»Hallo … hallo …«, rief sie durch den Hörer, nahm ihn ein Stück vom Ohr weg und schaute auf ihr Display.
»Du kannst doch nicht einfach auflegen. Ich fasse es nicht. Klar hast du gleich eine Vorstellung, aber die zwei Minuten hättest du dir nehmen können für mich«, rief sie ungläubig und völlig entgeistert durch den Hörer, doch es war bereits niemand mehr dran.
Sie schimpfte vor sich hin. Wie gut, dass Alessandro nicht hören konnte, was ihr gerade so alles für Beschimpfungen einfielen. Völlig genervt und auch enttäuscht nahm Maria eine dunkle Jeans und ein schickes T-Shirt aus dem Schrank und zog sich um. Sie machte sich ein wenig zurecht und war schon auf dem Weg zum Markusplatz, wo Sophia bereits auf sie wartete.
Sie war gerade erst ein paar Meter gegangen.
Verdammt, der Tisch , tobte sie genervt vor sich hin.
Den hatte sie total vergessen in ihrer Wut. Schnell wählte sie die Nummer der Bar und dann war Luigi, der in den Abendstunden seinem Bruder aushalf, auch schon dran und reservierte für sie und Sophia einen Tisch.
»Gott sei Dank, wenigstens hat das geklappt. Hoffentlich merkt sie mir meine Laune nicht an. Schlimm genug, dass ich ihr alles verheimlichen muss, aber Alessandro möchte ihr nicht noch mehr wehtun und es ihr noch nicht sagen. Schließlich bin ich ihre beste Freundin. Sie wird mich hassen, wenn sie es erfährt«, murmelte sie vor sich hin.
Inzwischen hatte Sophia lange genug auf dem Markusplatz gestanden und auf Maria gewartet und sie beschloss, hineinzugehen. Sie war an der Bar eingetroffen, da entdeckte sie Luigi, der sie schon winkend begrüßte.
Sie wollte drinnen auf Maria warten. Lange konnte es nicht mehr dauern, bis sie da war. Sie schrieb Maria eine Nachricht, dass sie nicht auf dem Markusplatz zu warten brauche, sondern gleich in die Bar kommen könne.
Mein Gott, ist Maria hysterisch. So habe ich sie ja noch nie erlebt. Gut, ich kenne sie noch nicht wirklich so lange. Aber nur weil Sophia Urlaub machen möchte, muss sie nicht so überreagieren. Versteh einer die Frau oder steckt da mehr dahinter? , dachte Alessandro. Da riss ihn ein Rufen auf dem Theaterflur aus seinen Gedanken.
»Alessandro, wo bleibst du denn? Da bist du ja. Ich hab dich schon überall gesucht. Es geht jeden Moment los«, kam ihm Marcello, sein Kollege, schon entgegengelaufen.
»Ich wurde aufgehalten. Bin sofort da«, erwiderte Alessandro und richtete noch einmal sein Jackett.
»Stress mit den Frauen?«, fragte Marcello grinsend.
Alessandro machte nur eine abwinkende Handbewegung und näherte sich der Bühne, wo er auf seinen Auftritt wartete und wo es jeden Moment so weit war.
Gerade noch rechtzeitig war er auf den Brettern, die die Welt bedeuteten. Maria hingegen bekam gerade die Nachricht von Sophia und überlegte, ob es wirklich eine so gute Idee gewesen war, sich gerade jetzt mit Sophia zu treffen. Erste Gewissensbisse machten sich in ihr breit. Diese verflogen augenblicklich, als sie an der Bar ankam und Luigi sie gleich erblickte und zum Tisch begleitete.
»Guten Abend Maria. Du wirst schon erwartet. Heute ohne Alessandro?«, fragte Luigi neugierig.
Maria legte den Zeigefinger auf ihren Mund, was so viel hieß wie: Es ist ein Geheimnis, nichts verraten, und Luigi verstand.
»Ich schweige wie ein Grab«, sagte er mit einem verschmitzten Lächeln.
Dann war sie auch schon am Tisch bei Sophia angekommen. Sophia freute sich, Maria zu sehen. Sie umarmte sie zur Begrüßung herzlich und Luigi brachte für die Frauen jeweils einen Schoppen Rotwein.
Den tranken sie immer als Erstes. Anschließend kam Luigi mit der Karte voller kleiner Köstlichkeiten.
»Hm, ich weiß gar nicht, was ich nehmen soll«, sagte Sophia.
»Ich habe gar nicht solchen Hunger, war ziemlich spät dran und habe mich jetzt beeilt, um pünktlich herzukommen«, erwiderte Maria und schnaufte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Sophia musste lachen.
