»Je voudrais papoter en francais et allemand, s´ill vous plaît! Warum palavert ihr in Spanisch?« Ich war schon etwas verärgert und sagte ihnen, dass ich mich lieber in französisch oder in deutsch unterhalten möchte.
»Weil die Besatzung von die Schiff spanisch ist und wir üben müssen!« sagte Zouzou.
»Mala suerte, Zouzou. Wir haben vergessen, wo wir den lieben guten Francello heute Nacht unterbringen. Ich habe für ihn kein Zimmer reservieren lassen.«
»Wir legen die Tonton in die Bett, bis er schläft, und dann stellen wir ihn einfach in eine Ecke.«
»Nein Zouzou, du bist zu grausam zu unserem Jungen. Wenn er eingeschlafen ist, dann tragen wir ihn in das Bad. Die Badewanne ist supergroß, dort kann Francello ratzen, bis zum Frühstück.«
»Nein, oh grausame Schwestern, ich will auf dem durchsichtigen Baldachin schlafen, aus feinster Seide, und mit zorniger Pupille auf euch glotzen.«
»Nein du Spanner«, sagte Sabi Loulou, »du kommst in die Wann.«
»Er kommt in die Ecke!« schrie Zouzou.
»Ich will auf das Baldachin klettern!«
»Das ist zu durchsichtig Tonton. Du willst uns ja nur auf die schöne Gebeine glotzen.«
»El querido babuinito, will unbedingt klettern!« meinte Sabi Loulou.
»Zouzou, deine Schwester, äh, meine Schwester Sabi Loulou hat Pavian zu mir gesagt. Sag ihr, dass ich nicht der Pavian bin, weil die Paviane immer die gerötete Popo haben, die ich nicht habe!«
»Sabi Loulou, die Tonton haben nicht die gerötete Popo. Ich habe zwar noch nicht die gerötete Popo von Tonton gesehen, aber bestimmt ist die Popo von ihm nicht so gerötet.«
»Ich gehe ins Wasser, wenn ich nicht das Baldachin kriege!«
»Wir gehen nicht in die kalte Wasser. Wir steigen jetzt in eine Flasche Rotwein, einen Sidi Brahim mit Weißbrot.«
Zouzou schwang eine Flasche Rotwein und die beiden quatschten munter drauf los. Sabi Loulou war eine Nummer für sich. Obwohl ich anfangs eine Ähnlichkeit mit Zouzou zu sehen glaubte, haben sie nur zwei Dinge gemeinsam, die Größe und diesen doch charismatischen Bewegungsablauf. Sabi Loulou, war ein wenig ernster im Habitus, und besaß einen trockenen Humor. Sie sprach perfekt die deutsche Sprache, ohne Akzent, wenn sie es denn wollte. Meistens unterstrich sie ihre Sätze mit modernen Vokabeln, wie sie von den jungen Leuten gesprochen wurden, und die in keinem Wörterbuch zu finden waren. Ihre Haare waren von Natur dunkelblond, und je nach Laune konnten sie auch hellblond oder rot gefärbt sein. Ihr hätte ich auch noch grün gefärbtes Haar zutrauen.
Sie nannte mich Francescollo Vancinello, weil ich von italienischer Abstammung war, und wenn Sabi Loulou besonders gut gelaunt war, und dass war sie eigentlich immer, dann nannte sie mich einfach Francello oder Cello, oder Cnollo. Kurz nach Mitternacht erklärte ich den beiden, dass ich noch Zigaretten holen wollte. Sie meinten, dass ich mich nicht in Marseille auskenne und mich leicht verlaufen könne. Ich erwiderte, dass ich nur um die Ecke spitzen wollte und in einem Bistro bestimmt noch welche bekommen könnte.
Nach wenigen Metern zu Fuß, fand ich ein Bistro, einen Automaten für Zigaretten, sowie eine illustre Gesellschaft, die mich sogleich in ihre Reihen aufnahm. Nach einigen Gläsern gefüllt mit "Escorial Grün!" forderten sie mich auf, mit ihnen einige Spelunken noch unsicher machen zu wollen. Ich ging mit ihnen, und mit Mimi, einer wunderschönen Walküren. Sie bemühte sich sehr um mich. Warum ich für besonders große und kräftig proportionierte, wenn nicht sogar mehr als mollig wirkende Frauen so anziehend wirkte, war mir ein ewiges Rätsel. Irgendwie erweckte ich anscheinend bei ihnen so etwas wie Muttergefühle und, “ AN-DIE-BRUST-DRÜCK-GEFÜHLE“ , obwohl ich durchaus von Alter wegen ihnen ein mehrfacher Papi sein könnte.
