„Ich nehme an, ihr macht das hier öfter? Den blöden Ausländern zu zeigen, dass sie hier nichts zu suchen haben?“
„Ja.“
„Und denen eins aufs Maul zu hauen?“
„Ja.“
Ich lächelte ungläubig. „Ach, ich glaub euch kein Wort. Ich glaub nicht, dass ihr so was schon mal gemacht habt.“
„Haben wir aber!“ Ashtons Brust schwoll an und er erzählte von einem Kaufmann, den sie zusammengeschlagen hatten, Justin prahlte von einem Asylantenheim, das sie angesteckt hatten und Kevin berichtete von einem alten Sack, den sie zusammengetreten hatten.
„Ich bin beeindruckt“, sagte ich, womit ich meinte: von ihrer Blödheit. Aber nachdem Kevin eben auf solche Spitzfindigkeiten hinsichtlich seiner Persönlichkeit ein wenig negativ reagiert hatte, behielt ich den Teil lieber für mich.
„Echt.“
„Klar.“
Die drei sahen das Mädchen an, das inzwischen ein wenig von mir abgerückt war.
„Ehrlich gesagt…“ Ich seufzte die drei an. „Seht ihr, ihr habt mir eure Namen gesagt. Ich habe euch fotografiert. Und die Bilder verschickt. Und ihr habt eben ein paar Verbrechen zugegeben“, ich drückte ein paar Knöpfe auf dem Handy, „die ich aufgenommen und ebenfalls verschickt habe.“ Ich sah freundlich in die Runde. „Seht ihr, unter anderen Umständen hätte ich gesagt: Die Polizei weiß, wer ihr seid, also wäre dies der Zeitpunkt, wo wir uns gütlich voneinander trennen und ihr das Mädchen hier und alle anderen Leute in diesem Viertel in Ruhe lasst.“
Kevin sah mich hasserfüllt und mit zu Fäusten geballten Händen an.
„Und warum machst du das unter diesen Umständen nicht?“ zischte er gewaltbereit.
Weil diesmal der Gott des Timings tatsächlich ein Einsehen mit mir hatte. „Deswegen“, sagte ich und deutete auf den Polizeiwagen, der nun hinter den dreien hielt.
„Wie kommen die denn hierher?“ fragte Justin fassungslos.
Das wäre Anlass gewesen, über ihn den Kopf zu schütteln, aber ich verkniff es mir.
Drei Beamte stiegen aus dem Wagen und zum Glück kannte ich zwei davon.
„Aber…“ war das eine Wort, das Kevin noch herausbrachte.
„Ja“, sagte ich, auch wenn das eine etwas vage Antwort auf seine etwas vage Frage war. „Oh, eins noch…“
„Ich fürchte, wir brauchen deine Aussage auf dem Revier“, unterbrach mich Wachtmeister Kowalski, der meinen Hang zu moralischen Abschlussreden kannte.
„Na super“, seufzte ich. Zwei Stunden später dann war mir ein wenig die Lust vergangen, aber als die drei an mir vorbeigeführt wurden, sprang ich dann doch über meinen Schatten und beendete meinen Satz mit: „…wenn ich euch noch mal bei so einer Scheiße erwischen sollte, dann werden wir ganz derben Ärger miteinander kriegen. Drücke ich mich klar aus?“
Kevin spuckte mir ins Gesicht, was ich dann mal als Ja auffasste.
„Ich nehme an, du schließt dich dieser Meinung an?“ fragte ich Justin und er spuckte ebenfalls. Ich konnte hören, wie Ashton schon allen Rotz aus Mund und Nase zusammenzog, um mir was wirklich schönes zu bieten für mein Geld, aber ich meinte nur: „Dich frag ich gar nicht erst.“ Er spuckte trotzdem, aber ich wich aus und er traf Wachtmeister Kowalski, der ihn dann ein bisschen in die Kunst der Polizeibrutalität einführte.
Vor der Tür der Wache traf ich das schöne Mädchen. Sie lächelte mich an.
„Danke“, sagte sie.
„Keine Ursache. Ist das schon mal passiert?“
„Nein.“
Ich seufzte. Immerhin etwas. Ein Gedanke klopfte an die Tür zu meinem müden Geist. Kevin und seine Spießgesellen würden diese Sache wahrscheinlich nicht auf sich sitzen lassen. Sie würden Rache üben oder Zeugen ausschalten oder sonst was tun wollen, was Arschlöcher wie sie eben so taten. Was bedeutete, dass ich mich ihrer irgendwann wahrscheinlich würde annehmen müssen. Aber nicht heute, nicht heute, ich brauchte jetzt erstmal ein Bett.
