„Bring mich nach Hause“, verlangte sie entschlossen, aber ihre Stimme zitterte dabei.
„Warum?“
„Ich mag es nicht, wie du dich verhältst.“
„Ich will doch nur mit dir schlafen! Das machen viele Menschen und das ist nicht schlimm!“
„Bring mich nach Hause“, beharrte sie entsetzt.
„Ich will dich aber nicht nach Hause bringen“, entgegnete er genauso störrisch.
„Dann laufe ich eben!“
Um zu zeigen, dass sie es ernst meinte, drehte sie sich um und öffnete die Autotür. Kevin ergriff ihren Arm, um sie aufzuhalten.
„Hey, komm schon. Sei doch nicht so.“
Laura presste die Lippen zusammen. Sei doch nicht so? Je mehr sie über sein Verhalten nachdachte, desto wütender wurde sie.
„Schau nicht so böse“, sagte er grinsend. „Ich sagte doch bereits, es tut mir leid. Ich habe doch nur Spaß gemacht.“
Was sollte das für ein blöder Spruch sein?, dachte sie zornig.
„Ich denke, ich möchte mich nie wieder mit dir treffen.“
Sie fühlte, wie er erstarrte.
„Warum?“
„Es funktioniert nicht mit uns.“
„Was funktioniert nicht?“
„Wir beide zusammen.“
„Ich dachte, du findest mich nett?“
„Das dachte ich auch, aber...“ Sie ließ den Rest des Satzes in der Luft hängen.
Er starrte sie an, zuerst ungläubig, dann mit anwachsender Wut.
„Das kannst du mit mir nicht machen!“
„Sicher kann ich das. Warum sollte ich nicht können?“ fragte Laura verwundert.
„Das kannst du nicht machen!“ wiederholte er, diesmal laut und voller Wut. „Zuerst machst du mich scharf und dann lässt du mich fallen. So geht man mit mir nicht um!“
Laura schreckte zurück. Sie hatte nicht erwartet, dass ein Junge sie anbrüllen würde.
„Was hast du denn an mir auszusetzten?“, fragte er zornig.
„Ich gehe nach Hause.“
„Du hast mir nicht geantwortet!“, sagte Kevin.
Laura wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie verstand nicht, dass ein Junge ihre Entscheidung nicht akzeptieren konnte.
„Okay, okay!“, bestimmte er, als sie nicht antwortete. „Ich bringe dich nach Hause.“
„Nein!“, sagte sie entschlossen und lauter, als es ihre Absicht gewesen war. „Ich laufe!“
„Aber es ist zu weit.“
„Das macht mir nichts aus“, antwortete sie.
Als Kevin wieder ihren Arm ergriff, machte sie sich zappelnd von ihm los. Während sie sich zur Seite drehte, traf sie ihn unabsichtlich mit ihrem Ellbogen an seinem Kinn. Sein offener Mund wurde mit einem harten Schwung zusammengepresst, wobei er sich mit den Zähnen auf seine Zunge biss. Als er etwas sagen wollte, lief Blut aus seinem Mund hervor.
Laura blickte ihn entsetzt an, riss die Autotür auf und rannte weg.
Kaum war sie zu Hause angekommen, musste sie grinsen, als sie sich sein blutendes Gesicht mit den entsetzten Augen nochmals bildlich vorstellte.
Oh nein, was für ein Trottel, dieser Kevin!
Die Schmerzen hatte er sich redlich verdient.
Im Bett konnte Laura dann lange nicht einschlafen. Immer und immer wieder gingen ihr die Ereignisse der letzten Tage durch den Kopf.
Gegen drei Uhr fasste sie einen Entschluss, der zum Teil aus dem Verhalten von Kevin stammte.
Punkt eins, sie wollte nie wieder mit einem Jungen etwas unternehmen, den sie nicht auch wirklich mochte.
Punkt zwei, sie wollte sich nicht mehr mit Jungs treffen, nur weil das ihr Ansehen steigerte.
Punkt drei, sie wollte nie wieder so tun, als interessiere sie sich für etwas, was sie im Grunde stinklangweilig fand.
Punkt vier, wenn sie sich mit einem Jungen traf, wollte sie nicht mehr gekünstelt daherreden, sondern sich so verhalten, wie sie wirklich war.
Sollten sich doch Mädchen wie Michelle lächerlich machen und dieses ganze Theater mitmachen! Sie wollte nur noch sie selbst sein, beschloss Laura.
Punkt fünf, ich liebe Cedric!
