»Da war sie doch höchstens achtzehn Jahre alt«, sagte ich.
»Na und - die Colons, also die französischen Siedler in Algerien hatten einen schweren Stand in Algerien, waren auch selbst daran Schuld mit ihrer seltsamen Politik. Ja, und da musste jedes Mitglied der Familie ob Junge oder Mädchen mit anpacken, sonst hätten sie sich niemals so lange halten können. Wie gesagt, die Bergerac hatte eine alte Fieseler Storch aus dem letzten Krieg. Beutegut aus deutschen Beständen. Zouzou karrte mit der Maschine alles bei, was Colons so brauchten.«
»Woher weißt du das alles, Janine?«
»Mein Cousin Armand ist mit Zouzou' Tante verheiratet und die liebe Zouzou schreibt mir regelmäßig das Neueste aus Verwandschaftshausen. Mir gefällt das sehr gut. Familientratsch sozusagen - hast du was dagegen? Ihr Papa sitzt in Mopti und wartet auf den Unimog und das Equipment das ihr runterkarren sollt. Die Bergerac und alle Colons hat das Desaster in Algerien bettelarm gemacht. Sie brauchen Geld und du sollst sie am Geldverdienen nicht hindern, Francesco. Du fährst mit ihr die Route nach Mali ab, übergibst das Fahrzeug und an Colonel Bergerac und verschwindest wieder mit der Kleinen. Du hast damit nichts mehr zu tun und kommst gesund und munter zu der Frau zurück, die dich über alles lieb hat, zu deiner süßen Janine, die du dann heiraten wirst. Übrigens, du musst dir keine Gedanken über Jean machen. Jean hat eine Geliebte in Brüssel, im Nato Hauptquartier. Alice Falconi aus Padua, ebenfalls KGB Agentin wie ich, die Jean alles ausfragt, was er mir nicht erzählen möchte. Jean wird bestens vom KGB bedient! Was ist mit dir, Francesco?«
»O Tempora O Mores, ist das alles eine Idiotie. So ein Affenaufstand nur um ein Fahrzeug nach dem Kongo zu karren. Da muss doch noch mehr sein?«
»Mehr weiß ich auch nicht, Francesco. Es ist bestimmt nur ein kleiner Teil der CIA - Pläne. Colonel Bergerac wird vermutlich seine Expedition von Mopti über den Fluss Niger nach Port Harcourt in Nigeria bringen. Dort laden sie vielleicht um auf einen Küstendampfer und die getarnte Expedition verläuft auf dem Seeweg von Port Harcourt durch den Golf von Biafra an der Küste von Gabun vorbei, bis nach Luanda. Dort wird gelöscht und das Zeug geht nach Dilolo. So vermuten wir jedenfalls. Wir würden das Fahrzeug schon in einem europäischen Hafen verschiffen. Das macht uns ja so misstrauisch. Bist du bei der Party jetzt noch dabei, Francesco?«
»Weiß ich noch nicht genau, Janine. Eigentlich ist es mir gründlich vergangen. Im Grunde genommen weißt du gar nichts, Janine. Weder du, noch dein KGB. Ihr seid so schlau wie der Idiot Vancelli. Ich mache mit, aber nur bis Mali, dann ist Ende der Fahnenstange. Du bedeutest mir sehr viel, Janine Knöpfler, doch die Janine Rachmanikoff, KGB Leiterin Büro Genf, wird von mir keine Detailinformationen erhalten. Kannst du damit leben, Liebes?«
»Ja Frantschi, es geht. Wichtig für mich ist, dass du auch nicht für die andere Seite arbeitest. Tust du doch nicht, oder?«
»Ich arbeite nur für mich, Rachmanikoff!«
***
Die Eisenbahn rumpelte von Nyon nach Lausanne. Bei jedem Schlag, den die Waggons über die Dehn-Schwellen der Geleise machte, hämmerte es in meinem Schädel: Bist du bei der Party jetzt noch dabei, Francesco?
Janine sah mich fast bittend an, als sie dies fragte. Vom Hauptbahnhof Lausanne telefonierte ich nach Nyon. Jean war am Telefon und ich sagte ihm, dass ich bei der Sache mit von der Partie sein werde. Jean Knöpfler war plötzlich wieder der Alte. Wie je zuvor. Ich telefonierte auch noch mit meinem Chef Ullrich Wegener und teilte ihm mit, dass ich mit dem nächsten Flieger von Lausanne nach Zürich fliegen werde. Er musste an meiner veränderten Stimmung gemerkt haben, dass ich noch einige Erklärungen von ihm einfordern werde. Kleinlaut, was ja sonst nicht seine Art ist, bat er mich zum Essen einladen zu dürfen.
