»Paolo Reisen hier, Buongiorno«, meldete er sich.
»Hi Paolo, hier ist Sophia aus Venedig.«
»Hi Sophia. Das ist eine Überraschung. Was gibt es denn?«
»Ich wollte fragen, ob du mich ein Weilchen entbehren kannst? Ich würde gerne, wenn es geht, im Juli eine Auszeit nehmen, etwas Urlaub machen und auch sehr gerne mal wieder meine Familie auf Sizilien besuchen«, sagte sie vorsichtig.
Paolo hatte schon des Öfteren zu ihr gesagt, dass sie sich doch mal frei nehmen solle, um auf andere Gedanken zu kommen. Schließlich hatte sie im vergangenen Jahr nicht einen Tag Urlaub gemacht. Sie hatte ständig nur gearbeitet, um den Laden nach vorn zu bringen.
Alessandro hatte während der Spielzeit keinen Tag frei bekommen und alleine hatte sie nicht fahren wollen. Also war sie die ganze Zeit arbeiten gegangen. Sie hatte Spaß daran, doch jetzt brauchte sie eine Pause.
»Sophia, nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst. Du weißt, ich schätze dich sehr. Aber am nützlichsten bist du für uns, wenn es dir wieder gut geht. Sag mir nur Bescheid, wie lange du weg bist, damit ich alles organisieren kann für den Laden. Ich werde dich dann solange vertreten«, redete Paolo ihr zu.
»Vielen Dank, Paolo. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Das ist wirklich nett. Die Erholung habe ich bitternötig. Ich war lange nicht bei meiner Familie.«
»Die Familie ist wichtig, Sophia, aber vielleicht solltest du dich auch mal in einem schönen Hotel verwöhnen lassen. Bei der Familie kannst du mit Sicherheit nicht so gut entspannen. Was hältst du davon?«
»Daran habe ich auch schon gedacht, hätte es aber vermessen gefunden, danach zu fragen. Ich hab auch schon ein schönes Hotel in der Karibik gefunden.«
»Das ist völlig okay, also sagen wir einen Monat Erholung und eine Woche Familie. Dann sichere dir das. Du tust das für dich. Es ist völlig in Ordnung. Das wird dir guttun und du hast dir das verdient. Wir werden dich zwar vermissen, aber du hast den Laden sehr nach vorne gebracht. Sieh es als Dankeschön.«
»Ja, das wäre toll! Aber nur, wenn es keine Umstände bereitet. Ist das wirklich okay? Es ist mitten in der Saison«, fragte sie noch einmal nach.
»Ja, es ist wirklich kein Problem. Du hast auch noch deinen ganzen Urlaub vom vergangenen Jahr. Irgendwann musst du ihn nehmen. Ich kann ihn dir unmöglich komplett auszahlen. Du brauchst auch Erholung«, lachte Paolo am anderen Ende der Leitung.
»Oh Wahnsinn. Danke, danke, vielen Dank, Paolo. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue«, sagte Sophia aufgeregt. Sie war den Tränen nah.
»Na dann sichere dir den Platz und erhole dich gut. Ciao Sophia«, sagte Paolo noch zur Verabschiedung.
»Ja, das mach ich. Ciao Paolo.«
Sophia, die immer noch alleine im Laden war, legte den Hörer auf und stieß einen kurzen Freudenschrei aus.
Sie wandte sich ihrem Bildschirm zu und drückte auf BUCHEN . Jetzt war alles unter Dach und Fach. Jetzt gab es kein Zurück mehr.
Karibik, vier Wochen, ich muss total verrückt sein, dachte sie. Sie konnte es immer noch nicht fassen, dass sie es tatsächlich getan hatte.
Maria kam gerade von der Toilette zurück, als sie einen spitzen Schrei vernahm und aus Angst, es könnte etwas passiert sein, zurück in den Kundenbereich eilte.
»Was ist denn los? Hast du mich vielleicht erschreckt!«, sagte sie aufgebracht.
»Ha, du wirst es nicht glauben. Ich habe es tatsächlich getan«, freute sich Sophia.
»Was denn? Was hast du getan?«, wollte Maria nun ganz genau wissen, denn sie konnte noch immer nichts mit Sophias Bemerkungen anfangen.
»Ich habe endlich Urlaub gebucht und rate mal wohin«, erzählte sie aufgeregt.
»Ich weiß nicht. Mach es doch nicht so spannend. Erzähl schon!«
»Karibik – vier Wochen«, platzte es aus ihr heraus.
»Was? Vier Wochen?«, fragte Maria entsetzt und wurde blass.
