dem Flaggschiff und verfügte somit ebenfalls über Schaufelradantrieb und
Dampfkanone. Die dahinter folgende »Netluaar« hingegen war einer der
klassischen Kampfsegler. Ihr Rumpf war etwas länger und trug drei große
Masten; entlang ihren Längsseiten standen Katapulte und im Geschützdeck
waren die Bolzenwerfer noch hinter den Luken verborgen.
»Sie hat Mühe, uns zu folgen«, knurrte Halblar. »Sie fällt zurück.«
»Die ›Netluaar‹?« Gort lachte leise. »Das wundert mich nicht. Wir haben
kaum Wind. Wie ich dir schon sagte, Halblar, der Brennsteinantrieb hat auch
seinen Vorteil.« Der Großkapitän des Geschwaders wandte sich nun doch um
und musterte die nachfolgenden Schiffe. »Dabei hat ihr Kapitän schon jeden
Fetzen Tuch gesetzt. Nun, ich will ihm die Schande ersparen, sich von der
›Aivaar‹ schleppen zu lassen. Steuermann, die Maschine soll auf fünfzig
Umdrehungen heruntergehen.«
Sie verlangsamten ihre Fahrt, aber der Segler hatte noch immer Mühe, mit
den beiden Dampfschiffen Schritt zu halten. Gort wusste jedoch, dass seine
stille Genugtuung von kurzer Dauer sein würde. Sobald Wind aufkam, würde
ihnen der schnelle Segler mühelos davonfahren können. Der adlige
Großkapitän bedauerte, dass man die Brennsteinantriebe noch nicht
wirkungsvoller machen konnte.
»Rauch, rechtsweisend voraus«, meldete plötzlich der Ausguck.
»Das ist Mintris«, knurrte einer der Matrosen grimmig. »Diese verfluchten
Bestien. Möge die ewige See sie auf ewig verschlingen.«
»Den Gefallen wird sie uns schwerlich tun«, erwiderte Halblar leise.
»Immerhin sind die Bastarde auf ihr zu Hause.«
Gelegentlich segelte ein Schwarm der Korsaren die Küste entlang, um
Siedlungen zu überfallen und zu plündern. Selbst den Fluss waren sie oft
genug heraufgekommen, bis die Hafenstadt Gendaneris die Bucht endlich
sicherte und die Bestien mit ihren Batterien und Wachschiffen fernhielt.
Meistens zumindest, denn ab und zu schlüpften in der Nacht doch ein oder
zwei Korsaren hindurch und wagten sich den Fluss hinauf. So war es auch vor
einigen Tageswenden gewesen, als eine Horde der Bestien über die Stadt
Mintris hergefallen war und dort so lange gemordet und geplündert hatte, bis
zwei Regimenter der Garde sie endlich vertrieben. Ein Teil des Schwarms
hatte sich auf die Schiffe retten können, die sich nun irgendwo zwischen
Mintris und Gendaneris auf dem Fluss befinden mussten. Es war Gort ta
Mergons Aufgabe, diese beiden Korsarenschiffe zu stellen und zu vernichten.
Vielleicht konnten sie sogar ein paar der Bestien fangen, um sie dann zur
Genugtuung der Bürger auf dem großen Platz hinzurichten.
Die Stadt war nur undeutlich zu erkennen, denn obwohl der Überfall der
Korsaren schon einige Tageswenden zurücklag, hing über ihr noch immer
schwerer dunkler Rauch in der Luft.
»Das werden die Kornspeicher sein«, meinte einer der Matrosen. »Die
Häuser haben die Bewohner bestimmt längst gelöscht, aber wenn die Speicher
brennen, dauert es seine Zeit.«
Neben der Stadt war das Zeltlager der alnoischen Truppen zu erkennen.
Dort war Bewegung, und eine Gruppe von Reitern preschte zum Ufer
herüber. Einer der Männer führte eine weiße und eine rote Flagge mit sich,
deren Tuch jeweils eine halbe Länge im Quadrat maß. Er sprang aus dem
Sattel, sah zu den Schiffen herüber und begann die Fahnen in einer
bestimmten Abfolge zu bewegen.
