Meine Begleitung, Zouzou Zizanie Solange Bergerac, mit dem echten falschen Schweizer Pass, ausgestellt auf den unverschämten Namen Chiara Vancelli, den Namen meiner ehemaligen Verlobten. Diese Geschichte hatte ihr bestimmt Janine zugeflüstert, da verwettete ich einiges. Von wem sie diesen Pass erhielt, den ich erstmals in der Abflughalle Kloten zu Gesicht bekam, wusste ich nicht. Konnte eigentlich nur aus Harrys dunklen Kanälen stammen. Zouzou war zornig auf die schöne Flugbegleiterin und flötete: »Nein, vielen Dank, liebes Fräulein. Ich hatte ein ausgiebiges Essen mit meinem Mann! Stimmt es, Karl-Heinrich?«, und dabei sah sie mich sehr giftig an.
»Ja, Mausi«, sagte ich, »sag mal, Mausi, wie hast du denn deine belgische Zimmer-Knarre mit 14-Schuß Dumdum Patronen durch die Gepäckabfertigung geschmuggelt?«
»Noch eine Ton, Karl-Heinrich und ich knalle dir eine auf die Gehirn!«
Die reizende Flugbegleiterin wurde etwas blass um ihre kleine süße Trompetennase und zog sich sofort zurück. Kurze Zeit später kam sie mit einem Flugoffizier wieder und jener forderte Zouzou auf, mit ihrem Handgepäck in ein separates Abteil zu folgen. Sie wurde gefilzt und kam nach zehn Minuten wieder zurück.
»Sie müssen wissen, dass mein Mann manchmal eine Plemplem bekommt und dann verrückt ist in die Gehirn. Er ist nicht mehr so jung, und dann ist das oft so mit ihm.« Zouzou sagte es in voller Überzeugung.
Unter uns die Ödnis des Rhônedeltas und vor uns der Flughafen Marignan von Marseille. Die Vickers Viscount der Swiss Air schien unmittelbar vor dem Aufsetzen an unsichtbaren Fäden in der Luft zu verhalten, um dann mit Bocksprüngen ähnlich, stark holpernd und rumpelnd die Betonpiste zu durchfahren.
»Haben dich die Filzläuse ordentlich gefilzt und deine Flak gefunden?«, fragte ich scheinheilig.
»Nein, du Blödmann, was denkst du denn! Das verzeihe ich dir nie, Tonton. Ich bin immer so eine liebe Zouzou Zizanie zu dich.«
»Das war nur eine kleine Warnung, Zouzou. Stelle mich nie wieder vor vollendete Tatsachen.«
»Die Tatsachen sind ja noch gar nicht fertig«, sagte sie trotzend und machte dabei einen Schmollmund.
»Ich rede von den Tatsachen in Zürich-Kloten am Flugplatz. Von wegen Marseille anstatt Algier, und deinem Schweizer Pass mit dem Namen Chiara, Ehefrau von mir und so!«
»Schämst du dich mit mir als die Ehefrau von dir? Ich wäre gerne die Ehefrau von meinem Tonton. Ich würde dir nicht nach sechs Monaten Ehe mit einem Algerier Wegbrennen wie Bijou, und dich nicht nach fünf Jahren Verlobung mit die Koffer in die Hand nach Lugano zu einem Italiener gehen, und von dem dort die Bambini kriegen. Wie Chiara, deine Dauerverlobte. Ich nicht!«
»Deshalb habe ich dich doch am Flughafen geheiratet, Zouzou. Ich weiß, dass du nie Wegbrennen würdest und die Tonton, mit die ganz große Plemplem und den vielen Schulden, die er hat alleine lässt, weil du die tollste Nichte bist, die ein Onkel, der ich nicht bin, haben kann!«
»Tonton, warum gucken die Leute so komisch?«
Als wir die Gangway erreichten, schenkte uns die Besatzung des Fliegers noch einige seltsame Blicke, die wir jedoch großzügig grinsend übersahen. Wir wiesen unsere Pässe vor, und die Landekarten. Ein Beamter drückte einen Stempel auf die Landekarte, prüfte die Pässe, sah sich unsere Gesichter an, besonders das von Zouzou, lächelte sie an und wies uns den Weg zur Zollkontrolle. Die echten falschen Papiere von Zouzou, alias Chiara Vancelli, bestanden ihre Prüfung.
Zouzou schien in Marseille zu Hause zu sein, sie kannte jeden Winkel dieser Stadt und entsprechend dirigierte sie den Taxifahrer durch allerlei Straßen der Stadt um schließlich vor einem kleinen schön anzusehenden Stadthotel anzuhalten. "Maison le Joyneuse" hieß das Gebäude mit dem etwas anrüchigen Namen. Der Empfangschef in Form und Größe eines Kleiderschranks empfing uns und sagte, dass eine Mademoiselle Vancelli uns bereits erwarte. Er gab mir noch einen respektvollen und vieldeutigen Blick.