»Wir können mit dem Snack ein bisschen warten. Komm erst mal an«, sagte Sophia zu Maria.
»Du hast gut reden«, murmelte Maria.
»Was ist denn los?«, wollte Sophia wissen.
»Ach nichts.«
»Hm.«
»Es ist nur alles gerade ein bisschen viel und nun fährst du auch noch so lange weg. Ich weiß auch nicht. Das hat mich aus der Bahn geworfen. Und vor allem, dass Paolo zu allem Übel die ganze Zeit hier ist. Das stört mich am meisten.«
»Hm, aber freu dich doch, dass du nicht ganz alleine bist in der Zeit und Hilfe hast.«
»Ja, sicher.«
»Oder ist da noch etwas, was dich beschäftigt? Stimmt irgendetwas nicht mit Paolo oder hast du sonst irgendwelche Sorgen?«
»Mich? Was sollte MICH schon beschäftigen? Nein, wie kommst du denn darauf? Nein, nein, alles gut«, versuchte sie, Sophia zu beschwichtigen.
Sie fragt einem Löcher in den Bauch. Als ob die ganze Situation nicht schon schlimm genug ist. Wie lange soll ich ihr noch verheimlichen, dass Alessandro und ich ein Paar sind? Das wird sie mir nie verzeihen. Nicht nach allem, was sie schon erlebt hat. Soll ich es ihr vielleicht einfach alles sagen? Das würde mir wiederum Alessandro nie verzeihen. Aber warum macht er so ein Geheimnis daraus? Ist es wirklich nur aus Rücksicht oder steckt da noch etwas anderes dahinter? Meint er es vielleicht gar nicht ernst mit mir?
»Maria, was ist denn los?« Sophia traute dem Frieden nicht so wirklich.
Irgendetwas machte sie stutzig, gerade, weil Maria so abwiegelte. Irgendetwas hatte sie doch auf dem Herzen, aber was?
»Was?«, stammelte Maria. Sie wirkte abwesend.
»Also findest du nicht, dass du total abwesend bist? Du hast doch was!«, sagte Sophia bohrend.
»Nein, ich habe nichts. Ich bin total überarbeitet«, sagte Maria nervös und zupfte sich an den Haaren herum »Lass uns über etwas anderes reden, okay?«, versuchte sie, Sophia zu überreden.
Da kam auch schon Luigi, um die Bestellung aufzunehmen.
»Gerade im rechten Moment«, lächelte Maria ihn an und war sichtlich erleichtert für die kleine Unterbrechung.
»Was darf ich euch zwei Schönheiten denn heute bringen? Ihr seht umwerfend aus wie immer.«
»Ach, Luigi. Also ich nehme den Parmaschinken mit Melone«, meldete sich Sophia sogleich zu Wort, »Ich habe inzwischen Hunger, als hätte ich den ganzen Tag noch nichts gegessen«, scherzte Sophia.
»Ich nehme das Gleiche, Luigi«, machte es Maria kurz.
»Und zwei Marsala«, rief Sophia Luigi zu, der darauf zurück an den Tisch kam.
»Bring uns einfach etwas Leckeres. Hier schmeckt alles ausgezeichnet, Luigi«, erwiderte Maria lächelnd.
Luigi strahlte und notierte hastig alles und ging davon. Einen Moment lang war es still. Maria brach das peinliche Schweigen.
»Ach Sophia, ich habe so viele Fragen an dich. Wie hast du dir eigentlich deinen Urlaub vorgestellt? Und vor allem, wieso ging jetzt alles so schnell? Wie bist du denn darauf gekommen, so weit weg zu fliegen? Das ist am anderen Ende der Welt. Ist irgendetwas passiert oder hast du jemanden kennengelernt?«, lenkte Maria ab und bombardierte sie mit Fragen, in der Hoffnung, sie würde das kleine Ablenkungsmanöver nicht bemerken und endlich Ruhe geben.
»Ach Maria. Ich werde aus dir einfach nicht schlau. Einmal bist du so fröhlich und dann wieder total verschlossen, launisch und irgendwie abwesend. Egal, du wirst schon wissen, was du tust. Das hoffe ich zumindest. Ich hab dir schon erzählt, dass ich so durch die Kataloge blätterte, und da habe ich dieses Kleinod entdeckt und mir fiel wieder ein, dass ich dort bereits als Kind schon immer einmal hinfliegen wollte. Nur damals war mir das nicht möglich. Da fehlte das Geld und später… später haben meine Eltern mich nicht mehr gelassen. Damals … damals wollte ich mit Stefano dorthin.«
Читать дальше