Jules Verne - Von der Erde zum Mond

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Das Werk beschäftigt sich hauptsächlich mit den Vorbereitungen der ersten Mondfahrt. Dabei stehen die drei späteren Astronauten Impey Barbicane, Kapitän Nicholl und Michel Ardan sowie ihre Freunde im Zentrum. Die Mondfahrt selbst wird in der Fortsetzung Reise um den Mond beschrieben.

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Von der Erde zum Mond

Jules Verne

Inhaltsverzeichnis

Erstes Capitel.

Der Gun-Club

Zweites Kapitel.

Mittheilung des Präsidenten Barbicane.

Drittes Capitel.

Welchen Eindruck Barbicane's Mittheilung machte.

Viertes Capitel.

Gutachten des Observatoriums zu Cambridge.

Fünftes Capitel.

Roman des Mondes.

Sechstes Capitel.

Was in den Vereinigten Staaten nun nicht mehr unbekannt sein kann, und was man nicht mehr glauben darf.

Siebentes Capitel.

Loblied der Kugel.

Achtes Kapitel.

Geschichte der Kanone.

Neuntes Capitel.

Die Pulverfrage

Zehntes Capitel.

Ein Feind gegen fünfundzwanzig Millionen Freunde.

Elftes Capitel.

Florida und Texas.

Zwölftes Capitel.

Dem ganzen Erdkreis.

Dreizehntes Capitel.

Stone's-Hill.

Vierzehntes Capitel.

Hacke und Kelle.

Fünfzehntes Capitel.

Das Gußfest.

Sechzehntes Capitel.

Die Columbiade.

Siebzehntes Capitel.

Eine telegrafische Depesche

Achtzehntes Capitel.

Der Passagier der Atlanta.

Neunzehntes Capitel.

Ein Meeting

Zwanzigstes Capitel.

Angriff und Abwehr.

Einundzwanzigstes Capitel.

Wie ein Franzose eine Sache zur Ausgleichung bringt.

Zweiundzwanzigstes Capitel.

Der neue Bürger der Vereinigten Staaten

Dreiundzwanzigstes Capitel.

Der Projectil-Waggon.

Vierundzwanzigstes Capitel.

Das Teleskop des Felsengebirgs

Fünfundzwanzigstes Capitel.

Letzte Begebnisse

Sechsundzwanzigstes Capitel.

Feuer!

Siebenundzwanzigstes Capitel.

Bedeckter Himmel

Achtundzwanzigstes Capitel.

Ein neues Gestirn

Impressum

Erstes Capitel.

Der Gun-Club

Während des Bundeskriegs der Vereinigten Staaten bildete sich zu Baltimore in Maryland ein neuer Club von großer Bedeutung. Es ist bekannt, wie energisch sich bei diesem Volk von Rhedern, Kaufleuten und Mechanikern der militärische Instinct entwickelte. Einfache Kaufleute brauchten nur in ihrem Comptoir auf- und abzuschreiten, um unversehens Hauptleute, Obristen, Generäle zu werden, ohne die Militärschule zu Westpoint durchzumachen; bald standen sie in der »Kriegskunst« ihren Collegen der Alten Welt nicht nach und verstanden gleich diesen durch Vergeuden von Kugeln, Millionen und Menschen Siege zu gewinnen.

Aber in der Ballistik übertrafen sie die Europäer ganz außerordentlich. Sie fertigten Geschütze nicht allein von höchster Vollkommenheit, sondern auch von ungewöhnlicher Größe, die folglich eine noch unerhörte Tragweite haben mußten. In Beziehung auf rasante und Breche-Schüsse, Schüsse in schiefer, in gerader Richtung oder vom Rücken her – kann man die Engländer, Franzosen, Preußen nichts mehr lehren; aber ihre Kanonen, Haubitzen und Mörser sind nur Sackpistolen gegen die fürchterlichen Maschinen der amerikanischen Artillerie.

Das ist aber nicht zum Verwundern. Die Jankees, die ersten Mechaniker auf der Welt, sind geborene Ingenieure, wie die Italiener Musiker, die Deutschen Metaphysiker. Ganz natürlich, daß sich ihre kühne Genialität in ihrer Geschützkunde zu erkennen gab. Daher jene Riesenkanonen, die zwar weit weniger nützen, als die Nähmaschinen, doch ebenso viel Staunen, und noch mehr Bewunderung erregen. Bekannt sind von solchen Wunderwerken die Parott, Dahlgreen, Rodman. Die Armstrong, Palliser, Treuille de Beaulieu mußten vor ihren überseeischen Rivalen die Segel streichen.

Daher standen denn auch während des fürchterlichen Kampfes der Nord- und Südstaaten die Artilleristen im allerhöchsten Ansehen; die Journale der Union priesen ihre Erfindungen mit Enthusiasmus, und es gab keinen armseligen Krämer, keinen einfältigen Buben, der sich nicht den Kopf zerbrach mit unsinnigen Schußberechnungen.

