Jules Verne - Robur der Eroberer

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Die Geschichte beginnt in Philadelphia in den USA. Das dortige Weldon-Institut, ein Verein begeisterter Amateur-Luftschiffer, plant den Bau eines lenkbaren Luftschiffes. Die Mitglieder sind sich jedoch nicht darüber einig, ob der Propeller vorne oder hinten am Luftschiff angebracht werden soll. Ein Fremder namens Robur platzt in eine Mitgliederversammlung und erklärt, er habe bereits ein lenkbares Luftschiff mit einer Schraube vorne und einer Schraube hinten gebaut. Als er die anwesenden Mitglieder durch seine arrogante Art beleidigt, drohen sie ihm Prügel an. Robur zieht zwei Revolver. Im anschließenden Handgemenge verschwindet Robur.
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Robur der Eroberer

Jules Verne

Inhaltsverzeichnis

Worin die gelehrte Welt sich ebenso wenig Rath weiß, wie die ungelehrte.

II.

In welchem die Mitglieder des Weldon-Instituts mit einander streiten, ohne zu einer Uebereinstimmung zu gelangen.

III.

In dem eine neue Persönlichkeit nicht besonders vorgestellt zu werden braucht, da sie das selbst besorgt.

IV.

In dem der Verfasser infolge einer Bemerkung des Dieners Frycollin den Mond wieder zu Ehren zu bringen versucht.

V.

In dem die Einstellung der Feindseligkeiten zwischen dem Vorsitzenden und dem Schriftführer des Weldon-Instituts beschlossen wird.

VI.

Welches Ingenieure, Mechaniker und andere Gelehrte vielleicht am besten überschlagen.

VII.

In welchem der Onkel Prudent und Phil Evans sich noch immer nicht überzeugen lassen wollen.

VIII.

Worin man sehen wird, daß Robur sich entschließt, auf die ihm vorgelegte wichtige Frage zu antworten.

IX.

In dem der »Albatros« fast zehntausend Kilometer zurücklegt und das mit einem merkwürdigen Sprunge endigt.

X.

Worin man sehen wird, wie und warum der Diener Frycollin in's Schlepptau genommen wurde.

XI.

In dem die Wuth des Onkel Prudent mit dem Quadrat der Geschwindigkeit zunimmt.

XII.

In dem der Ingenieur Robur handelt, als ob er sich um einen der Monthyon-Preise bewerben wollte.

XIII.

In dem Onkel Prudent und Phil Evans einen ganzen Ocean durchfahren, ohne die Seekrankheit zu bekommen.

XIV.

In dem der »Albatros« etwas ausführt, was man vielleicht niemals dürfte ausführen können.

XV.

Worin Dinge vorgehen, deren Schilderung sich gewiß der Mühe lohnt.

XVI.

Welches den Leser in einer vielleicht beklagenswerthen Ungewißheit läßt.

XVI.

Worin der Leser um zwei Monate rückwärts und auch um neun Monate vorwärtsgeführt wird.

XVIII.

Welches diese wahrhafte Geschichte zu Ende führt, ohne sie zu beendigen.

Impressum

Worin die gelehrte Welt sich ebenso wenig Rath weiß, wie die ungelehrte.

Paff! ... Paff!

Zwei Pistolenschüsse knallten zu gleicher Zeit. Eine Kuh, welche eben in der Entfernung von fünfzig Schritten vorüber trabte, bekam eine Kugel in's Rückgrat ... und sie ging die Sache doch gar nichts an.

Von den beiden Gegnern war keiner getroffen worden.

Wer waren jene beide Herren? Niemand weiß es, und gerade hier wäre ja Gelegenheit gewesen, ihre Namen der Nachwelt zu überliefern. Es läßt sich über sie nichts weiter sagen, als daß der ältere ein Engländer, der jüngere Duellant ein Amerikaner war. Desto leichter läßt sich die Oertlichkeit bestimmen, an der jener unschuldige Wiederkäuer eben sein letztes Grasbündelchen abgeweidet hatte; diese ist nämlich am rechten Ufer des Niagara und unweit der Hängebrücke zu suchen, welche drei Meilen unterhalb der berühmten Fälle das canadische Ufer mit dem amerikanischen verbindet.

Der Engländer schritt jetzt auf den Amerikaner zu.

»Ich bleibe nichtsdestoweniger dabei, daß es die Melodie ›Rule Britannia‹ war, sagte er.

– Nein, der ›Yankee Doodle‹!« versetzte der Andere.

Der Streit schien auf's Neue entbrennen zu sollen, als sich einer der Zeugen – ohne Zweifel im Interesse des weidenden Viehs – mit den Worten einmischte:

»Nehmen wir an, es wäre der ›Rule Doodle‹ und der ›Yankee Britannia‹ gewesen und begeben wir uns nun zum Frühstück.«

Dieses Compromiß zwischen den beiden Nationalgesängen Amerikas und Großbritanniens wurde zur allgemeinen Befriedigung angenommen. Längs des linken Niagara-Ufers zurückwandelnd, beeilten sich Amerikaner und Engländer, an der einladenden Tafel des Hôtels auf Goat Island – einem neutralen Gebiete zwischen den beiden Fällen – Platz zu nehmen. Während ihrer Beschäftigung mit gekochten Eiern und dem landesüblichen Schinken mit kaltem Roastbeef, einem Zwischengericht von im Munde fast brennenden Pickles und mit Hochfluthen von Thee, welche die weltbekannten Wasserfälle eifersüchtig machen könnten, wollen wir sie nicht weiter stören, zumal kaum anzunehmen ist, daß von ihnen im Laufe dieser Erzählung noch ferner die Rede sein wird.

