Robert Odei - Der Traum des Stiers
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Es handelt sich hier um einen surrealen Horror- Roman. Die Altersempfehlung ist ab 16. Was harmlos beginnt, entwickelt sich schnell zu einem Höllentrip.
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Robert Odei
Der Traum des Stiers
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Inhaltsverzeichnis
Titel Robert Odei Der Traum des Stiers Dieses ebook wurde erstellt bei
Teil I: Brickrow - Kapitel 1: Gegenwart
Kapitel 2: Das Rätsel
Kapitel 3: Toby und die Lokomotive
Kapitel 4: Im Archiv
Kapitel 5: Zurück in die Gegenwart
Kapitel 6: Westcott Manor
Transit
Teil II: Ein Ungleichgewicht und die Harmonie daraus - Kapitel 7: Geburt
Erinnerungen I : Ein Ausrutscher
Kapitel 8: Endstation
Erinnerungen II: Eine letzte Ermahnung
Kapitel 9: Timoteo
Erinnerungen III: Cassandra ist korrosiv
Kapitel 10: Pläne und Fragen
Erinnerungen IV: Lara
Kapitel 11: Die Flucht
Erinnerungen V: Mond und Sonne
Kapitel 12: Irrlichter
Erinnerungen VI: Blutsschwestern
Kapitel 13: Lliggatt
Erinnerungen VII: Die Welt brennen lassen
Der Schrei der Dornen
Kapitel 14: Die Offenbarung der Cassandra
Erinnerungen VIII: Der Tag der Spinne
Kapitel 15: Die Offenbarung der Lara
Erinnerungen IX: Lara wartet
Teil III: Die Umskulpturierung - Kapitel 16: Zum Turm des Kaplans
Epilog
Die ewige Nacht der Spinne
Impressum neobooks
Teil I: Brickrow - Kapitel 1: Gegenwart
1
Cassandra Moon war achtzehn Jahre alt, als sie den größten Fehler ihres Lebens beging.
Dieser leidvolle Tag hatte, wie die meisten Tage im Leben einer Schülerin, damit begonnen, dass Cassandra ihrem viel zu lauten Wecker mit schlaffer Hand eins auf den Deckel gegeben hatte, bevor sich sein Piepsen zu tief in die wollige Schicht ihrer Träume bohren konnte. Befreit von der Marter des kleinen Gerätes, ließ Cassandra ihren Geist noch eine Weile umhertreiben - zu den letzten Bildern ihrer Träume, an die sie sich noch erinnerte. Viel eher als sie sich wünschte wurde sie an den kalten, harten Strand des Wachseins gespült.
Einmal aus dem Bett gekrochen ertastete sie sich im Dunkeln den Weg zum oberen Bad, setzte sich auf die Toilettenschüssel, und ließ es plätschern. Dabei puhlte sie sich den Sand aus den Augen und wischte sich auch das schleimige Zeug weg, das wohl aus eingetrockneter Tränenflüssigkeit bestand. Als sie es nicht mehr vermeiden konnte, schaltete sie das Badezimmerlicht ein, das sie sofort schmerzhaft blendete. Den Blick in den Spiegel konnte sie sich sparen, bis sie sich die Zähne geputzt hatte und tropfnass aus der Dusche kam.
Cassandra gehörte zu den Menschen, die sich vor dem Frühstück die Zähne putzten, und sich danach fragten, ob es nicht schlauer wäre, es nach dem Essen zu tun. Allerdings vergaß Cassandra diesen Gedanken, sobald sie die Zahnbürste aus der Hand legte.
Im beschlagenen Badezimmerspiegel bewegte sich ein großer Wust aus dunkelbraunem Haar. Cassandra wischte das Kondenswasser fort und bleckte dem Spiegel die Zähne entgegen. Sie hatte ein starkes, kieferlastiges Gesicht – die Lippen breit und voll. Ihre Mundwinkel zeigten nach oben, auch wenn sie keine Miene verzog.
Pferdegesicht , hatten sie immer gerufen.
Darüber thronte eine Nase, die Cassandras Mutter aristokratisch nannte. Cassandra sagte lang und steil dazu, mit einem Ansatz von Höcker.
Du hässliches Pferdegesicht.
Doch die Augen machten es wieder wett. Große Augen in der Farbe von Coca-Cola. Sie schienen dickflüssig, voll geheimer Alchimie, begrenzt durch den Wall schwarzer Augenbrauen. Cassandra hatte schnell gelernt, dass Jungs an ihren Augen hängenblieben wie Insekten an dem Getränk.
Das ist dein Voodoo, Baby.
Das war es, und Cassandra verstärkte es mit schwarzem Kajalstift. Mehr brauchte sie nicht.
Unten im großen Wohnzimmer schien es still, bis Cassandra, eine Hand am Geländer, die Treppe herunterkam und das leise Ticken der Küchenuhr und das lautere Summen des Kühlschranks hörte. Beide Geräusche verstärkten in ihr das Gefühl der Ereignislosigkeit, die den Morgen vom Abend unterschied.
Hier fehlt ein Vogel oder eine Katze .