„Darf ich dich irgendwann mal zum Essen einladen?“ drang die Stimme des Mädchens in meinen Verstand durch.
„Klar“, meinte ich. Das wäre dann ein guter Zeitpunkt um meine Frage zu stellen… an die ich mich grad nicht erinnern konnte. Ich gähnte herzergreifend. „Tschuldigung. Zu wenig Schlaf.“
Sie lächelte.
„Hier ist meine Nummer. Ich heiße Vildan.“
„Freut mich, dich kennenzulernen.“
„Haben wir uns nicht schon öfter an der Kasse gesehen?“
„Das haben wir.“ Wieder eine Frage, von der ich wusste, dass ich sie verschieben würde.
„Danke“, sagte sie noch einmal und stieg dann in einen Polizeiwagen. Ich hatte Kowalski gebeten, sie von jemandem nach Hause bringen zu lassen. Ich hätte für mich das gleiche tun sollen, fiel mir unter anhaltendem Gähnen ein. Naja, musste ich halt laufen. Immerhin war es trocken und…
Der erste Regentropfen, einer von vielen, traf meinen Kopf. Der Gott des Timings hatte es eben drauf – und mit mir, hatte ich das Gefühl, spielte er am liebsten.
Ich verbrachte die nächsten Tage im Bett, diesmal aber mit Schlafen. Als ich wieder halbwegs fit war, erreichte mich eine Nachricht – und damit ein möglicher neuer Auftrag. Natürlich stellt man sich das Leben eines Privatdetektivs nicht besonders glamourös vor, hatte man nie, aber wir waren an einem Punkt angelangt, wo man zwei Dinge von seiner Klischeeliste streichen musste: Eine Sekretärin und ein Büro!
Prinzipiell wusste ich schon nicht so richtig, wofür ein Detektiv eine Sekretärin brauchte, außer, um ihre Strümpfe zurechtzuziehen und eine neue Kundin anzukündigen, die im Vorzimmer auf einen wartete. Und natürlich für den Sex zwischen den Kundinnen, also zwischen den Kundinnen, mit denen man Sex hatte, das Schnuckelchen für Zwischendurch. In den 50ern mochte so was noch möglich und für „30 Dollar plus Spesen“ vielleicht sogar bezahlbar gewesen sein, aber wenn man heutzutage ein knackiges Mädel für beide Formen von „Ablage“ haben wollte, dann konnte man das erstens nicht bezahlen und zweitens waren da die Anzeigen wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz doch quasi vorprogrammiert. Eine Sekretärin war also aus den genannten Gründen illusorisch – und ein Büro war es auch.
Ermittlungen bestanden in etwa aus drei möglichen Szenarien: Man war unterwegs, man telefonierte oder man befragte das Internet. Die heute Technik machte es möglich, dass man alles drei sogar auf einmal machen konnte – und die Preise für Quadratmeter machten es unmöglich, dass man sich ein Büro hielt, das man eh nicht benötigte, denn immerhin hatte man ja auch keine Sekretärin, mit der man den Begriff „Ablage“ neu definieren konnte.
Also hatte ich ein Telefon. Ich war nicht mal nur eine Briefkastendetektei, nicht einmal das, nein, es gab ein Telefon, auf dem ich erreichbar war. Und eine E-Mail-Adresse. Und eine Homepage, natürlich. Aber das war es auch eigentlich. Man traf sich mit den Klienten in einem Café oder bei ihnen zu Hause oder in einer Anwaltskanzlei – so, wie es meine aktuelle Kundin vorgeschlagen hatte. Oder mögliche Kundin in Spe, um genau zu sein. Sie klang alt und reich und adelig und zumindest zwei der Punkte schienen sich bei meiner kurzen Recherche als zutreffend zu erweisen. Es war hin und wieder kein Fehler, sich auch über den Klienten selbst zu informieren. Zu leicht konnte man da auf halber Strecke erfahren, dass man eigentlich für den Falschen arbeitete, zum Beispiel für denjenigen, der alles Geld verlieren würde, wenn das, was man gerade herausbekommen hatte, an die Öffentlichkeit kam und man wollte ja auch bezahlt werden. Natürlich wäre das nicht möglich gewesen, wenn einem ein Klient in seinem Büro auflauerte, aber wenn man ein bisschen Zeit bis zu einem Treffen hatte, konnte man schon das eine oder andere in Erfahrung bringen.
Zum Beispiel, dass Franziska van Aark durchaus wohlhabend war, aber trotzdem nicht zu den reichsten Leuten der Stadt gehörte. Und so war auch die Anwaltskanzlei, die sie vertrat und in der ich sie treffen sollte, eher der Mercedes unter den Kanzleien, während andere Familie den Porsche oder den Ferrari beschäftigen konnten.
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