Die Bowlingbahn war an diesem Samstagabend wie immer sehr gut besucht. Vanessa und Anna holten sich am Counter noch Leihschuhe. Laura hatte ihre eigenen Bowlingschuhe dabei. Sie gaben ihre Bestellungen bei der Kellnerin auf und beschlossen, gleich mit dem ersten Spiel zu beginnen.
Als Laura an der Reihe war, ihren ersten Wurf zu platzieren, und sich der Linie näherte, hörte sie neben sich eine wohlbekannte Stimme.
„Hallo, Laura. Du hast eine tolle Haltung beim Anlauf!“
Vor Schreck ließ sie die Bowlingkugel fallen, die mit einem lauten Knall auf den Boden donnerte, so dicht neben ihren Füßen, dass sie einen erschrockenen Satz nach hinten machte. Lautes Gelächter und dumme Bemerkungen drangen an ihr Ohr.
Laura spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss.
Sie blickte zur Seite und entdeckte Cedric, der mit Tobias und Philip auf der Nebenbahn stand.
„Du... du ...!“, rief sie voller Empörung. „Du, ach lass mich doch in Ruhe!“
Laura war furchtbar wütend, aber diesmal auf sich selbst, da sie nicht imstande war, sich richtig auszudrücken.
Wieso brachte sie es nicht fertig, bei Cedric die richtigen Worte zu finden?
Schnell hob sie die Bowlingkugel wieder auf, die mittlerweile ein Stück weiter zur Seite gerollt war. Ohne den Kopf zu heben, der mit einer leichten Röte überzogen war, machte sie ihren Wurf.
„Strike!“, rief Laura und machte einen Freudensprung.
Blitzartig drehte sie sich um und setzte sich auf ihren Platz. Als hätte sie einen Spaziergang durch die Wüste gemacht, trank sie ihr Mineralwasser aus und stellte dann das leere Glas mit einem nicht zu überhörenden Knall auf den Tisch zurück. Sie kochte immer noch innerlich.
Von der Nebenbahn konnte sie hören, wie die Jungs immer noch lachten. Aber nicht nur über Laura allein. Über die Mädchen insgesamt machten sie sich lustig, und zwar in einer Art und Weise, die normalerweise ihren Kampfgeist gegen das andere Geschlecht geweckt hätte.
Normalerweise!
Bei jeder anderen Gelegenheit hätte sie bestimmt gewusst, wie sie sich zu wehren hätte. In der Nähe von Cedric fühlte sie sich unruhig und nervös.
„Hey!“
Durch einen Seitenhieb wurde sie unsanft aus ihren Gedanken gerissen. Vanessa und Anna hatten sich neben sie gesetzt und blickten sie fragend an.
„Was ist denn mit dir los? Hat dir das Glas etwas getan?“, fragte Anna.
„Du bist ja feuerrot im Gesicht“, stellte Vanessa lachend fest. „Du bist übrigens wieder dran. Los, mach noch einen Strike!“
„Ach, lass mich doch in Ruhe!“, fauchte Laura. „Ich habe keine Lust mehr!“
„Du spinnst wohl!“, empörte sich Vanessa. „Was ist dir denn über die Leber gelaufen?“
„Nichts!“, erwiderte Laura mürrisch. Sie sprang auf und hätte fast Vanessa über den Haufen gerannt. „Ich geh mir mal die Hände waschen.“
Sie verließ den Bowlingbereich, ohne auf die anderen zu achten. Als sie wenig später die Damentoilette verließ, stand Cedric vor ihr und blickte sie besorgt an. Ein Kloß saß in Lauras Hals.
„Na?“, fragte er und klang dabei unsicher.
„Was – na?“, fauchte sie. „Was willst du?“
Dieser verdammte Kloß in ihrer Kehle wollte nicht verschwinden. Sie räusperte sich.
„Ich wollte mich bei dir entschuldigen“, sagte Cedric.
„Entschuldigen?“ Laura war verblüfft. Ihr Zorn war verraucht, ihre Unsicherheit ihm gegenüber war geblieben. Sie begann leicht zu zittern, ihre Hände wurden feucht.
„Ja, das war vorhin nicht gerade nett von mir“, fügte Cedric hinzu.
„Das kann man wohl sagen“, erwiderte sie. Langsam wurde sie ruhiger. Aber sie war noch lange nicht versöhnt.
„Ja, ich...“, stammelte er.
„Schon gut“, unterbrach sie ihn. „Ich muss jetzt wieder zurück zur Bahn.“
Sie drehte sich um und ging zurück zu ihrem Platz. Es fühlte sich gut an, ihn wie einen dummen Jungen stehen zu lassen. Und obwohl es ihr schwerfiel, drehte sie sich nicht um.
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