder und nahm erneut die Pfeilschäfte auf. »Es
rostet nicht und lässt sich leicht bearbeiten.«
»Auf ein Wort, guter Herr Nedeam.« Der andere reichte dem jungen
Pferdelord die Riemen und Gurte und trat dabei ein wenig näher. »Es geht
mich vielleicht nichts an, aber ich mache mir so meine Gedanken um den
guten Herrn Dorkemunt.«
Nedeam schob die Lederwaren in ein Bündel und schnürte es am Sattel
fest. »So? Was für Gedanken?«
»Nun, ich weiß, dem guten Herrn Dorkemunt wird es nicht recht sein,
wenn ich Euch darauf anspreche …« Der Mann zögerte einen Augenblick,
bevor er fortfuhr. »Ich glaube, es fällt ihm zunehmend schwer, die Arbeit auf
dem Gehöft zu verrichten, guter Herr.«
Nedeam runzelte die Stirn. »Was sollte ihm daran schwerfallen? Wir sind
die Arbeit gewohnt, sie ist unser Leben.«
»Ja, da habt Ihr sicherlich recht.« Der Mann strich sich über das Kinn.
»Aber Ihr seid auch noch jung. Der gute Herr Dorkemunt hingegen … Seine
Schläfen werden langsam hell, und sein Rücken beugt sich, Ihr versteht?«
Nedeam begriff. Sollte der Freund tatsächlich alt geworden sein? Zu alt,
um den Rücken eines Pferdes zu bedecken und in den Kampf zu ziehen, Seite
an Seite mit Nedeam? Für den jungen Pferdelord war dieser Gedanke
unvorstellbar. Andererseits musste er nur an seinen Hengst Stirnfleck denken,
dem das Kriegshandwerk allmählich zu beschwerlich wurde. Dass dies auch
für Dorkemunt gelten könnte, daran hatte Nedeam nie gedacht. Bei den
Worten des Hammergrundbewohners erinnerte er sich an manche Situation,
bei der die Bewegungen seines kleinwüchsigen Freundes die Geschmeidigkeit
früherer Tage hatten vermissen lassen, und manchmal, wenn Dorkemunt sich
unbeobachtet fühlte, langte er sich ächzend an seinen Rücken. Sollten all dies
Anzeichen des Alters sein? Nedeam hatte sie nie als solche aufgefasst.
Vielleicht, weil er Tageswende um Tageswende mit Dorkemunt verbrachte.
Der Mann sah Nedeams besorgten Gesichtsausdruck und räusperte sich
verlegen. »Bitte seht mir meine Worte nach, guter Herr Nedeam. Ich bin
sicher, der gute Herr Dorkemunt wird den Rücken seines Wallachs noch
lange bedecken.«
»Sicher wird er das«, stimmte Nedeam eher halbherzig zu. Doch die gut
gemeinten Worte des Mannes hatten ihn mehr beunruhigt, als er sich
eingestehen wollte.
Der junge Pferdelord verabschiedete sich von den Männern und saß auf. In
langsamem Trab ritt er aus dem Weiler heraus, weiter Richtung Süden, bis er
den Zugang des Südpasses mit dem aufragenden Turm des Signalfeuers
erkannte, der Bestandteil einer Kette von Feuern war, welche die Marken
untereinander verband und bei Gefahr entzündet wurde, um die Pferdelords
zu den Waffen zu rufen. Ein Stück vor dem Pass öffnete sich der breite
Taleinschnitt nach Westen und führte zu Halfars und Balwins Gehöft.
Die Worte des Mannes hatten Nedeam derart beunruhigt, dass er Stirnfleck
zum Galopp antrieb. Der brave Hengst schnaubte erfreut, als Nedeam ihm die
Zügel freigab. Der Pferdelord warf einen kurzen Blick zurück, um
sicherzugehen, dass das Handpferd folgte, und beugte sich dann vor, um dem
Wind weniger Widerstand zu bieten. Er genoss den raschen Ritt, bei dem der
Reitwind seinen zerschlissenen Umhang hinter ihm auswehen ließ. Vor ihm
tauchte nun das kleine Seitental auf, und Nedeam spürte eine wohlige Wärme
in sich aufkommen, als er das Gehöft erkannte und die unverwechselbare
Gestalt des Freundes, der gerade aus dem Wohnhaus trat.