Sie trat durch den bogenförmigen Durchgang zur Küche, die Marie Moon penibel sauber hielt, und nahm sich eine Banane aus dem Obstkorb. Die Schale der Banane war mehr braun als gelb. Das Innere war genauso wie Cassandra es liebte, zuckersüß und voller sirupartiger Druckstellen. Sie aß die Banane in drei Bissen, bevor sie sich den Rucksack mit ihren Schulbüchern über die Schulter schwang und nach draußen in den nasskalten Winter trat.
Die Nacht im Rücken lief Cassandra dem helleren Streifen am Horizont entgegen. Sie brauchte fünf Minuten bis zur Busstation, wo sie alleine stand, bis sie ins geheizte Innere des Schulbusses steigen konnte. Zehn Minuten dauerte die Fahrt zur Schule, die Cassandra in wohliger Schwermut verbrachte. Nirgendwo ließ es sich besser dösen als im Bus, und da es zwischen Cassandras Wohnort und der Schule keine Haltestellen gab, wurde Cassandra in ihrem Schlummer nicht gestört. Sie genoss die Normalität als eine Pause zwischen dem, was gewesen war, und dem, was noch kommen sollte.
Der Bus hielt nicht weit vom gusseisernen Tor der Brickrow Grammar School . Cassandra hielt sich abseits vom Pulk der aussteigenden Schüler und folgte ihnen durch das Tor, bis vor das lange Renaissance-Gebäude der Schule. Zu dieser Jahreszeit versprühte der Schulhof den Charme einer Autobahn-Raststätte um Mitternacht. Einige Schüler standen herum und rauchten schnell noch eine Zigarette, bevor sie hineingingen. Dabei steckten sie sich gegenseitig mit Lustlosigkeit an. Cassandra folgte ihnen die steinernen Stufen hinauf und hinein ins majestätische Zwielicht der Schulflure.
Der Klassenraum, in dem jeden Freitag Cassandras Mathematikunterricht stattfand, lag im zweiten Stock, aber der Weg dorthin war anstrengend, weil das Schulgebäude sehr hohe Decken hatte, und die Treppen kein Ende nehmen wollten. Die holzverkleideten Stufen waren breit und tief, so dass man lange Schritte machen musste, um vorwärts zu kommen. Die Wände waren bis zur Decke mit dunklem Holz getäfelt, das so schwer war, dass es einen körperlich spürbaren Widerstand bildete. Es war kaum ein Schüler zu sehen, der nicht mit gesenktem Kopf nach oben stieg. Doch gehörte Cassandra nicht zu diesen Schülern. Während ihres Weges von zu Hause bis in den Klassenraum, wusste Cassandra, dass sie eine große Dummheit begehen würde, und das machte sie beschwingt . Es war nicht Idiotie, die sie dazu trieb, sondern ein stures Kalkül, das schon ein Leben lang hinter ihren Augen schimmerte.
Als dann ihr Martyrium begann, wünschte sie sich, einmal im Leben den Pfad des Gewöhnlichen gegangen zu sein, doch da würde es zur Umkehr schon viel zu spät sein. Dieser Weg liegt noch vor uns, und selbstverständlich führt er stur nach unten.
Zuvor jedoch überraschte es Cassandra nicht im Geringsten, zwei Polizisten vor der Tür zum Klassenraum stehen zu sehen. Einer von ihnen trug Uniform. Er hieß Cody Barnes und war der Chief Constable von Brickrow. Der andere war in Zivil. Cassandra kannte seinen Namen nicht, aber im Geiste nannte sie ihn den Mann aus Exeter . Er war kleiner als Cody Barnes und irgendwie seltsam.
Er sieht nicht aus wie ein Franzose, aber er sieht trotzdem französisch aus. Zerknittert. Er kam Cassandra entfernt bekannt vor, aber so sehr sie sich bemühte, sich zu erinnern, sie kam einfach nicht darauf, an wen er sie erinnerte.
Die beiden Polizisten unterhielten sich mit Mrs Whitfield, Cassandras Klassenlehrerin, und zudem Tutorin des Mathematik- und des Spanischkurses. Sie achteten nicht weiter auf Cassandra, als diese sich dicht an ihnen vorbeidrückte, um besser lauschen zu können. Und fast wäre es ihr geglückt, die eine entscheidende Information herauszuhören, doch da packte die Whitfield Cassandra an den Schultern und schob sie geistesabwesend Richtung Tür, während sie nicht davon abließ, weiterhin auf die Polizisten einzureden. Diese durch und durch arrogante Geste, ließ Cassandras Wut beinahe überkochen. Mit belämmertem Blick stand sie in der Tür zu ihrem Klassenraum und schaffte es gerade noch, sich nicht von der Whitfield loszureißen. Scham und Wut überblendeten jeden klaren Gedanken. Statt weiter zu lauschen, manövrierte sie sich zwischen ihren Mitschülern hindurch zu ihrem Sitzplatz, bevor sie vor Wut noch explodierte. An ihrem Tisch warf sie den Rucksack zu Boden und ließ sich auf den Stuhl fallen.
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