Wer hatte nun Recht – der Engländer oder der Amerikaner? Es wäre schwer gewesen, diese Frage zu entscheiden. Jedenfalls liefert jenes Duell den Beweis für die leidenschaftliche Erregung der Geister nicht allein in der Neuen, sondern auch in der Alten Welt, und zwar über ein Ereigniß oder eine unerklärliche Erscheinung, welche seit etwa einem Monate alle Köpfe verwirrte.

»... Os sublime dedit coelumque tueri« hat Ovid einst zu Ehren der Menschheit gesungen. In der That hatte man seit dem Erscheinen des ersten Menschen auf der Erdkugel noch niemals den Himmel so vielfach betrachtet.

Gerade in der vorhergegangenen Nacht hatte nämlich eine Trompete aus der Luft ihre metallenen Töne herabgeschmettert über denjenigen Theil von Canada, der sich zwischen dem Ontario- und dem Erie-See ausdehnt. Die Einen hatten daraus den »Yankee Doodle«, die Anderen das »Rule Britannia« zu hören vermeint, daraus entstand auch obiger angelsächsische Zweikampf, der mit dem Frühstück auf Goat Island endigte. Vielleicht war es weder der eine, noch der andere Nationalgesang gewesen; nur darüber herrschte bei Niemand ein Zweifel, daß die betreffenden Töne die Eigenthümlichkeit gehabt hatten, als schienen sie vom Himmel zur Erde hernieder zu steigen.

Sollte man etwa gar an eine Himmelsposaune denken, die ein Engel oder ein Erzengel geblasen hätte? ... Waren es nicht vielmehr lustige Luftschiffer gewesen, die sich des sonoren Instrumentes bedienten, von dem die Reclame so ausgebreiteten Gebrauch macht? Nein, von einem Ballon, von Luftschiffern konnte nicht die Rede sein. In hohen Himmelsregionen vollzog sich ein außergewöhnliches Ereigniß, dessen Natur und Ursprung kein Mensch zu enträthseln vermochte. Heute zeigte sich dasselbe über Amerika, vierundzwanzig Stunden später über Europa, acht Tage später in Asien über dem Himmlischen Reiche. Wenn die Trompete, welche das Vorüberziehen jener Erscheinung ankündigte, nicht die des Jüngsten Gerichtes war, welche, ja, welche war es dann?

In allen Landen der Erde, in Königreichen wie in Republiken, entstand deshalb eine gewisse Unruhe, welche gestillt werden mußte. Vernimmt Einer in seinem Hause eigenthümliche und unerklärliche Geräusche, würde er nicht schnellstens die Ursache derselben zu ermitteln suchen, und wenn das vergeblich wäre, würde er nicht sein Haus verlassen, um ein anderes zu bewohnen? Ganz sicherlich! Hier war das Haus freilich die Erdkugel, und es gab doch kein Mittel, diese zu verlassen und etwa mit dem Monde, Mars, Venus, Jupiter oder einem anderen Planeten des Sonnensystems zu vertauschen.

Es galt demnach unbedingt, aufzuklären, was im unendlichen leeren Raume, doch innerhalb der Erdatmosphäre, vorging. Ohne Luft ist ja ein Geräusch unmöglich, und da man hier ein solches vernahm – immer jene fast sagenhafte Trompete – mußte die Erscheinung auch in der Lufthülle stattfinden, deren Dichtigkeit sich nach oben zu immer mehr vermindert und die sich über unserem Sphäroid nur wenige Meilen hoch verbreitet.

Natürlich bemächtigten sich die Tagesblätter der vorliegenden Frage, behandelten sie unter allen Gesichtspunkten, beleuchteten oder verdunkelten dieselbe, berichteten falsche oder wahre Thatsachen, erregten oder beruhigten ihre Leser im Interesse der Höhe ihrer Auflage – und wiegelten endlich die schon halb verwirrten Massen nicht wenig auf. Welch' Wunder! Die Politik hatte den Laufpaß erhalten und die Geschäfte gingen deshalb doch nicht schlecht. Aber um was handelte es sich überhaupt?

Man befragte alle großen Observatorien der ganzen Welt. Wenn diese keine Antwort gaben, wozu nützten dann solche Observatorien eigentlich? Wenn die Astronomen, welche selbst in der Entfernung von hunderttausend Millionen Meilen noch einen Lichtpunkt zu zwei und drei Sternen aufzulösen vermögen, nicht im Stande waren, den Ursprung einer kosmischen Erscheinung zu ergründen, die nur wenige Kilometer über ihnen auftrat, wozu hatte man Astronomen?

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