»Zwei Schiffe der Bestien sind entkommen«, las Großkapitän Gort ta
Mergon ab. »Eines von ihnen ist schwer beschädigt. Sie sind flussabwärts
gefahren.«
»Wohin auch sonst?«, brummte Halblar. »Die verfluchten Bastarde haben
ihre Beute gemacht und bringen sie nun in Sicherheit. Ich frage mich, wie sie
überhaupt an Gendaneris vorbeischlüpfen konnten.«
Der Signalwinker der »Shanvaar« bestätigte die Winkmeldung vom Ufer,
und ta Mergon seufzte leise. »Ihre schwarzen Schiffe sind in der Nacht fast
unsichtbar. Zumindest wenn sich Wolken vor die Sterne schieben. Zudem
sind Bucht und Fluss sehr breit. Die Bestien warten nur auf eine Gelegenheit,
an der Hafenfestung mit ihren wenigen Wachschiffen vorbeizuschleichen.
Meist werden sie entdeckt, aber«, er zuckte die Schultern, »gelegentlich
kommen ein paar von ihnen durch.«
»Ja.« Halblar spuckte ins Wasser. »Und dann morden und plündern sie.«
»Diesmal werden sie uns nicht entkommen«, sagte ta Mergon
zuversichtlich. »Zumindest das beschädigte Schiff wird langsam sein. Noch
vor Gendaneris werden wir die Bestien stellen.« Der Großkapitän wandte sich
dem Steuermatrosen zu. »Maschine auf dreihundert Umdrehungen. Ich will
sie zu fassen kriegen.«
»Maschine auf dreihundert Umdrehungen«, bestätigte der Mann am
Steuer.
»Die ›Netluaar‹ wird mit ihren Segeln nicht mithalten können«, warf
Halblar ein.
Ta Mergon erlaubte sich ein schmallippiges Lächeln. »Wie ich erwähnte,
Halblar, mein Freund, die Brennsteinmaschine hat auch ihren Vorteil.«
Das Segelkampfschiff »Netluaar« fiel hinter den beiden
Dampfkanonenschiffen »Shanvaar« und »Aivaar« zurück, aber ta Mergon
wollte keine Zeit verlieren. Der Anblick der geschundenen Stadt Mintris hatte
ihn mit Zorn erfüllt, und er wollte die Verantwortlichen stellen und
vernichten.
Aber es dauerte noch einige Zehnteltage, bis vor ihnen endlich zwei dunkle
Silhouetten auf dem Fluss sichtbar wurden.
»Das sind sie«, knurrte ta Mergon zufrieden, als der Ausguck im Mastkorb
über ihnen die Sichtung meldete. »Wir haben sie.«
Es waren unzweifelhaft die gesuchten Korsaren. Der schnittige Rumpf
ihrer Schiffe war tiefschwarz, und dort, wo die Öffnungen für Ruder oder
Waffen waren, wirkte das Schwarz noch dunkler und drohender.
Die Masten waren so hoch, wie das Schiff lang war, und die Segel, tiefrot
gefärbt, zeigten die jeweiligen Symbole der Korsarenschwärme.
»Könnt Ihr den Schiffstyp erkennen?«, rief ta Mergon zum Mastkorb
hinauf.
Die beiden flüchtenden Schiffe waren nur von hinten zu sehen, und es war
schwer einzuschätzen, welche Größe sie hatten. »Sie fahren meist mit den
kleineren Schiffen den Fluss herauf«, sinnierte Halblar mit gedämpfter
Stimme. »Für die großen Kampfsegler fehlt ihnen hier der Manövrierraum,
und sie kennen den Fluss und seine Gefahren nicht so gut wie wir.«
»Das hintere ist ein Jagdschiff«, meldete der Ausguck. »Der davor scheint
ein Kampfsegler zu sein.«
Die Jagdschiffe der Korsaren trugen zwei Masten und hatten einen
schnittigen Bug. Es waren leichte Schiffe, dazu bestimmt, das Meer nach
Beute abzusuchen und die schweren Kampfsegler heranzuführen.
»Das Jagdschiff macht mir keine Sorgen«, gestand der Großkapitän ein.
»Es ist zu leicht gebaut. Sein Rammsporn kann unseren metallverstärkten
Rumpf nicht durchdringen, dazu ist unser Panzer zu dick. Es führt auch keine
großen Katapulte. Nur einige der Pfeilschleudern, mit denen sie die Segel und
Takelage eines gegnerischen Schiffes zerstören können, um es
manövrierunfähig zu machen, bis die großen Segler heran sind. Doch selbst
wenn die Bastarde unsere Segel zerstören, können wir sie mit der Kraft der
Brennsteinmaschine einholen.«
»An Deck«, rief da der Ausguck. »Das vordere Schiff ist ein Kampfsegler
mit drei Masten, aber der Hauptmast ist gebrochen!«
»Ah!« Ta Mergon rieb sich aufgeregt die Hände. »Sie haben einen Mast
verloren. Das behindert sie und macht sie langsamer. Ja, jetzt fahren sie eine
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