Am Mittag spielten Ullrich Wegener und Markus Helmer Empfangs-Komitee am Flugplatz Zürich-Kloten. Helmer sah mich verlegen an und Ullrich Wegener, das kleine fette Energiebündel sprang forsch auf mich zu und mit seinen Bärentatzen schüttelte er meine beiden Hände. Wegener war nicht unsympathisch, im Gegenteil. Seine joviale und leutselige Art gefiel den meisten Menschen. Mir auch. Wir fuhren von Kloten nach Zürich und Wegener lud zum Essen in das Restaurant "Baur au Lac".
Beim Martini wollte Wegener noch vor dem Hauptmenü seine Fronten abgesteckt wissen. Ich spürte dies und sagte ihm, dass ich alles über meine bevorstehende Reise wüsste, und darüber hinaus auch von seinen Beweggründen unterrichtet sei. Er wollte gar nicht wissen, woher ich diese Informationen erhalten habe. Vermutlich sah er in Zouzou Zizanie die Informantin und schien dies auch als völlig in Ordnung zu sehen. Wegeners dicker Glatzenschädel glänzte wie ein polierter Nonnenbauch, als ich ihm auch mitteilte, dass ich meinen Beitrag zu diesem Unternehmen leisten werde. Markus Helmers Adamsapfel konnte sich nicht mehr beruhigen. Er strahlte, klopfte mir freudig auf meinen Unterarm und war der Annahme, dass der Agentenring um ihn, eine Neugeburt zu vermelden habe Wir besprachen einige Einzelheiten bis zum geplanten Abflug nach Algier und es wurde doch noch ein gelungener kulinarischer Abend.
Mir blieb keine andere Wahl als gute Mine zum bösen Spiel zu machen. Lehnte ich ab, so würde mich Wegener fristlos aus seinem Laden entfernen. Nicht jetzt, dachte ich, nicht nachdem ich mir endlich ein neues Appartement mit Seeblick und Gästezimmer in Küsnacht zulegte, ein einmaliges Schnäppchen. Wenn die Maler rechtzeitig fertig würden, könnte ich noch vor meiner Reise einziehen. So meine Gedanken.
»Da wäre noch eine Sache Herr Wegener, die müsste geklärt dringend werden«, sagte ich forsch.
»Spuck dich aus, mein Junge!« Wegener lachte.
»Meine relativ schmale Apanage verträgt eine kleine Anpassung!«
»OK, Francesco, du kommst morgen früh in mein Büro, und dann sehen wir uns mein Budget an. Da ist bestimmt noch etwas für dich zu machen. Übrigens, Solange ist vor einer Woche nach Marseille geflogen, um noch die nötigen Vorbereitungen zu tätigen. Sie wird morgen wieder hier sein. Du holst sie am Flughafen Kloten ab, Francesco, einverstanden? Im Übrigen, du kannst mich Ullrich nennen!«
»Natürlich hole ich Zouzou von dort ab, Ullrich.«
»Wo ist eigentlich Willy, Francesco?«, fragte Helmer.
»Willy wollte unbedingt bei Janine bleiben, sie kauft ihm immer schöne fette Schweinswürste, und er muss nicht die eklig zubereiteten Zouzou-Bio-Törtchen fressen. Janine einen wunderschönen Garten mit riesigen Bäumen darin, und jede Menge freche Katzen, die Willy vor dem Frühstück jagen kann.«
»Oh je. Zouzou wird dir das nie verzeihen, Francesco«, sagte Ullrich Wegener.
»Das glaube ich auch, Ullrich«, erwiderte ich.
Ich fuhr zum Flughafen Zürich-Kloten um Zouzou abzuholen. Morgens war ich bei Wegener und habe mir meine Gehaltserhöhung abgeholt. Ullrich zeigte sich gar nicht kleinlich. Ich war mehr als zufrieden. Danach begab ich mich nach Küsnacht und die Handwerker meinten, dass ich nächste Woche einziehen könne. Alles lief nach Plan. Zouzou sah ich aus dem Flieger steigen und mit suchendem Blick, ob sie auch jemand abholen würde, zelebrierte sie den Aus- und Abstieg aus dem Flugzeug. Zouzou trug weiße Netzstrümpfe, die ihre endlos scheinenden Beine, geschickt betonten. Dazu dunkelblaue "Hot Pants", wie sie in den europäischen Großstädten getragen wurden, und dazu ein blaues Beret Basque. Eine Algerien-Französin, wie aus dem Bilderbuch. Und dann entdeckte sie mich! »Frantschieee!«
Sie rief es schon von weitem, und ließ dabei ihr Handgepäck zum Entsetzen der Mitreisenden fallen um auf mich zu stürmen. Ich fing sie auf, und sie sprang hoch wie ein kleines Kind, das ihren Papi begrüßte. Sie schwang ihre Beine um meine Hüften und verschränkte sie in hinter meinem Rücken. Von ihrem ungestümen Schwung, kam ich in eine Drehbewegung und fast hätten wir die stehen gebliebene Menschenmenge niedergewalzt.
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