Christiane Uts - Schicht im Schacht

„Sonst noch irgendetwas?“

„Ja, wir haben außerdem ein Handy bei der Toten gefunden. Die Auswertung wird gerade bei der KTU durchgeführt. Die Ergebnisse der DNA-Analyse liegen morgen vor.“

Voss bedanke sich bei Rippke, verabschiedete sich und ging zum Wagen zurück, um vor dem Feierabend nochmal ins Kommissariat zu fahren.

Brandtner war noch im Büro, saß an seinem Schreibtisch und schaute angestrengt auf seinen Monitor. Er war nun fast ein Mittfünfziger, der am liebsten herkömmlich „analog“ arbeitete und die Vorzüge digitaler Ermittlungsunterstützung nicht so recht zu würdigen wusste. Dafür konnte er alle Register bei Befragungen und Verhören ziehen, die Psychologie seiner Gegenüber war für ihn ein offenes Buch, kleinste Gefühlsregungen blieben ihm nicht verborgen. So ergänzte sich das Team.

„Hallo, Michael“

„Hallo, Jürgen. Obduktion war heute Nachmittag, die Tote ist ...“

„...Denise Ziegler, ich weiß. Ich war gerade bei Freddy. Wissen wir schon etwas über sie?“

„Ja, siebenunddreißig Jahre alt, nicht verheiratet, stammt aus dem Hamburger Rotlicht- bzw. Escortmilieu, arbeitete bei einer Hamburger Escort-Organisation. Sonst keine Auffälligkeiten. Es sieht zur Zeit so aus, als ob sie zufällig in Biberlingen war.

„Gibt es schon was von der KTU zu ihrem Handy?“

„Ne, morgen Vormittag kriegen wir den Bericht.“

„OK, ich hau' dann ab, wir sehen uns morgen. Schönen Feierabend!“

„Ja, danke, dir auch.“

Natürlich war der Leichenfund im Klinikum auch kurz Gesprächsthema beim Abendbrot, jedoch ohne weitere erhellende Kenntnisse für Katharina. Nachdem im Hause Tiedemann Ruhe eingekehrt war, ging Katharina ins Obergeschoss des Einfamilienhauses und klopfte zaghaft an Fabians Tür. Nachdem sie ein dumpfes „Hm“ vernommen hatte, öffnete sie die Tür und trat in das Zimmer. Fabian saß am Laptop und hackte gerade irgendetwas bei Facebook ein. Als er fertig war, drehte er sich um.

„Na, Mum“

„Sag mal, Fabian, wo arbeitest du eigentlich gerade im Klinikum, also ich meine, in welcher Abteilung?“

„In der Kinderklinik.“

„Habt ihr da irgendwas von dem Leichenfund mitgekriegt?“

„Na ja, man kann vom Schwesternzimmer direkt auf die Fundstelle gucken. Also in den Schacht natürlich nicht, aber Polizei und Feuerwehr haben wir bei ihrer Arbeit beobachten können.“

„Und nachts, ist da jemandem etwas aufgefallen?“

„Keine Ahnung, ich habe die Nachtschicht von gestern noch gar nicht gesprochen.“

„Kannst du dich da nicht mal vorsichtig erkundigen?“

„Mama!“ sagte Fabian vergnüglich vorwurfsvoll. „Wollt ihr Jürgen wieder Konkurrenz machen? Ist Caro auch wieder im Team? Ich glaube es ja nicht: Tiedemann und Staben ermitteln!“

Katharina war für kurze Zeit leicht verlegen und hätte beinahe die Frage nach der Videoüberwachung vergessen.

„Gibt es eigentlich eine Videokamera mit Blick auf den Fundort?“

„Pfff, ich beschäftige mich gerade mit Masern und Mumps, aber ich kann ja morgen mal „diskret“ ermitteln!“

Caroline beugte sich von hinten über das Sofa und legt die Arme zärtlich um Jürgens Schultern. Er legte sein Buch aus der Hand und ergriff ihre Hände. Ein wohlig-warmer geborgener Strom schien wie durch einen geschlossenen Stromkreis von einem Körper zum anderen zu fließen. Caro genoss dieses Gefühl und wollte es nicht missbrauchen. Sie musste dennoch an den Todesfall in Biberlingen denken und wollte ihren Jürgen kurz befragen.

Jürgen merkte es ihr bereits an und kam ihr damit zuvor, dass es bisher noch nichts brauchbares gab. Am nächsten Tag sollte es mehr Informationen zu den Todesumständen geben.

„So. Schluss jetzt damit. Komm!“

Jürgen nahm seine Caro an die Hand und zog sie sanft in Richtung Treppe. Es wurde noch ein schöner Abend.

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