Michael Schenk - Die Pferdelords 07 - Das vergangene Reich von Jalanne

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Mit der zwölfteiligen Saga um die Pferdelords entsteht die faszinierende Chronologie eines Reitervolkes. Im Verlauf der Abenteuer entwickeln sich Kultur und Technik der beteiligten Völker, vom einfachen Signalspiegel hin zum optischen Präzisionsinstrument, der Dampfmaschine und, im letzten Abenteuer, sogar dem Luftschiff. Die Pferdelords begegnen bestehenden und untergegangenen Königreichen, den Elfen des Waldes und denen der See, Zwergen, Sandbarbaren, fliegenden Lederschwingen und krebsartigen Irghil, immer wieder bedroht von den Orks des schwarzen Lords und seinen gestaltwandlerischen Magiern. Die Pferdelords lassen eine faszinierende Welt entstehen und unterhalten mit Action, Spannung und Humor.
Hier liegt die Reihe nun erstmals in einer vom Autor überarbeiteten und ergänzten e-Book-Ausgabe vor. Jedes Abenteuer ist in sich abgeschlossen.

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ganze Nacht hindurch habt Ihr über Listen gebrütet und an Eure Pflichten

gedacht.«

»Der Hohe Herr Tasmund hat mir eingeschärft, nichts zu übersehen.«

Larwyn lachte leise. »Und doch ist Euch etwas entgangen, mein Freund.«

Nedeam ging im Geiste fieberhaft die Dokumente durch, die er bearbeitet

hatte. Die Vorräte der Festung mussten aufgestockt werden, drei Sättel waren

zu ersetzen und zwanzig Pferde einzureiten. Zwei neue Scharführer mussten

benannt werden, aber das würde die Versammlung der Schwertmänner selbst

übernehmen, und deren Urteil konnte er vertrauen.

Die Herrin der Hochmark lachte erneut. »Denkt an die Bedeutung des

heutigen Tages für Euer Leben, Nedeam.«

Der Erste Schwertmann errötete. »Ich habe es nicht vergessen. Ich wollte

nur …«

Abermals unterbrach sie ihn, und ihre Stimme war gleichermaßen sanft

und bestimmt. »An einem Tag wie diesem sollten Eure Gedanken nur der

Verbindung mit Eurem künftigen Weibe gelten. Heute wird Llarana zu

Llaranya werden. Ein Moment von großer Bedeutung für unser Volk und für

das der Elfen. Würdigt ihn, Nedeam, denn mit diesem Tag beginnt ein neuer

Abschnitt in Eurem Leben. Also, geht nun. Heute werdet Ihr Eure Elfin

wiedersehen. Vergesst die Arbeit und widmet Euch ganz dem freudigen

Ereignis.«

Nedeam nickte zögernd. Der angebrochene Tag war tatsächlich etwas

Besonderes. Heute würde die Verbindung zwischen Llarana und Nedeam

offiziell besiegelt werden. Das Datum war mit Bedacht gewählt worden, denn

an den Weißen Sänden des elfischen Volkes lagen die Schiffe bereit, um auch

die letzten Elfen endgültig zu den Neuen Ufern zu bringen. Er freute sich

darauf, Llarana genau an diesem Tag zu ehelichen, auch wenn ihm die

Zeremonie selbst ein wenig Unbehagen bereitete. Sie würde nicht dem Ritus

des Pferdevolkes, sondern dem der elfischen Häuser folgen. Sein

Einverständnis dazu war das Mindeste, was er seiner Llarana und den Elfen

schuldete. Sie war eine Unsterbliche und dazu bereit, ihr Volk aufzugeben,

um an seiner Seite zu bleiben. Ein beachtliches Opfer. Nedeam würde altern,

und irgendwann musste Llarana allein zurückbleiben. Sie empfanden beide

Furcht davor, und doch war ihre Liebe groß genug, das Schicksal

anzunehmen. »Kurzen Jahren des Glücks mögen lange Jahre der Trauer und

Einsamkeit folgen«, hatte Llarana schlicht gesagt, »doch werde ich immerhin

zu jenen gehören, denen für eine Weile das größte Glück beschieden war. Das

wird mir immer ein Trost sein.«

Wie so oft im Leben, schienen auch hier Freude und Leid miteinander

verknüpft zu sein.

Aber die Hohe Dame Larwyn hatte recht. Dieser Tag gehörte nur dem

freudigen Ereignis.

Kapitel 3

Der Beritt der Garde hielt oberhalb der Straße. Bald würden die Ruinen der

alten Stadt Breonaris vor den Reitern auftauchen. Vor einem Zehnteltag

hatten sie in der Ferne ein Rudel Geweihtiere entdeckt, das die gepanzerte

Truppe neugierig beobachtete. Von den grausamen Irghil war hingegen nichts

zu sehen, bis auf eine undeutliche Spur. Nur noch ab und zu waren einzelne

Abdrücke zu finden.

