"Mache ich Sie damit nicht arbeitslos?" fragte der Gardonier. "Nun, tatsächlich interessieren sich nicht einmal unsere Schriftsteller für Gewalt und solcherlei Dinge. Vielleicht ist diese Art des Interesses bei Ihrem Volk einer der Gründe, warum es sich auch in der Realität einfach nicht davon lösen kann? Wie auch immer, kann ich etwas für Sie tun?"
Alvy überlegte kurz, dann meinte er: "Ja, das können Sie tatsächlich. Als erstes brauche ich so ein Übersetzungsgerät, wie Sie da eins haben." Angos nickte. "Gut, ich glaube, ich wohne in der Botschaft. Also lassen Sie mein Gepäck dorthin bringen und führen Sie mich zum Tatort. Ich möchte eine vollständige Liste der Menschen, die sich gerade in der Hauptstadt befinden und einen Vermerk bei den möglichen Verdächtigen. Herr Botschafter, ich muss jederzeit Verhöre durchführen können. Des weiteren brauche ich eine Liste der Gardonier, mit denen Stavros Kontakt hatte. Wer bearbeitet den Fall im Moment?"
"Der Sicherheitschef der Botschaft hat den Tatort absperren lassen."
"Dann hoffen wir, dass er nicht unser Mörder ist."
"Mr. Rosen", unterbrach der Botschafter. "Ich muss Sie drauf hinweisen, dass Sie in einer offiziellen Mission hier sind. Es ist politisch, verstehen Sie, es ist also absolut erforderlich, dass Sie den Mörder finden !"
"Herr Botschafter, ich werde Ihnen keinen Sündenbock liefern, falls Sie das glauben. Also, gehen wir."
"Ach, Rosen?"
"Ja?"
"Wie sieht es im Moment auf der Erde aus? Ich war lange nicht mehr dort."
Die erste Überraschung war, dass Stavros in einem gardonischen Bungalow gelebt hatte. Angos erklärte, dass der irdische Wissenschaftler eng mit einem gardonischen Wissenschaftler, Prdnak Wellgor, zusammengearbeitet hatte. Er war übrigens auch der einzige Mensch gewesen, dem diese Ehre zuteil wurde. Als sie durch die Straßen fuhren, stellte Alvy fest, dass sich kein einziger Gardonier zeigte. Dann erinnerte er sich daran, gelesen zu haben, dass die Gardonier Nachtwesen seien, also voraussichtlich tagsüber schliefen.
Dementsprechend sah auch der Bungalow aus. Es gab kein Schloss an der Tür, da die Gardonier dergleichen nicht benötigten, keine Fenster und nur wenige Beleuchtungskörper – jetzt wurde der Raum von zwei kräftigen Scheinwerfern ausgeleuchtet. Vier Meter von der Tür entfernt lag der tote Psychologe. Ein Messer steckte rechts zwischen seinen Schulterblättern, eine Blutlache hatte sich über dem Fußboden ausgebreitet.
"Haben wir hier einen Doktor?" wollte Alvy wissen.
Ein Mann trat vor.
"Todesursache?"
"Der Mann ist verblutet. Können wir die Leiche jetzt mitnehmen?"
"Gleich, ich möchte mich hier erst noch umsehen. Wann ist er gefunden worden?"
"Vorgestern Nachmittag. Ich sollte ihn zu einer Routineuntersuchung abholen und in die Botschaft mitnehmen", antwortete der Arzt.
"Dann sind Sie ja potentiell verdächtig", murmelte Alvy. "Todeszeit?"
"Etwa eine Stunde früher. Vorgestern um 15 Uhr."
"Ich hoffe, dass diese Zeit von einem anderen, unabhängigen Arzt bestätigt werden kann."
"Ja, Inspektor", antwortete der Arzt ungehalten. "Und falls Sie darauf hinauswollen, ich habe für diese Zeit ein Alibi."
"Wie schön. Ich werde mich zu gegebener Zeit damit befassen. Sie dürfen jetzt gehen." Alvy kniete sich neben den Toten. Vorsichtig untersuchte er seine Kleidung. Kein Anhaltspunkt. Auch in seinen Händen war nichts zu finden, keine unnatürlichen Hautabschürfungen, nichts. Der Mann war schlicht und einfach von hinten erstochen worden, auch wenn das Messer nicht direkt oben im Schulterblatt steckte, sondern weiter unten und in einem nach oben gerichteten Winkel. Also von unten herauf. Alvy erhob sich und sagte dem Arzt, er könne den Toten jetzt entfernen lassen. Langsam schlenderte er durch den Wohnraum. Eine Tür führte in ein Badezimmer, das für die Bedürfnisse der Gardonier eingerichtet war, die andere in ein Schlafzimmer, in das ein etwas größeres Bett gestellt worden war. In keinem der beiden Räume fand er einen Anhaltspunkt, der ihm irgendwie weitergeholfen hätte. Er kehrte ins Wohnzimmer zurück, aus dem die Leiche inzwischen entfernt worden war.