Wenn aber einem Amerikaner eine Idee im Kopfe steckt, so sucht er sich einen zweiten Amerikaner, um sie zu theilen. Sind ihrer drei, so wählen sie einen Präsidenten und zwei Secretäre; vier, so ernennen sie einen Archivisten, und das Bureau tritt in Wirksamkeit. Bei fünfen berufen sie eine Generalversammlung, und der Club ist fertig. So ging's auch zu Baltimore. Einer erfand eine Kanone, associirte sich mit Einem, der sie goß, und einem Anderen, der sie bohrte. Aus einem solchen Kern erwuchs auch der Gun-Club. Einen Monat nach seiner Bildung zählte er 1833 wirkliche Mitglieder und 30.575 correspondirende.

Unerläßliche Bedingung für jedes Mitglied des Clubs war, daß man eine Kanone, oder mindestens irgend eine Feuerwaffe, erfunden, oder doch verbessert hatte. Aber, offen gesagt, die Erfinder von Revolvern zu fünfzehn Schuß, von Pivot-Karabinern oder Säbelpistolen genossen kein großes Ansehen. Die Artilleristen behaupteten in jeder Hinsicht den ersten Rang.

»Die Achtung, welche sie genießen«, sagte einmal einer der gescheitesten Redner des Gun-Clubs, »steht im Verhältniß zur Masse ihrer Kanonen, und zwar nach directem Maßstab des Quadrats der Distanzen, welche ihre Geschosse erreichen!«

Noch etwas mehr, das Newton'sche Gravitationsgesetz verpflanzte sich in die moralische Welt.

Man kann sich leicht vorstellen, was, nachdem der Gun-Club einmal gegründet war, das erfinderische Genie der Amerikaner in dieser Gattung zu Tage förderte. Die Kriegsmaschinen nahmen einen kolossalen Maßstab an, und die Geschosse flogen weit über die ihnen gesteckten Schranken hinaus, um harmlose Spaziergänger zu zerreißen. Alle diese Erfindungen ließen die schüchternen Werkzeuge der europäischen Artillerie weit hinter sich. Man urtheile aus folgenden Zahlen.

Einst »wenn's gut ging« vermochte ein Sechsunddreißigpfünder in einer Entfernung von dreihundert Fuß sechsunddreißig Pferde von der Seite her zu durchbohren, und dazu achtundsechzig Mann. Die Kunst lag damals noch in der Wiege. Seitdem hat sie Fortschritte gemacht. Die Rodman-Kanone, die eine Kugel von einer halben Tonne sieben (engl.) Meilen weit schleuderte, hätte leicht hundertundfünfzig Pferde und dreihundert Mann niedergeworfen. Es war im Gun-Club gar die Rede davon, eine förmliche Probe damit anzustellen. Aber, ließen sich's auch die Pferde gefallen, das Experiment zu machen, an Menschen fehlte es leider.

Wie dem auch sei, diese Kanonen leisteten Mörderisches, und bei jedem Schuß fielen die Menschen, wie die Aehren unter der Sense. Was wollte neben solchen Geschossen die berühmte Kugel zu Coutras bedeuten, welche im Jahre 1587 fünfundzwanzig Mann kampfunfähig machte, und die andere, welche bei Zorndorf 1758 vierzig Mann tödtete, und 1742 bei Kesselsdorf die österreichische, die bei jedem Schuß siebenzig Feinde niederwarf? Was war dagegen das erstaunliche Geschützfeuer bei Jena und Austerlitz, das die Schlachten entschied? Da gab's während des Bundeskriegs ganz andere Dinge zu schauen! Bei Gettysburg traf ein kegelförmiges Geschoß aus einer gezogenen Kanone dreiundsiebenzig Feinde, und beim Uebergang über den Potomak beförderte eine Rodmankugel zweihundertfünfzehn Südländer in eine ohne Zweifel bessere Welt. So verdient auch ein fürchterlicher Mörser, den J. T. Maston, ein hervorragendes Mitglied und beständiger Secretär des Gun-Clubs, erfand, erwähnt zu werden; seine Wirkung war noch mörderischer, denn beim Probiren tödtete er dreihundertsiebenunddreißig Personen – freilich, beim Zerspringen!

Diese Zahlen sprechen beredt ohne Commentar. Auch wird man ohne Widerrede die folgende, vom Statistiker Pitkairn aufgestellte Berechnung gelten lassen: dividirt man die Anzahl der durch die Kugeln gefallenen Opfer mit der Zahl der Mitglieder des Gun-Clubs, so ergiebt sich, daß auf Rechnung jedes Einzelnen des letzteren durchschnittlich 2375 Mann kommen, nebst einem Bruchtheil.

Nimmt man diese Ziffern in Erwägung, so ist's augenscheinlich, daß das Trachten dieser gelehrten Gesellschaft einzig auf Menschenvertilgung zu philanthropischem Zweck, und auf Vervollkommnung der Kriegswaffen als Civilisationsmittel gerichtet war. Es war ein Verein von Würgengeln, sonst die besten Menschenkinder auf der Welt.

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