Vor dem Beritt erstreckte sich eine grasbewachsene Ebene. Die Truppe

hatte auf dem Kamm eines Hügels gehalten, an dessen einer Flanke

Regenstürme etwas Boden fortgeschwemmt hatten, sodass die rötliche Erde

zutage trat. Eine günstige Stelle, um Spuren der Irghil zu finden, wenn es sie

denn gab.

Zwei der Männer waren gute Fährtenleser und saßen ab, um den Hang

Stück für Stück abzusuchen. Schließlich hob einer von ihnen die Hand. »Hier

sind Abdrücke.«

Kommandeur und Hauptmann schritten nebeneinander zu der angezeigten

Stelle hinüber. Einer der Fährtenleser war in die Hocke gegangen und deutete

auf einige Vertiefungen, die Hauptmann ta Geos nur wenig sagten. »Seid Ihr

sicher, dass es die Fährte der Bestien ist?«, wandte er sich zweifelnd an die

Männer. »Ich kann da kaum etwas erkennen. Falls es wirklich Spuren sind,

scheinen sie mir doch schon sehr alt zu sein.«

Bevor einer der Fährtensucher etwas erwidern konnte, ging auch der

kleinere Kommandeur in die Hocke. Er zog den gepanzerten Handschuh aus,

und seine schlanken Finger glitten an den Konturen am Boden entlang. »Nein,

sie sind nicht alt, Hauptmann. Die Erde ist nur trocken. Seht, wie leicht sie

zwischen den Fingern zerbröckelt. Dies hier und auch das dort scheinen mir

Abdrücke ihrer Klauen zu sein. Sie sind uns zwei oder drei Zehnteltage

voraus, nicht wahr?«

Einer der Spurenleser nickte respektvoll. »Wir können sie einholen.

Beachtet die geringen Abstände zwischen den Abdrücken. Sie haben sich

nicht sonderlich beeilt.«

Bernot ta Geos rieb sich erfreut die Hände. »Dann rechnen sie auch nicht

damit, dass wir sie verfolgen.«

»Dennoch dürfen wir nicht leichtsinnig werden«, mahnte der Kommandeur

mit weicher Stimme. »Sie sind Bestien, aber wir sollten nie vergessen, dass

sie schlau sind.« Der Offizier mit den drei Federn am Helm richtete sich auf.

»Wir folgen den Spuren, Bernot, aber ich will, dass wir ab sofort in

Kampfformation reiten.«

Üblicherweise bewegte sich die Gardekavallerie in Viererkolonnen. Aber

in Jalanne war man gezwungen, die Kolonnenstärke zu erhöhen. Denn die

bestialischen Irghil in diesem Land waren grundverschieden von den

herkömmlichen Gegnern der Alnoer, den Sandbarbaren und Orks. Diese

lauerten weiter im Osten in der Wüste von Cemen’Irghil. Man konnte nie

ausschließen, dass sie einen Vorstoß nach Jalanne wagten und die Grenzen

Alnoas bedrohten. Barbaren und Orks begegnete man mit Schwert und Lanze

und mit spitzen Kriegspfeilen. Die Panzer der Irghil hingegen ließen sich

damit nicht durchdringen. Die Gardeabteilung aus der Festung Maratran

musste sich also notgedrungen gegen beide Bedrohungen wappnen. Ein

Drittel der Kavalleristen führte daher die klassischen Waffen, der Rest jene,

die man speziell gegen die Bestien entwickelt hatte: Tellerlanzen und

Quetschpfeile.

Die Abteilung ritt nun in Sechserkolonne. An den Außenseiten die Männer

mit den Tellerlanzen, dann folgten die Bogenschützen mit den Quetsch- und

Kriegspfeilen, und die Gardisten mit den gewöhnlichen Lanzen befanden sich

in der Mitte.

Hauptmann Bernot ta Geos war nach einem Gespräch zumute. Er glaubte

nicht mehr daran, dass sie die Irghil noch stellen würden. Missmutig sah er

seinen Kommandeur von der Seite an. »Die Lemarier sind Narren. Sie

benutzen nicht einmal die Signalspiegel, die wir ihnen gegeben haben. Sie

bräuchten uns nur nach Maratran zu signalisieren, dass sie Handelsware

haben oder Hilfe benötigen, und wir würden sofort aufbrechen und ihnen

beistehen.« Er spuckte verächtlich aus. »Stattdessen versuchen sie immer

wieder, sich an den Bestien vorbeizuschleichen und lassen sich abschlachten.

Narren. Verdammte Narren.«

»Sie mögen Narren sein«, seufzte der kleinere Reiter, »aber vor allem sind

sie stolz, und das ist etwas, was ich gut verstehen kann. An ihrer Stelle

würden wir vielleicht genauso handeln.«

Bernot lachte trocken. »An ihrer Stelle …« Der Hauptmann verstummte,

als der Kommandeur sich leicht im Sattel aufrichtete. »Was ist?«, fragte er

angespannt. »Könnt Ihr etwas sehen? Irghil?«

Die kleine Gestalt schüttelte zögernd den Kopf. »Nein, nicht sehen, mein

guter Bernot. Aber ich fühle, dass etwas nicht stimmt. Ich spüre ihre Nähe.«

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