Als ich früh morgens um acht Uhr mit den beiden ausgeschlafenen und frisch wirkenden Schwestern am Frühstückstisch saß, fühlte ich mich so ausgebrannt, wie Weiland, mein italienischer Opa nach dem Viehtrieb auf der Alm. Der Kleiderschrank sah mich mitleidig an, und schüttelte ständig seinen massigen Schädel. Wenn der wüsste! Die Eier mit Speck und Weißbrot ließ ich stehen. Ich konnte das fette Zeug nicht riechen. Ich trank meine Kanne Tee, ohne Rum, und war bedingt der vielen Escorials, die ich mir letzte Nacht einflößte, von meinem Tee fast wieder besoffen.
»Herr Vancicello, ich fürchte Marseille bekommt ihnen nicht gut«, sagte lächelnd Sabi Loulou.
»Und ich fürchte, dass man den Herrn Tonton nicht alleine auf die Südfranzosen loslassen darf. Mein Herr, sie sehen ja aus, wie frisch aus der Gruft geklettert«, meinte grinsend Zouzou.
»Ohne eueren Senf, wäre das Leben nicht zu ertragen, dass sage ich euch, darf ich noch ein heißes Bad nehmen und für eine Stunde in die Gruft steigen, oh ihr Grausligen Geschwistern? Ich weiß seit Wochen nicht mehr, wie das Wort Bett buchstabiert wird.«
»Nein, Francello, wir müssen nach Toulon zum Hafen. Zouzou will in die Schiff«, sagte Sabi Loulou.
»Ich will auf das Schiff , Sabi«, protestierte Zouzou, »es heißt nicht „in die Schiff!“«
»Wir fahren doch erst übermorgen nach Algerien«, antwortete ich schlaff.
»Egal, Tonton, ich will in die Schiff. Ich muss sehen wie die Schiff ist. Das Schiff heißt "Angel of Paradise" und hat bestimmt viele schöne und lustige Rostflecke in die Schiffbauch und obendrauf auf die Dampfrohr. Und überall.«
»Hauptsache, der Käpten hat keine Rostflecken im Seier«, sagte die unwiderstehliche Sabi Loulou.
»Also fahren wir in die Hafen und gehen in die Schiff. Ich mache nur noch schnell die Bart ab!«
Die Satzstellung zu verdrehen, wie es von Zouzou mangels deutscher Grammatikkenntnisse praktiziert wurde, und die Sabi Loulou gelegentlich aus Spaß übernahm, machte auch mir zunehmend Spaß.
Der wandelnde Kleiderschrank bestellte für uns telefonisch einen Mietwagen, damit wir nach Toulon fahren konnten, um das Schiff zu inspizieren, das uns nach Algerien bringen sollte. Wir saßen noch am Frühstückstisch, und ich wollte mich nach oben begeben, als Mimi auftauchte. Mir fuhr ein Schrecken durch die Glieder, und ich konnte mich noch in letzter Sekunde in die Herrentoilette retten. Sie registrierten meine Gedanken zu einer Flucht. Eigentlich gab es keinen Grund die Flucht zu ergreifen. Wir haben zusammen nur fürchterlich gebechert. Mimi, ich, und die restliche Blase. Ich habe Mimi meine Adresse gegeben und verabschiedete mich bereits um drei Uhr früh. Die restlichen fünf Stunden, bis zu meinem Eintreffen im Hotel "Maison le Joyneuse" um acht Uhr morgens, benötigte ich zur Orientierung und zur Wegfindung. Mimi ging zur Rezeption und fragte nach einen gewissen "Jean Marie Schreiver “. Das war ich, letzte Nacht! Der Kleiderschrank verdrehte die Augen und verneinte das Anliegen der schönen gewaltigen einsachtzig großen Mimi. Ein stolzes Gestell. Zouzou hörte ich sagen: »Jean Marie Schreiver? Kenne ich nicht!«
»Wie sieht den ihr Jean Marie aus?«, fragte Sabi Loulou.
»Er ist etwa einsfünfundsiebzig groß und dunkelblond mit einem Schnauzbart und sehr gepflegten Manieren. Ein schöner Mann und so kultiviert!«
Mimi beschrieb mich treffend und sehr geschmackvoll. Eine leichte Röte überzog ihren Alabaster-Teint. In Gedanken sagte ich mir: „Mimi, wenn alles vorbei ist, dann komme ich wieder nach Marseille und wir beide machen einen gewaltig drauf, versprochen!“
»Jesus und alle Päpschte«, sagte die grausame Sabi Loulou, »wo gibt es denn noch solche Männer? Was heute so herumstreunt, ist keinen sündigen Gedanken mehr Wert.«
»Nur noch komische Tonton-Toutous streunen herum. Die guten Toutous müssen am Genfer See bei Janine eklige fette Schweinswürste essen und die schlechten Toutous streunen herum und kommen spät nach Hause.«
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