»Allerdings.«
»Du kannst mich doch hier nicht alleine lassen und vor allem so lange«, jammerte Maria.
»Du bist nicht alleine. Paolo wird mich hier solange vertreten. Ich habe gerade mit ihm telefoniert und alles besprochen. Vorher fahre ich noch für eine Woche zu meiner Familie nach Sizilien«, sagte Sophia voller Vorfreude.
»Ich muss mich setzen«, sagte Maria.
»Nicht fünf Wochen mit Paolo. Du weißt doch, wie er ist. Irgendetwas hat er. Er ist so komisch zu mir«, druckste Maria herum.
»Ach, das glaub ich nicht. Er ist zwar speziell, aber ich glaube nicht, dass er etwas gegen dich hat«, versuchte Sophia Maria zu beruhigen.
Maria wurde übel und sie wollte nur noch nach Hause.
»Du wirst schon sehen. Alles wird halb so schlimm und ich bin bald wieder da«, sagte Sophia.
»Wann fährst du denn los?«, wollte ihre Freundin nun wissen.
»Also in der zweiten Juliwoche geht es zu meiner Familie nach Sizilien und danach für vier Wochen in die Karibik. Ich freue mich so, dass ich das jetzt endlich gemacht habe. Da wollte ich schon immer mal hin.«
»Aber melde dich zwischendurch und schreib mir eine Karte«, sagte Maria traurig.
»Ja, das mach ich doch. Das weißt du doch. Los jetzt, Maria, lass uns den Laden schließen, wir wollen doch nachher noch zu Luigis Bruder in die Bar. Ich freue mich schon auf heute Abend.«
»Na dann los. Ich freue mich auch«, antwortete sie gedankenverloren und zog die Tür hinter sich zu und schloss den Laden ab.
»Ciao Maria, ich muss hier lang. Bis nachher.«
»Ciao Sophia. Wir treffen uns um acht auf dem Markusplatz. Ich lasse einen Tisch für uns reservieren«, rief Maria ihr noch nach.
»Alles klar, bis später«, rief Sophia zurück und winkte ihrer Freundin, bevor sie um die Ecke bog und im Getümmel auf der belebten Straße verschwand.
Die Vorstellung fing gleich an und Alessandro war gerade dabei, sich für die Aufführung umzuziehen, als sein Telefon klingelte. Er zog es aus der Hosentasche.
Maria stand auf dem Display.
Er wunderte sich kurz und ging ran.
»Hallo, wie komme ich denn zu der Ehre? Ist etwas passiert? Du sollst doch nicht so kurz vor einer Vorstellung bei mir anrufen. Da stecke ich in den letzten Vorbereitungen«, meldete sich Alessandro.
»Ich weiß, aber es muss sein. Stell dir mal vor, was ich für einen Tag hinter mir habe. Erst der Andrang im Laden, die Heimlichtuereien und dann macht Sophia auch noch Urlaub. Fünf Wochen, das musst du dir mal vorstellen. Ohne mit mir darüber zu sprechen. Das ist zu viel für meine Nerven. Zu allem Übel wird Paolo sie vertreten. Er war hinter mir her wie der Teufel hinter der Seele. Ich halte das nicht aus«, redete sie viel zu schnell auf ihn ein.
»Du, ich hab gleich Vorstellung. Ich möchte nicht unhöflich sein, aber ich habe wirklich keine Zeit für dich, Maria. Ich muss los. Lass sie doch. Sie wird ein bisschen Ruhe brauchen nach all der Aufregung und den Ereignissen der letzten Wochen. Sei nicht böse, aber ich kann jetzt nicht mit dir telefonieren, Schatz. Ich muss los. Lass uns morgen reden«, erwiderte er.
»Das kann doch nicht wahr sein. Du musst nicht seit Wochen gute Miene zum bösen Spiel machen. Was meinst du, wie sie reagiert, wenn sie das von uns erfährt? Ich bin mit den Nerven am Ende. Jeden Tag muss ich ihr etwas vorspielen und aufpassen, was ich sage. Weißt du eigentlich, wie schlimm das ist? Natürlich nicht. Wann wollen wir es ihr endlich sagen? Sie ist meine beste Freundin«, sagte sie wenig freundlich durch den Hörer.
»Beruhige dich und mach dir einen schönen Abend. Ihr wolltet doch weggehen heute Abend. Wir sehen uns morgen, Schatz. Ich muss jetzt wirklich los. Mach dir nicht immer so viele Gedanken um andere. Ich drück dich«, sagte er und wartete keine Antwort ab, sondern legte einfach auf.
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