Das schmale Haus mit drei Etagen war supermodern, aber nicht kühl wirkend eingerichtet. Es machte einen sehr sauberen Eindruck und man konnte, wenn man den Namen " Maison le Joyneuse" nicht beachtete, keine Rückschlüsse auf irgendwelche Zweckentfremdungen erkennen, außer einer üblichen Übernachtung. Der schwere vierschrötig erscheinende Empfangschef führte uns arg schnaufend über schmale Treppenstufen hinauf ins oberste Stockwerk.
»Zouzou, ich will ja nicht meckern, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass dies ein Stundenhotel ist. Zwar ein edles, aber dennoch ein solches. Außerdem, wieso wartet Fräulein Vancelli auf uns? Du bist doch hier, und eine Jungfrau bist du, seitdem du den gefälschten Pass auf den Namen Chiara Vancelli, meiner Ex Verlobten hast, auch nicht mehr. Haben wir seit unserem Abflug eine gemeinsame Tochter, und ich weiß mal wieder nichts davon?«
»Wir haben keine Tochter, Tonton. Du hast nur eine neue Schwester bekommen, und die hat in der Kürze die Zeit, keine Zimmer die gut ist, bekommen. Morgen ziehen wir um in die gute Hotel, weil das Hotel hier, nur für die Stunde ist. Deine Schwester ist sehr charmant und hat von dem Kerl da, die ganze Nacht gekriegt für uns drei, für weniger Gelder!«
»Zouzou?«
»Ja, mein Tonton!«
»Wie heißt denn meine neue Schwester - kenne ich sie?«
»Sie heißt Sabi Loulou, die beste Martinimacherin von Zürich. Sagst du doch immer!«
»Aha, also deine Schwester Sabi Loulou Bergerac?«
»Nicht mehr, mon Tonton! Meine Schwester Sabi Loulou ist jetzt deine Schwester Bijou Vancelli! So steht es in ihrem Reisepass.«
»Seit wann ist sie meine Schwester und warum?«
»Seit dem Gestern! Und sie ist deine Schwester, weil sie als Sabi Loulou Bergerac mit französischem Pass nicht so sicher in Algerien ist. Als Schweizerin ist sie sicherer, so wie ich als die Ehefrau von meinem Tonton sicherer bin, oder? Ist doch logisch!«
»Ist mir klar, Zouzou! Kommt sie mit auf die Tour?«
»Natürlich Tonton!«
Der wandelnde Wandschrank auf Beinen, blieb vor einer Tür stehen, und deutete an, dass dies unser Zimmer sei. Dabei zwinkerte er von oben herab mit einem Auge auf mich. Ich tat gelassen, als sei es die Art meines Lebens, ein Teil meines Daseins hier auf Erden mit schönen Damen zu reisen um mit ihnen mein Vermögen zu verjubeln. Ich gab ihm ein gutes Trinkgeld, einen größeren Geldschein. Bestimmt kam es nicht so oft bei ihm vor, dass ein Gentleman wie ich gleich mit zwei Schönheiten eine Kemenate belegte. Ich sagte ihm, dass wir für morgen früh um acht Uhr ein ausgiebiges Frühstück wünschen. Für die Mädchen solle es Kaffee mit knusprigen Croissants und Orangensaft geben, und für mich ein halbes dutzend Eier mit Speck und Weißbrot, und dazu eine Kanne Tee mit Rum. Zouzou sah mich mit vorwurfsvollen zusammengezogenen Falten zwischen ihren Augenbrauen an. Gleich wird sie explodieren, dachte ich.
Das Zimmer war im Stil der Makart-Epoche eingerichtet. Über dem Bett hing ein durchsichtiger Baldachin aus feinster Seide, und wir saßen zu dritt unter dem Seidenhimmel. Das Wiedersehen mit Sabi Loulou war sehr herzlich gewesen. Sabi ist ein wunderbarer Mensch und ich habe sie schon immer sehr gemocht, mehr noch als das, aber das wusste sie nicht. Glaubte ich zumindest. Ich blätterte in einem Magazin und die beiden Mädchen Zouzou und Sabi Loulou palaverten in spanischer Sprache. Sabi Loulou sprach ein perfektes spanisch wie ich hörte konnte. Zouzou hatte darin einige Schwierigkeiten, hielt aber in einem Mischmasch aus spanisch und französisch munter mit. Meine französischen Sprachkenntnisse waren zwar für mich ausreichend, aber den Dialekt, den Zouzou mit in das Palaver einbrachte, verstand ich nicht. Eigentlich verstand ich einfach gar nichts.
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