"Haben Sie die Räume auf Fingerabdrücke untersucht?" fragte Alvy den Sicherheitsbeamten der Botschaft
"Nein, Sir, wir sind hier für einen solchen Fall nicht ausgerüstet."
"Das kann ich erklären", meinte Angos, der zu ihnen getreten war. "Seit mehr als 4000 Ihrer Jahre ist auf diesem Planeten kein intelligentes Wesen mehr eines gewaltsamen Todes gestorben."
"Ach."
"Und wir haben Ihre Regierung gebeten, sich darauf einzustellen. Deshalb werden Sie auf diesem Planeten auch keine einzige Waffe finden."
"Aha. Gut. Hmm, hat irgendein Angehöriger unserer Botschaft ein Motiv, Stavros zu töten?"
"Ich habe keine Ahnung, Sir."
"Hmm, gut. Stellen Sie fest, wo sich die Botschaftsangehörigen vorgestern zwischen 13 und 17 Uhr aufgehalten haben. Ich brauche Sie dann nicht mehr. Und nehmen Sie diese Scheinwerfer mit." Alvy besah sich die Kreidezeichnung auf dem Boden. Der Körper lag in Richtung der Tür, also musste sich der Mörder tiefer im Raum befunden haben, hinter ihm. Was hatte sich hier abgespielt? Hatte Stavros mit irgendjemandem gesprochen, vielleicht eine Meinungsverschiedenheit? Wollte er dann gehen, wie es erregte Menschen gerne tun, um das Gespräch abzubrechen und wurde auf dem Weg nach draußen von hinten erstochen? Vielleicht. Einer der Scheinwerfer erlosch und wurde hinausgetragen.
Alvy schlenderte zu einem der Sessel und ließ sich hineinfallen. Irgendetwas kam ihm komisch vor. Der Mann war am helllichten Tag ermordet worden. Etwas riskant, am helllichten Tag durch die Gegend zu spazieren und Leute umzubringen. Es sei denn...
"Ähm, wie sieht Ihr Dienst in der Botschaft aus? Sie wirken etwas... übernächtigt! "
"Das stimmt. Eigentlich arbeiten wir hauptsächlich nachts, aber irgendwie hat sich noch keiner so recht dran gewöhnt. Nur zehn Leute haben tagsüber Dienst. Normalerweise! "
"Hmm, vielen Dank." So etwas hatte er erwartet. Nachts spielte sich das Leben auf diesem Planeten ab, also auch die diplomatischen Verhandlungen. Deshalb war das Tagespersonal klein. Demnach war es kein Problem, am Tag ungesehen in ein Haus zu gehen und jemanden zu ermorden. Der zweite Scheinwerfer wurde zur Tür gerollt und dann ausgeschaltet. Sofort war es in dem Bungalow dunkel und als sich die Tür schloss, sah Alvy überhaupt nichts mehr.
"Hmm, sind Sie noch da, Angos?"
"Ja, Mr. Rosen."
"Finden Sie sich hier zurecht?"
"Mr. Rosen, das Licht, das in diesen Raum dringt, reicht mir, um mich zurechtzufinden."
"Aha", murmelte Alvy. Er nahm nichts von dem Licht wahr, das dem Gardonier angeblich reichte, um sich zurechtzufinden. "Hier war doch irgendwo eine Lampe, oder?"
"Ja. Warten Sie, ich werde sie anschalten." Alvy hörte, wie sich der kleinere im Raum bewegte, dann das Knacken eines Schalters. Nichts geschah.
"Ich glaube, das Licht funktioniert nicht."
"Ist die Birne defekt?" fragte Alvy, dem es allmählich zu dunkel wurde.
" Bitte? Eine... äh... Frucht, was hat... ich verstehe nicht ganz!" ließ sich die verwirrte Stimme des Gardoniers aus der Dunkelheit vernehmen.
"Die Glühbirne , die Lampe..."
"Ach so, der Leuchtkörper, den Sie auf der Erde vornehmlich verwenden. Nein, er ist nicht defekt, es muss an der Zentralversorgung liegen. Ich sehe mal nach."
Wieder hörte Alvy, wie sich der Gardonier sicher durch den Raum bewegte. "Sagen Sie mal", fragte er, "Können sich alle Gardonier in der Dunkelheit so gut zurechtfinden wie Sie?"
"Natürlich, die Dunkelheit ist unser Lebensraum, wenn ich mal so sagen darf, so wie der Ihre das Licht ist."
"Sie haben sich viel mit Menschen beschäftigt, was?"
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