Überrascht registrierte Nedeam ein gesatteltes Pferd, das neben dem
Gehöft graste. Die tiefschwarze Stute kam ihm bekannt vor, und wie zur
Bestätigung trat nun ein stämmiger Mann neben Dorkemunt, der den
kleinwüchsigen Pferdelord mit der kräftigen Statur deutlich überragte. Der
Mann trug weder Helm noch Umhang und hatte Wams und Hemd geöffnet.
Als Nedeam näher ritt, sah er die rötliche Narbe an der Brust des Besuchers,
aber er hätte ihn auch ohne dieses Zeichen erkannt.
»Scharführer Kormund, guter Herr, es ist eine Freude, Euch zu sehen«,
grüßte Nedeam herzlich und schwang sich aus dem Sattel. Er sah Dorkemunt
an. »Ich habe die Ledersachen aus dem Hammergrund mitgebracht und
Vorräte für den Winter.«
»Und sicherlich auch Süßwurzel«, erwiderte Dorkemunt mit breitem
Grinsen. Er schlug Nedeam freundschaftlich an den Arm. »Versorge
Stirnfleck, und dann lass uns ein paar Worte mit unserem Freund Kormund
reden.«
Nedeam ließ seinen Hengst an die Tränke und kümmerte sich zunächst um
das Handpferd; er nahm ihm die Lasten ab und löste die Gurte, um es
anschließend abzusatteln.
Kormund, Schwertmann der ständigen Wache des Pferdefürsten Garodem
und als Scharführer der Kommandeur eines Beritts, lehnte sich leicht gegen
die massige Steinwand des Hauses und kratzte sich unbewusst an der Narbe.
Vor etlichen Jahreswenden, als die Orks Eternas berannten, hatte er eine
Pfeilwunde in der Brust erlitten und sie mit viel Glück und dank seiner
robusten Natur überlebt. Gelegentlich schmerzte das vernarbte Gewebe und
behinderte Kormund in der Führung seines Schwertes, aber der Scharführer
ließ sich dies niemals anmerken und unterdrückte den Schmerz.
Die unbewusste Geste ließ Nedeam einen Blick zu Dorkemunt werfen. Ja,
die Schläfen des Freundes waren hell geworden, und er hielt sich nicht mehr
so gerade wie noch zu der Zeit, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren.
Merkwürdig, dass ihm das zuvor nicht aufgefallen war.
Der junge Pferdelord stellte die Packlasten ans Haus, legte den Sattel dazu
und gab das Handpferd frei. Es war gut genug ausgebildet, um sich nicht zu
entfernen, und so soff es an der Tränke und begann dann zu grasen.
»Hat der Besuch unseres Freundes Kormund einen besonderen Grund?«
Nedeam nahm Waffen und Lasten von Stirnfleck, um ihn dann ebenfalls
abzusatteln. »Immerhin ist der Weg von Eternas für eine einfache Plauderei
recht weit.«
»Ein Weg, der zu Freunden führt, ist niemals weit«, erwiderte Kormund
lächelnd. »Aber du hast recht, Nedeam. Sosehr ich es auch schätze, mit dir
und Dorkemunt über vergangene Taten zu reden, so gibt es doch einen
bestimmten Grund, der mich zu euch führt.«
»Einen guten Grund, wie mir scheinen will.« Dorkemunt nahm einige der
Packen auf und trug sie ins Haus.
Nedeam und Kormund folgten mit dem Rest. Sie stellten die Sachen neben
die Waffentruhe an der Tür und setzten sich dann an den massigen Tisch, auf
dem noch die Reste eines Mahls standen. Nedeam nahm sich Brot und Käse
und sah die beiden an.
»Nun, was gibt es zu bereden?«, fragte er und kaute dabei genüsslich.
Kormund strich abermals über die Narbe an seiner Brust. Instinktiv spürte
Nedeam, dass der Besuch des Scharführers, zumindest indirekt, mit der alten
Wunde zusammenhing. Der Scharführer räusperte sich und suchte nach den
rechten Worten.
»Nun, Nedeam, mein Freund, unsere Mark lebt jetzt schon einige
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